Jutta Bauer: Ich sitze hier im Abendlicht …
Martha Beck: Enjoy your life
Petra Becker: Schwanger und schön
David Day: Das Buch von den Hobbits
Linda Eckert: Côte d’Azur-„Träume“
Brian Froud und Alan Lee: Von Elfen, Goblins, Spukgestalten
Anke Gebert (Text) und Ute Karen Seggelke (Fotos): Frauenräume
Mike George: 1001 Tipps zur Entspannung
Geschenkbücher bei Schirmer/Mosel
Sylvie Girard-Lagorce: Rosenlust
Volker Harlan: Alles Sichtbare haftet am Unsichtbaren
nach oben Florence Hervé/Katharina Mayer: Frauen und das Meer
Karen Howes: Lebenskunst in London
Martine und Caroline Laffon: Kinder in den Kulturen der Welt
Susanne von Meiss (Text) und Reto Guntli (Bilder): Bücherwelten
Wolfgang Amadeus Mozart/Jutta Bauer: Bona nox
Francois und Jean Robert: Gesichter
Iris Schürmann-Mock: Mythische Orte in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Charlotte Seeling: Frauen und ihre Gärten
Ute Karen Seggelke: Frauen über 50
Edda Singrün-Zorn: Das Lied der Arve
nach oben Oskar Weiss (Bilder) und Kjell Keller (Texte): Concerto Classico

Schreib mal wieder!

Jutta Bauer: Ich sitze hier im Abendlicht … Briefe gesammelt und illustriert von Jutta Bauer. 168 Seiten, gebunden, Leineneinband. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-5028-9.

nach oben Ich sitze hier im Abendlicht Briefe sind kleine Gucklöcher in fremde Welten. Wer Briefe anderer Menschen liest, verstößt eigentlich gegen ein paar geltende Regeln, doch in diesem Fall ist es durchaus erlaubt. Die Briefe, die Jutta Bauer hier gekonnt ausgewählt hat, sind gegliedert in: Familien-, Kinder- und Reisebriefe, erfundene Briefe, Liebes- und Alltagsbriefe und sie zeigen auf, welche Facetten das Briefeschreiben besitzt.
Wer selbst gern schreibt und vor allem das Gefühl liebt, einen an einen persönlich geschriebenen Brief, vielleicht sogar mit Füller, mit Bildchen versehen, in den Händen zu halten, entdeckt hier eine wahre Fundgrube. Nicht nur berühmte Menschen wie Goethe, Mozart, Saint-Exupéry, Cechov, Wander, Claudius, Lasker-Schüler, Ringelnatz und viele andere wurden aufgenommen, nein, es sind auch die Helden des Alltags, die uns kleine Zettel an den Kühlschrank kleben, es sind die Kinder, die mit noch ungeübter Hand und in den ersten Großbuchstaben kleine Liebesbotschaften, Jahrzehnte aufbewahrt, der Mama übermitteln, Faxe und sogar die nun übliche Form, Mails.
Nun wird nicht einfach ein Brief nach dem nächsten gedruckt, sondern Jutta Bauer versieht jeden Brief mit einem Konterfrei des Autors. Sie wäre nicht Jutta Bauer, wäre das eine Kaltnadelradierung mit möglichst wirklichkeitsnahem Anspruch, so arbeitet sie mit gewohnt flottem Strich das Charakteristische heraus und ebenso zieht sie aus den Briefen oder Ausschnitten den Kernsatz, der am Rand illustriert sich wiederfindet. So ist das Buch ein doppeltes Vergnügen, das des Lesens und das des fröhlichen Betrachtens. Zugleich ist es natürlich auch ein Stück weit Chronik, Kulturgeschichte, aber beileibe nicht wissenschaftlich und trocken, sondern direkt am Herzen, am Wort, am Menschen.
Ein Buch für jeden Nachttisch. Wer dann nicht mehr schreibt, dem ist nicht zu helfen.
csc

Leben Sie bunt und fröhlich!

Martha Beck: Enjoy your life. Zehn kleine Schritte zum Glück. Aus dem Englischen von Silvia Kinkel. Mit einem Vorwort von Werner Tiki Küstenmacher. Campus Verlag. ISBN 3-593-37432-3.

