NEU Sergio Bambaren: Die Zeit der Sternschnuppen
NEU Leif Karpe und Marco Klaß: Die Entdeckung der Farbe
Frédéric Lenoir: Das Geheimnis des Weinbergs
Donna Leon: Endstation Venedig

Vom Zauber der Geschichten

Sergio Bambaren: Die Zeit der Sternschnuppen. Ungekürzte Lesung mit Musik, Sprecher: Markus Hoffmann. 2 CD, 135 Minuten. 17,90 Euro. Steinbach Sprechende Bücher. ISBN 3-88698-735-3.

nach oben Sergio Bambaren ist ein wunderbarer Erzähler. Wer seine Geschichten kennt, weiß, dass er tiefe Herzensweisheit erfahren wird beim Lesen. Nun hat Steinbach Sprechende Bücher mit Markus Hoffmann als Sprecher die wunderschönen Geschichten „Die Zeit der Sternschnuppen“ aufgenommen. 135 Minuten lang wird der Zuhörer bezaubert, bekommt er Hoffnung, nimmt er hoffentlich viel mit von der Achtsamkeit, die aus Bambarens Texten kommt in seinen Alltag.
Die heutige Welt kennt so viele Erklärungen für die Dinge, vom Urknall bis hin zu irgendwelchen chemischen Reaktion oder rationaler Betrachtung wird vieles ent-zaubert, nüchtern analysiert und damit berauben sich die Menschen der Magie, die im Unbekannten steckt. Ein kritischer Zeitgenosse reist zum Dach der Welt und dort, am Lagerfeuer in einer sternklaren Nacht, vernimmt er die Geschichte von der Entstehung des Weltalls. Das klingt nun ganz anders als all die verstandesgesteuerten Aussagen, ebenso wie die Menschen in Bambarens Geschichten das Unerklärliche wieder mit den Augen eines Kindes sehen lernen. Bambaren ermutigt zum Träumen, zum Glauben, zum Hoffen, er macht auf die kleinen Dinge des Lebens aufmerksam und er schenkt schon in seinen Büchern dem Leser etwas Seltenes – eine behutsame Sprache, Poesie und Verzauberung. Markus Hoffmann hat die richtige Stimme für diese Geschichten, der Leser schaltet nicht zwischendurch ab, sondern er ist gebannt vom Text, gefesselt von der Stimme und den Klängen. Erstaunlicherweise nehmen die Zuhörer eine Haltung ein, die man kaum für möglich hält – erinnern Sie sich noch, wie Sie aufmerksam kauernd, vielleicht die Knie angezogen, gelauscht haben, wenn Ihnen als Kind Geschichten vorgelesen wurden? Wenn Sie ganz vertieft waren in die spannenden Abenteuer, wenn Sie Gast in der Märchenwelt waren? Erinnern Sie sich an diese Magie? Genau das werden Sie erleben, wenn Sie Bambarens Hörbuch lauschen. Lauschen! Nicht zuhören. Diesen qualitativen Unterschied werden Sie ebenfalls bemerken. Wieder ganz Ohr sein bedeutet auch, ganz bei sich zu sein. Das ist ein unglaublich großes Geschenk in unserer zerfaserten Zeit. Wer mehr Bambaren hören will – alle seine Titel sind bei Steinbach als Hörbuch erschienen. Und Markus Hoffmann kennt man nicht zuletzt von seinen Coelho-Lesungen.
csc

Hören und Sehen, Staunen und Klänge

Leif Karpe und Marco Klaß: Die Entdeckung der Farbe. Die Tunis-Hörreise nach den Tagebüchern von Paul Klee. Hörspiel mit Spurensucherkarte und Bookelt. Erzählerin: Anna Thalbach. 1 CD, ca. 65 Minuten. 19,90 Euro. Steinbach Sprechende Bücher. ISBN 3-88698-663-2.