nach oben Uff, noch so ein Glücksbringerratgeber, dachte ich erst und nahm mir das Buch an einem ekligen, regnerischen Tag vor, als wirklich nichts mehr anderes zu tun anstand. Hätte ich nicht so lange gewartet, ich habe Zeit wahrhaft verschenkt. Allein das Lesen des Buches reißt einen garantiert aus jeder Depression und was die gute Martha Beck mit leichter Hand dahinwirft, sind ausgesprochen bedenkenswerte Ansätze, die man tatsächlich in das eigene Leben einbauen kann. Man braucht nur den Mut, anzufangen (aha!).
Zehn Schritte listet Martha Beck auf, wie man es schafft, aus dem grauen Alltagsmief endlich eine frisch gelüftete Bude zu machen, in der man nicht nur supergerne wohnt, sondern die auch zu einem regelrechten Treffpunkt Gleichgesinnter wird. Glück zieht nämlich einiges an – vor allem aber glückliche Menschen. Und geteiltes Glück ist potenziertes Glück.
Martha Beck lebt, was sie schreibt und sie hat erfahren, von was sie dem Leser berichtet. Eliteuniversität, drei Kinder, davon eines behindert – Stationen eines Lebens. Beck arbeitet als Coach und das ist ihr auf den Leib geschneidert. Aus jeder Zeile spricht ein Praktiker, übrigens sprachlich: da dürfen Sie sich auf ein wahres Feuerwerk gefasst machen. Sollten Sie lange nicht mehr gelacht haben, hier bleibt es Ihnen garantiert nicht erspart. Mit leichter Hand wird Schweres verhackstückt und so verstehbar und umsetzbar. Von der Schwierigkeit, einen Ochsen zu verzehren, könnte man es nennen. Wie einfach, wenn man das Tier vorher zu Hackfleisch teilt, im Ganzen ist das etwas sperrig. Aha-Erlebnisse garantiert! Aber: Glauben Sie nicht, das Glück fällt zu Ihrer Tür herein, nur weil Sie endlich ein passendes Buch gefunden haben. Die zehn Schritte mögen klein sein, aber allein ein Schritt der Marke „sag die Wahrheit“ kann einen schon ins Koma stürzen, denn die nackte Wahrheit hat durchaus auch negative Folgen. Bis man es geübt ist jedenfalls.
Nichts, Wahrheit, Herzenswünsche, Kreativität, Risiko, Belohnungen, Spiele, Lachen, Beziehungen und Feste feiern sind die Merkworte der zehn Schritte und daran sieht man – es gibt leichte und schwere Schritte. Zwischen dem „Ach so, na klar“ und dem „ich mache es“ bis hin zu „inzwischen ist es mir in Fleisch und Blut übergegangenr“ liegen ein paar mächtige Berge, die es zu besteigen gilt. Zeigen Sie Mut, lassen Sie sich von Martha Beck an die Hand nehmen. Immerhin geht es um das höchste Gut, das Sie momentan in die Waagschale werfen können – Ihr ganz eigenes Leben.
csc

Eines der größten Abenteuer

Petra Becker: Schwanger und schön. 18 Portraits. 128 Seiten, durchgehend farbige Abbildungen, mit Schutzumschlag. 19,90 Euro. Verlag Gerstenberg. ISBN 3-8067-2937-9.

nach oben Schwanger und schön Schwanger – das kann alles sein. Der Horror, permanentes Erbrechen, neun Monate Stillliegen, eine gigantische Reise quer durchs Hormonland, eine Herausforderung, etwas, das je nach Kinderzahl eher „nebenbei“ läuft, angstbesetzt und in jedem Falle eines – verändernd. Wo ein neues Leben wächst, wird Platz gebraucht. Zunächst im Bauch und das schafft Probleme. Wer vorher rank und schlank war, fühlt sich jetzt ausgedehnt, ohne einen Einfluss darauf zu haben, welche Formen das annimmt. Der Bauch wächst und wächst, das Umdrehen wird zum Problem, der Busen erscheint riesig und irgendwann hört der Spaß auch auf, wenn das Baby permanent auf der Blase hopst, die Wirbelsäule tritt oder meint, es müsse just dann mit den Turnübungen anfangen, wenn man sich endlich erschöpft hingelegt hat.
Es trifft alle Schwangeren gleichermaßen. Beruhigend. Und doch – nichts ist individueller als eine Schwangerschaft, denn nicht einmal man selbst weiß, wie man sich verändert, nur dass man es tut. Welche Achterbahnfahrt der Gefühle die Hormone auslösen, ahnt man glücklicherweise vorher nicht. Nicht selten bedeutet ein Kind Katastrophenalarm, ungeplant, unpassend, ungewollt – wirklich? Neun Monate Schwangerschaft bedeuten auch – vieles klärt sich von allein. Was man strikt abgelehnt hat, kann plötzlich zum Wunder werden, zur Ehre, vom Baby ausgewählt zu sein.
Petra Becker hat 18 schwangere Frauen angesprochen und portraitiert. Junge Frauen, ältere Frauen, im Beruf erfolgreiche Frauen, Frauen am Anfang ihrer Berufsbahn, Frauen in festen Beziehungen, Frauen, deren Beziehung sich erst mit der Schwangerschaft festigt. Alle Frauen zeigen ihren Bauch – selbst wenn sie ihn nicht immer nur lieben. Es sind Portraits von Frauen in der wichtigsten Umbruchphase ihres Lebens. Erstgebärende ebenso wie Mütter, die das alles schon kennen, aber wissen: Jeder Schwangerschaft ist ihr je eigenes Abenteuer und nicht jede Schwangerschaft löst Jubel aus.
Wer schwanger ist oder es werden will, findet viel Mut und Unterstützung in den Bildern, in den Texten. Es sind herrliche Bilder in diesem Buch, die zeigen – das können wirklich nur Frauen schaffen!
csc

Das ultimative Hobbitlexikon

David Day: Das Buch von den Hobbits. Mit Illustrationen von Lidia Postma. Aus dem Englischen von Hans Heinrich Wellmann. 96 Seiten, durchgehend farbig, gebunden. 22,– Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2824-0.

nach oben Das Buch von den Hobbits Wenn Sie ein Buch in die Hand nehmen, und es fühlt sich besonders schön an, nehmen Sie es doppelt so gern aus dem Regal. Das Buch von den Hobbits ist so eines, das einen ganz weichen Einband hat, ein farbiges Innenblatt und dann wird es mit jeder Seite schöner. Eine sorgsame grafische Gestaltung, Bilder, wie sie aus einem uralten Märchenbuch entspringen könnten, aber auch durchaus informative Tafeln (Das Maß à la da Vinci!) sorgen dafür, dass der sehr sorgsam erarbeitete Text von David Day auch optisch angemessen umgesetzt wird. Sie erfahren in diesem Buch alles über Hobbits und zwar in jeder Form, sei es sprachgeschichtlich, inhaltlich oder gesellschaftlich. Das Buch ist eine Art Hobbitlexikon und dürfte so ziemlich alle Fragen rund um die sympathischen Wesen aus Tolkiens Herrn der Ringe beantworten. Allein die Einführung ist ungeheuer sorgsam erarbeitet, das hat sicher kaum jemand gewusst, wie Tolkien auf seinen ersten Satz kam: „In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit.“ Mit dem Siegeszug der Großfüßler mit dem Hang zu ausgelassenen Festen hat sicherlich nicht einmal Tolkien gerechnet und wer meint, mit Buch und Film ausreichend über Hobbits informiert zu sein, lässt eine große Wissenslücke offen. Hobbits sind wirklich mehr als nur ausgesprochen liebe Wesen mit zauberhaften Wohnhöhlen und frohen Dorffeiern.
Der Autor stellt die einzelnen Hauptakteure und ihre Familien vor und weist nach, was die Wahl der Namen über ihre Wesenszüge und Charaktereigenschaften aussagt. Und was der Autor in diesem Buch zusammenträgt, ist nicht nur eine Fleißaufgabe ersten Ranges, es zeigt auch auf, welcher Geniestreich Tolkien da – ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt – mit dem Begriff des Hobbits gelungen ist. Und wer das Buch aufmerksam liest und merkt, welche Macht und welche Hinweise in Worten liegen, bemerkt eine Parallele zwischen den Begriffen und dem Ring: „Die Wahrheit ist, dass Wörter – wie Zauberringe – so etwas wie einen eigenen Willen haben, durch den sie das, was im Lauf der Geschichte mit ihnen geschieht, selbst bestimmen“. Ein Buch für alle, die Hobbits nicht nur in Keksform lieben und offen sind für Überraschungen, welche uns die Sprache bietet. Immer wieder.
csc

Für alle Notfälle lebensrettend!

Linda Eckert: Côte d’Azur-„Träume“. Wunderliche Geschichten. Mit Illustrationen von Geraldine Sadlier. 177 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag. 22,80 Euro. Wenz-Verlag. ISBN 3-937791-02-7.