nach oben 1914, April. August Macke reist mit seinen Freunden Paul Klee und Louis Moilliet nach Tunis. Die Reise hat Paul Klee in seinem Tagebuch geschildert, welches das Autorenteam Leif Karpe und Marco Klaß als Grundlage für eine begeisternde Hörspielproduktion verwendet haben. Anna Thalbach als Erzählerin, Johannes Rotter aus Macke, Thomas Nückel als Moilliet und Jochen Malmsheimer als Klee entführen den Leser in die nordafrikanische Landschaft. Bestechend ist der Klang, aufgenommen an den Originalschauplätzen. Wer nicht nur hören, sondern auch schauen will, ist mit der Spurensucherkarte und dem Leporello bestens bedient, so kann er Stück für Stück die Reise auch optisch miterleben.
Tunis am Vorabend des Ersten Weltkrieges – das Licht des Südens, das fremdartige Leben und vor allem die unvergleichlichen Farben, die das doch eher dunklere Europa nicht bieten kann. Künstleraugen, zumal Maleraugen, sehen anders, was an visuellen Reizen dort auf die Netzhaut Mackes und Klees trifft, löst bei beiden einen unglaublichen Schaffensschub aus, während Moilliet erst durch die Begegnung mit diesem Licht, mit der Landschaft und den Menschen zum Künstler wird. Macke reagiert mit einem gigantischen Schaffensdrang, als hätte er geahnt, dass er schon im Spätsommer 1914 an der Front sterben würde. Klee kann noch viele Jahre von seinen Impressionen in Nordafrika zehren.
Das Hörspiel entführt den Leser in eine Gegend, die für manchen noch unentdecktes Neuland ist. Er sieht mit den Augen der Maler und das zeigt ihm andere Schwerpunkte, als wenn er in einem Touristenbus von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gekarrt wird. Zudem ist es Karpe und Klaß gelungen, die unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten, ihre Eigenheiten, ihren Humor und auch ihre Sicht der Dinge beeindruckend herauszuarbeiten. Auch wer sich bisher noch nicht wirklich mit dem Werk dieser Künstler, inspiriert durch diese lediglich vierzehn Tage in Nordafrika, auseinandergesetzt hat, wird mit großem Vergnügen die CD anhören und er wird sich wünschen, mit neuen Augen selbst einmal dieses Licht sehen zu dürfen. Die Stimmen, die Musik, die den Leser mitnimmt in die Landschaft, und auch die Klänge vor Ort verschmelzen mit den Texten zu einem Gesamtbild. Der Hörer darf sich dann auf Spurensuche in den Werken Mackes und Klees begeben und er wird darin so manches finden, was er vorher nie gesehen hat. So ist die „Entdeckung der Farbe“ eine Möglichkeit, sich drei sehr unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten und ihrer Begegnung mit dem afrikanischen Licht zu nähern. Für Freunde von Macke und Klee in Muss und für alle Kunsteinsteiger eine herrliche Möglichkeit, mit Maleraugen eine Landschaft kennen und lieben zu lernen.
csc

Ein Erstling von beeindruckender Tiefe und ein herrliches Erzählwerk

Frédéric Lenoir: Das Geheimnis des Weinbergs. Aus dem Französischen von Carina von Enzenberg. Gelesen von Friedrich Schoenfelder. Hörbuch. 3 CD, Gesamtlaufzeit 211 Minuten. steinbach sprechende bücher. ISBN 3-88698-654-3.