nach oben Côte d’Azur-"Träume" Heute ist eindeutig nicht Ihr Tag? Schon morgens übergekochte Milch, die Laufmasche im Strumpf, der Krawattenknoten klemmt? Die Putzfrau kündigt und der Chef ist mies gelaunt? Aha. Und als Sie am Abend nach einer unglaublich schrecklichen Oper zu Ihrem Italiener wollen, hängt ein Schild am unbeleuchteten Portal: „Wegen Krankheit überraschend geschlossen!“
Sie brauchen Urlaub, ganz einfach. Dann regen Sie die Millionen Kleinigkeiten, die sich zu großen Krisen zusammenrotten, nicht mehr auf. Geht nicht? Kein Lottogewinn und in Ihrer Familie fressen Ihnen eher die Kinder und Hunde die Haare vom Kopf, als dass mal ein paar Tage Meer drin sind? Ach, was regen Sie sich denn auf, das ist doch ganz normal. Machen Sie einfach Ferien, die jederzeit griffbereit sind. Sogar binnen fünf Minuten auf der Firmentoilette (im alleräußersten Notfall)!
Ab in den Süden! Dahin, wo die Sonne dieses ganz spezielle Licht über die Hügel schickt und das Meer flirren lässt, wo die Luft entweder nach Lavendel oder Salz riecht, die Damen schöner, die Herren eleganter und die Milchkaffeetassen angemessen groß sind – willkommen an der Côte d’Azur. Falls Sie glauben, dass da nur die Schönen und Reichen sind, liegen Sie richtig. Aber ab sofort sind Sie mittendrin, denn Linda Eckerts Buch „Côte d’Azur-Träume“ wird Sie binnen Minuten in seinen Bann ziehen und Sie mitnehmen ins Paradies.
Mit Robert und Irmchen und weiteren, garantiert unvergesslichen Charakteren, beseitigen Sie unliebsame Besucher, staunen beim Abschiedskonzert eines begnadeten Pianisten, wandeln Sie durch Nizza und erleben, was geschieht, wenn man eine Kreditkarte bekommt, die alle Wünsche erfüllt. Linda Eckert breitet einen Geschichtenbogen aus, der Sie lachen und weinen lässt, Ihr Herz mit Musik erfüllt, Ihnen kulinarische Köstlichkeiten vorführt, die Lust auf mehr Meer machen und Ihnen die Côte d’Azur so zeigt, wie man sie nur kennen lernen kann, wenn man dort lebt und diesen Landstrich mit all seinen skurrilen Menschen liebt.
Vom psychologisch raffinierten Krimi bis hin zur Nummer zum Ablachen haben Sie mit einem Schlag eine erstaunliche Palette, gemalt mit Frankreichs Farben, gewürzt mit ausgezeichnetem Beobachtungsvermögen, sprachlich treffsicher und garniert mit zauberhaften Zeichnungen von Geraldine Sadlier, die das Licht und die Leichtigkeit des Südens in ihre Zeichnungen einfließen lässt und so die Leser auch optisch an dieses Stück Paradies auf Erden mitnimmt. Vor Schlangen sei gewarnt!
Linda Eckert schrieb schon während ihrer Schulzeit für die Basler Zeitung, Redaktionen und Werbeagenturen sind ihr nicht fremd. Als sei das nicht schon aufregend genug, zog sie ein Musikstudium durch mit dem Hauptfach Klavier. Wie die Tasten beherrscht sie auch die Tastatur des PC mit ausgesprochener Virtuosität und bei soviel Musik im Leben der Autorin darf sich der Leser nicht wundern, wenn die Seiten klingen beim Umblättern.
csc

Überleben im Geisterreich: Ultimative Hilfen

Brian Froud und Alan Lee: Von Elfen, Goblins, Spukgestalten. Ein Handbuch der anderen Welt, nach alten Quellen erschlossen und aufgezeichnet von Brian Froud und Alan Lee. Aus dem Englischen von Renate Reimann. 192 Seiten, durchgehend farbig, gebunden mit Schutzumschlag. 35,– Euro. Verlag Gerstenberg. ISBN 3-8067-2895-X.

nach oben Von Elfen, Goblins, Spukgestalten Endlich! Schluss mit den Überlegungen, ob das kleine fiese Wesen an der Wiege ein Spriggans ist oder nicht. Man weiß es jetzt nämlich. Es ist einer und das rettet das Baby. Sonst hätte man nämlich einen grusligen Wechselbalg großgezogen.
Geister boomen und das mit gutem Grund. Endlich begreift auch der Normalbürger, dass die menschliche Welt nicht nur von Computerviren belebt ist und Krankheiten auslösenden Bakterien, die man dringend bekämpfen muss, sondern dass mehr zwischen Himmel und Erde ist, als man sich vorstellen kann. Sie legen am Abend den Autoschlüssel neben das Telefon. Am Morgen ist er logischerweise weg. Ha! Das ist wirklich nicht Ihre Schuld, ab sofort sind Sie fein raus. Es war mal wieder einer der ... ja, wer eigentlich? Wie heißen die Niemande, die harmlosen Spaziergängern bei Vollmond einen Buckel anzaubern können? Wie geht man mit Kobolden und Heinzelmännchen angemessen um?
Elementarwesen und andere Geistergestalten treten so langsam aus ihrem Schattendasein heraus. Was unsere Altvorderen längst wussten und beispielsweise in Island bis auf den heutigen Tag sogar parlamentarisch geachtet wird, ist heute von uns neu zu lernen wie Vokabeln einer Fremdsprache. Wer kennt sich denn noch bei Nixen und Irrlichtern aus? Wer vermag einem Nachtmahr zu entkommen? Kennen Sie nicht? Warten Sie ab, bis die Nacht der Nächte kommt, doch wehklagen Sie dann keinesfalls! Ich habe Sie gewarnt. Sie hätten vorbereitet sein können.
Wer ein ganz außergewöhnlich kunstfertiges Buch zum Selbstschenken (die weiteren Exemplare, die Sie zweifellos kaufen werden, sind dann für Mitmenschen, die dank Ihrer Mithilfe überleben werden) sucht, liegt mit diesem prachtvollen Bildband goldrichtig, denn nicht nur die grafische Gestaltung und die wunderbar passend zu den Bildern ausgewählte Schrift machen das Buch zu einem bibliophilen Meisterwerk, es ist zudem eine nahezu unerschöpfliche Informationsquelle über all das kleine (bisweilen zugegebenermaßen auch riesige) Wuselzeug, das wir kaum benennen können, vor dem uns aber – seien auch Sie ehrlich – die Haare zu Berge stehen, wenn wir alleine sind im Wald und es ist stockfinster und knackt irgendwo, deutlich näherkommend.
Froud und Lee haben sich unerschrocken aufgemacht und mit Suchscheinwerfern die Geisterwelt durchforstet. Herausgekommen ist ein „Handbuch des Umgangs“ mit Wesen der Anderwelt. Wir erfahren alles über deren Sitten und Gebräuche, Eigenarten und – das Beste – wir bekommen endlos viele Tipps und Hilfen im Umgang mit diesen Wesen. Wenn Ihnen die Kapitelüberschriften „Terminologie“, „Woher kommen sie?“, „Das Reich der Geister“, „Verhaltensweisen der Geister“, „Bewohner des Zauberreichs“, „Zauberpflanzen“, „Was Dichter über die Welt der Geister sagen“ und „Technische Nachbemerkung“ wohlige Gruselschauer über den Rücken jagen, sollten Sie heute noch losjagen und das Buch besorgen. Sie werden mit jeder Seite belohnt, denn abgesehen von den unschätzbaren Informationen werden Sie an den Bildern Ihre helle Freude haben. Ich wette mit Ihnen, dass Sie eine gewaltige Masse dieser Wesen schon gesehen haben. Aber hätten Sie gedacht, dass …
csc

Nicht wie bei Hempels unterm Sofa

Anke Gebert (Text) und Ute Karen Seggelke (Fotos): Frauenräume. 200 Seiten, 219 Abbildungen, durchgehend farbig. Broschur. 24,95 Euro. Verlag Gerstenberg. ISBN 3-8067-2929-8.

nach oben Frauenräume 20 Frauen zu besuchen und sich in ihre Wohnräume entführen zu lassen, ist ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Das Autorenduo hat sich auf den Weg gemacht und Frauen in ihrem Zuhause besucht. Und als Resümee kann man vorweg schon sagen: Die Räume zeigen, wer darin lebt, oder: Jeder Mensch drückt seiner direkten, persönlichsten Umgebung seinen ganz eigenen Stempel auf. Und: Raum und darin lebender Mensch stehen in einem beständigen Dialog. Einrichtung ist mehr als Funktion und Ästhetik, mehr als Höhlenbau und Ort der Sauberkeitsattacken. Es gibt Räume, die schotten nach außen ab, Räume, die direkt einladen, einzutreten, Räume, die kraftvoll sind, Räume, die still werden lassen, Räume, in denen intensiv gearbeitet wird und Räume, in denen nur Träume erlaubt sind.
Das Buch ist keine Homestory, bei der die Neugier der Yellowpress-Leserin befriedigt wird. Es ist eine Konfrontation mit der Frage: Sag mir, wie du wohnst und ich sage dir, wer/wie/was du bist. Wir blicken in 20 Frauenräume, lesen von 20 Frauenschicksalen und staunen, denn manchmal denkt man: Das passt wie die Faust aufs Auge zu dieser Persönlichkeit oder „Ach was, so wohnt sie? Hätte ich nicht gedacht“ und das lädt zum Nachdenken darüber ein, wie man selbst lebt.
20 Berichte über Frauen, 20 Mal Bilder aus ihren Häusern, ihren Arbeits-, Schlaf-, Badezimmern, von ihren Gärten, 20 Portraits. Man sieht – Räume wachsen mit den Menschen. Der Mensch formt sich seinen privaten Raum wie einen Abdruck seiner Selbst. Höhlenartiges und Offenes, Abschottendes und Weitendes, Einladendes und um Abstand Bittendes zeigen – wir alle brauchen Rückzugsmöglichkeiten, aber auch Orte der Geselligkeit, wir brauchen Kunst und Krempel ebenso wie Tiere, Pflanzen oder auch das Nichts, das unsere Gedanken frei fließen lässt und das Auge daran hindert, sich an Materiellem festzusaugen nach dem Motto: Wo nichts ist, kann auch nichts stören. Mutige Frauen sehen wir, die das Nichts zulassen können, aber auch mutige Frauen, die sich nahezu zumüllen und sich mit Tausenden von Erinnerungsstücken umgeben wie eine zweite, inzwischen langjährig gewachsene zugewucherte Haut, einem Baum vergleichbar, der mit einem Efeu eine Jahrhunderte lange Symbiose eingegangen ist.
Wohnen ist viel privater und viel aussagekräftiger, als ich dachte. Irgendwie werden wohl alle Menschen schlafen, essen und arbeiten, meint man so landläufig. Aber im privaten Wohnbereich werden die allgemein gültigen Regeln außer Kraft gesetzt – das sind die Inspirationsquellen, die Tankstellen für innere Kraft. Dass es Frauenräume sind, macht die Sache doppelt interessant, denn Frauen wohnen definitiv anders als Männer. Irgendwie – schöner!
csc