nach oben Mit seinem Buch „Das Geheimnis des Weinbergs“ hat Frédéric Lenoir einen beeindruckenden Erstling vorgelegt. Friedrich Schoenfelder ist genau die richtige Stimme, um sich ein verregnetes Wochenende und einen Riesenurlaubsstau zu wünschen. Binnen Minuten verschwindet man ein einer genau und ausgesprochen gekonnt beschriebenen Welt in ein kleines Kaff in Südfrankreich. Pierre Morin ist ein Sonderling in der homogenen Dorfgesellschaft, in der jeder seinen angeborenen Platz hat. Seine Mutter, die Witwe genannt, und er, ihr seltsamer Sohn, sind nicht selten Gesprächsthema Nummer 1 im Ort. Von Kindesbeinen an zieht Pierre Morin die Natur der Gesellschaft von Menschen vor und seine Erfahrungen mit diesen Menschen bestätigt die Richtigkeit seiner Entscheidung.
Was Lenoir mit dem Leser macht, ist hohe Kunst des Erzählens. Die Spannung ist mit einem Mal da, mitten in der Schilderung von Morins Kindheit macht es „Klick“ und ab da ist der Leser gefangen, der point of no return ist schnell erreicht und nun schafft es Lenoir, das Spannungslevel permanent oben zu halten.
Immer, wenn man denkt, jetzt könne man sich ein wenig erholen und nebenbei was anderes machen, packt er einen aufs Neue mit noch unerhörteren Steigerungen und man vergisst alles um sich herum. So bleibt das drei CDs lang und Schoenfelder bezirzt, brummt, klagt, geheimnist, kreischt und berichtet, dass man sitzen bleibt auf dem staubigen Dorfplatz und das ganze Geschehen direkt miterlebt. Dass Lenoir auf den letzten Seiten dann, als man es kaum mehr aushält, hinter das Geheimnis des Weinbergs zu kommen, ein etwas schlappes Geheimnis enthüllt, ist nicht wirklich ein Drama. Nach über 200 hochspannenden Minuten verzeiht man das gern.
csc

So macht hören Spaß!

Donna Leon: Endstation Venedig. 8 CDs, 563 Minuten. 29,90 Euro. Steinbach sprechende Bücher. ISBN 3-88698-624-1.

nach oben Hat das Buch noch eine Chance angesichts des Siegeszuges der elektronischen Medien? Lesen Sie noch im Gedränge des modernen öffentlichen Nahverkehrs? Und was ist mit den unzähligen Stunden auf der Autobahn oder als allein erziehendes Elternteil nach der Arbeit beim nächtlichen Bügeln? Und überhaupt: ist es nicht sowieso am schönsten, vorgelesen zu bekommen?
Hörbücher können eine wunderbare Ergänzung zum gedruckten Wort sein. Ungekürzt werden Werke der ernsten und der Unterhaltungsliteratur auf CD oder Kassette mit namhaften Sprechern eingespielt und haben längst erfolgreich das Nischendasein als Leseersatz für Blinde und Hochbetagte hinter sich gelassen.
Der Kriminalroman „Endstation Venedig“ von Donna Leon ist ein gutes Beispiel für ein gelungenes „Hörbuch“. In dem 1993 unter dem Titel „Death in a Strange Country“ veröffentlichten Roman bringt der venezianische Commisario Brunnetti Licht in den Mord eines jungen Amerikaners und damit in ein ganzes Geflecht an kriminellen Machenschaften, nur um festzustellen, dass angesichts seines einfältigen und obrigkeitshörigen Chefs und der Einflusssphäre „gewisser Freunde“ die Bestrafung der Schuldigen letztlich nicht möglich ist.
Donna Leon verschmilzt Umweltverschmutzung, internationale Politik und mafiöse Geld- und Machtgier zu einem vielschichtigen und zeitgenössischen Plot, der in die betuliche Ruhe des Lebens in der Lagunenstadt eingebettet ist. Dabei gewinnt die Handlung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Kritik an den Vereinigten Staaten und ihrer Außen- und Umweltpolitik zusätzliche Aktualität.
Die etwas langatmigen und detaillierten Darstellungen der Mahlzeiten und besonders die vielfältigen Kaffee-Rituale mögen nicht jedermanns Geschmack sein. Auch die nicht immer überzeugende Emphase, mit der die eine oder andere Stelle vom Leser Christoph Lindert gesprochen wird, mag etwas unpassend erscheinen. Insgesamt tut dies jedoch keinen Abbruch an dem spannenden und uneingeschränkt empfehlenswerten Hörbuch.
Matthias Schmoller