Unbedingt anschaffen, kann Leben retten!!

Mike George: 1001 Tipps zur Entspannung. 384 Seiten. 12,95 Euro. Moses Verlag. ISBN 3-89777-209-4.

nach oben 1001 Tipps zur Entspannung Das Format ist vor allem in der Badewanne reiner Käse. Das Stichwortverzeichnis ist nach Seiten geordnet, nicht nach Tipp, was schwierig ist, weil die Seiten nicht durchgängig eine Zahl haben. Und der Würfel ist schwer im Handling, weil er dauernd zublättern, will man den Buchrücken nicht dem baldigen Tod anheimstellen. So. Das zur unmöglichen Optik. Ansonsten gilt: Wenn Sie das Buch noch nicht haben, müssen Sie es sofort bestellen, es kann Ihr Leben retten. Falls nicht retten, so doch wenigstens gewaltig verbessern.
1001 Tipps zur Entspannung – als ich die Ankündigung las, dachte ich bei mir: Genau, „zählen Sie zuerst Schäfchen 1, dann 2 … 1000 und legen Sie, Tipp 1001, das Buch weg“. Nix da. Sie werden den Mund nicht mehr zukriegen, was Mike George hier alles zusammengetragen hat. Selbst der größte Krampfgeier kriegt hier einen Tipp zum Entknoten von Leib, Seele und Leben allgemein. Egal, ob Sie ein esoterisch angehauchter Räucherstäbchenabfackler sind oder klassisches Workout lieben, hier wird jeder bedient, von Feng Shui bis hin zu tief geistigen Anleitungen. Schluss mit dem Stress auf allen Ebenen, wie man sich selbst akzeptieren lernt, ausgeglichener und optimistischer in den Tag geht – alles hat Mike George zusammengetragen. Entspannungstechniken, Tipps und Tricks, Arbeitsorganisation, Timemanagement – endlos (nein, 1001) ist die Palette, die George aufblättert, thematisch sortiert, aber immer zutreffend. Wer hier nicht seine Methoden findet, dem ist eigentlich mit nichts mehr zu helfen. Das ultimative Entspannungsbuch, das in jede Hand gehört. Denn es vermittelt nicht nur so eher lockere Tipps wie Umstellen von Möbeln oder so, sondern es enthält eine Unzahl sehr tiefer menschlicher Wahr- und Weisheit. Absolut unerwartet und ein echtes Geschenk. Die Gestaltung der Seiten ist sehr liebevoll gemacht, wie das ganze Buch Liebe, Licht und Lebensfreude vermitteln kann.
csc

Zum Schenken fast zu schade

Geschenkbücher bei Schirmer/Mosel. Henri Rousseau, „Das kleine Dschungelbuch“, „Frühlingsblumen aus dem Garten von Eichstätt“, „Sommerblumen aus dem Garten von Eichstätt“, Marianne Schneider/Lothar Schirmer: „O Stern und Blume … Blumenbilder und Gedichte“, Marianne Schneider: „Pinocchio hat gesagt …“, Philipp Otto Runge: „Scherenschnitte“. Alle im gebundenen Taschenformat mit Schutzumschlag, je 96 Seiten mit rund 40 Farbtafeln. Je 9,80 Euro. Verlag Schirmer/Mosel.

nach oben Es gibt ja immer mal wieder Verlagsideen, wie man ein Produkt mehrfach unter die Leute bringen kann. Etwa, wenn sich aus längst erschienenen Zeitschriftenartikeln ein prima Kunstband zusammenstellen lässt. Oder aus einem Kunstband noch eben ein Bildkalender, eine aufwändig dekorierte Schreibmappe oder ein Taschenkunstbändchen.
Dass aber ein Verlag so etwas richtig mit Liebe macht und der Verleger auch noch persönliche Begeisterung investiert – das gibt es vielleicht nur bei Schirmer/Mosel. Dabei sind die Übergänge zwischen der bezaubernden kleinen Reihe der „Geschenkbücher“, die alle das gleiche Miniformat und die gleiche Ausstattung haben, und den etwas größeren Bändchen, die man natürlich auch prima verschenken kann, durchaus fließend – aber irgendwann mag man sie gar nicht mehr aus der Hand geben und behält sie am liebsten gleich selber.
Sieht man von den größeren und mit 12,80 Euro etwas teureren Bändchen ab (zu denen beispielsweise das „Handbuch“ des Fotografen Elliott Erwitt oder „Die Aphorismen und Rätsel“ von Leonardo da Vinci gehören), dann fingen die Geschenkbücher 2004 mit Henri Rousseaus „Kleinem Dschungelbuch“ an, und das ging so: 1984 erschien bei Schirmer/Mosel der Kunstband „Henri Rousseau – Die Dschungelbilder“, aus dem zwei Jahrzehnte später besagtes kleines Bijou wurde, mit all den Löwen, Affen, strotzenden Urwaldgewächsen, visionären weiblichen Akten und der „Schlafenden Zigeunerin“, für die der Pariser Zollbeamte Rousseau berühmt wurde. Ein flotter, überaus anschaulicher Text von Harald Eggebrecht hilft bei der kulturhistorischen Einordnung jener halb lockenden, halb gefährlichen Urwaldträume, die allesamt ohne jede Urwaldkenntnis gemalt wurden, und wer noch mehr wissen möchte, wird am Schluss des Bändchens bei den biographischen Stichworten fündig. Wussten Sie, dass der malende Zöllner auch als Walzerkomponist und Straßenmusiker hervortrat? Dass er an spiritistischen Sitzungen teilnahm?
Ein unausweichlicher Zauber geht auch aus den mittlerweile zwei Büchlein über den legendären Garten von Eichstätt hervor: Von dem 1613 erschienenen Prachtband „Hortus Eystettensis“ des Nürnberger Apothekers Basilius Besler nahm sich 1988 der Schirmer/Mosel Verlag eines in Paris erhaltenen Exemplars an (von der Erstausgabe in 300 Exemplaren gibt es heute gerade noch zehn) und druckte es nicht minder prachtvoll nach. Botanisch wurden die fast 1100 Pflanzen sogar auf den neuesten Stand gebracht durch einen Fachmann, denn das Linné-System der Pflanzenbestimmung gab es im 17. Jahrhundert noch nicht. In Miniausgabe, nicht minder liebevoll betreut, liegt nun je eine Auswahl von Frühlings- und von Sommerblumen vor, und da der Pflanzenliebhaber Basilius Besler den Garten seines Gesinnungsgenossen und Fürstbischofs Johann Conrad von Gemmingen durch geschickte Kultivierung bis tief in den Herbst hinein zum Blühen brachte, könnte ein drittes Bändchen ja irgendwann noch kommen. Übrigens gab die Schirmer/Mosel-Ausgabe von 1988 den Anstoß zur Rekonstruktion des im Dreißigjährigen Krieg verwüsteten Gartens.
Auch die anderen Geschenkbücher entstammen solchen Großeditionen, wobei allerdings die Neuübersetzung von Collodis „Pinocchio“-Klassiker mit 14,80 Euro nicht viel teuer ist als das zum Verschenken geeignete Zitatenbändchen mit seiner niedlichen Holzpuppen-Dekoration. Eine Besonderheit nicht nur für Pflanzenliebhaber sind auch die „Scherenschnitte“ des romantischen Malers Philipp Otto Runge (1777–1810), die schon die Zeitgenossen bezauberten. Von Runge finden sich drei Tafeln (davon zwei Scherenschnitte) auch in dem wohl anspruchsvollsten und ungewöhnlichsten Bändchen der Geschenk-Reihe, der Anthologie „O Stern und Blume … Blumenbilder und Gedichte“.
Lyrik-Anthologien – wen interessiert denn so gestriges Gedöns heute? Und es fängt auch noch mit der Luther-Übersetzung eines salomonischen Hohenlieds an und präsentiert dann irgendwelche Kirchenlieder, um die sich heute keiner mehr kümmert. Doch mittendrin plötzlich ein pfiffiger Vierzeiler des Barockdichters Friedrich von Logau: „Wie willst du weiße Lilien/ Zu roten Rosen machen?/ Küß eine weiße Galathee:/ Sie wird errötend lachen.“ Schade, dass die Herzensbrecher von vor mehr als 300 Jahren nicht weiter zu Wort kommen, aber Goethe, Brentano, Eichendorff, Rilke, Paul Celan – bis hin zu Eugen Gomringer und Rose Ausländer sind ja auch keine schlechte Auswahl. Das Tollste aber sind die Bilder, die den Gedichten zugeordnet wurden.
Nicht die bekannten Gemälde der jeweiligen Epoche wurden da von Leonardo-Übersetzerin Marianne Schneider und Verleger Lothar Schirmer höchstpersönlich ausgesucht, sondern ausnahmslos kaum bekannte Arbeiten auf Papier - und Fotografien bis hin zu Man Ray und Thomas Struth. Zeichnungen etwa von Leonardo, Dürer und Claude Lorrain, von van Gogh und Joseph Beuys. Gedicht und Bild entstammen gar nicht immer derselben Zeit, zwischen dem rührenden Alpenveilchen-Aquarell von Hanne Darboven 1957 und der „Geheimen Rose“ von Angelus Silesius liegen fast drei Jahrhunderte. Die Großausgabe, von der das Geschenkbüchlein eine Auswahl vermittelt, erschien 2001 und überspannt 500 Jahre deutscher Lyrik. Es seien die schönsten Wort/Bild-Paare daraus entnommen worden, versichert der Klappentext. Das glaubt man aufs Wort und wartet gespannt auf die Fortsetzung der Reihe.
Christel Heybrock

Die ewige Verführung

Sylvie Girard-Lagorce: Rosenlust. Aus dem Französischen von Sylvia Strasser. 160 Seiten, durchgehend farbig, gebunden mit Schutzumschlag und ausführlichem Adressenteil. 29,90 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2885-2.

nach oben Rosenlust Rosen! Unbestritten sind sie die Königinnen der Blumen! Zu allen Zeiten, überall, wo sie wachsen, begeistern Rosen die Menschen, symbolisieren sie die Liebe, aber auch den Stolz und die Unnahbarkeit. Rosen in (fast) allen Farben und Formen inspirieren schon seit der Antike die Menschen, und keine Blume hat es geschafft, dass ihre einzelnen Farben eine eigene Sprache besitzen. Wer rote Rosen schenkt, sagt etwas anderes als derjenige, der gelbe Rosen überreicht.
Rosen zieren nicht nur Gärten, sondern sind im Lauf der Zeit auch ins Haus gewandert, auf Decken, Tapeten, Geschirr, Briefpapier, sie sind die Krönung jeder Hochzeitstorte und wer sich in Rosenduft hüllt, sendet seine eigenen Botschaften aus.
Christian Sarramon hat in seinen Fotos eingefangen, was Sylvie Girard-Lagorce in ihrem Text vermittelt – die ganze Zauberwelt der Rosen. Einziger Nachteil: das Buch duftet nicht, aber das braucht man auch nicht. Beim Blättern riecht es wie in 1001 Nacht!
In den Kapiteln Es war einnmal eine Rose, Gartenrosen, Rosensträuße, Rosenillusionen, Rosen und Parfum, Süße Rosenm und Rund um die Rose zeigt die Autorin die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten mit Rosen. Selbst im tiefsten Winter können wir von Rosen umgeben sein, auf Geschirr, Tapeten, Tischdecken und im Tee getrocknet, im Rosenöl und im Duftbad, auf Rosen muss man niemals verzichten.
Bild und Text sind eine traumhafte Einheit, wer im Buch blättert, bekommt sofort Lust, sich aufzumachen in die zauberhaften Rosengärten Englands oder sich einen der herrlichen Rosensträuße selbst zu schenken. Mit Staunen sieht man, wie kunstvoll Rosen in Seide gearbeitet werden, alles, um die Königin der Blumen auch in den Wintermonaten um sich haben zu können. Stoffe mit Rosen zeigen – wer Rosen liebt, hat viel mehr Möglichkeiten, seine Schätze um sich zu haben als nur in den Sommermonaten, wenn die Stämmchen, Büsche und Rambler vor Blüten beinahe explodieren, doch – wie schnell vergeht der Juni!
Das Kapitel Süße Rosen entführt in die Welt kulinarischer Hochgenüsse. Rosenblüten, mit Zucker und Eiweiß überkrustet, getrocknet für Tees, in Likören, Gelee und Makrönchen, die auf der Zunge zergehen bis hin zur mehrstöckigen Hochzeitstorte, von einem Wasserfall aus Zuckerrosen gekrönt – wer nicht vom Rosenfieber angesteckt wird, wenn er diesen herrlichen Band in die Hand nimmt, dem kann nicht mehr geholfen werden.
Erfreulich: ein sehr ausführlicher Anhang informiert über Rosengärten, Züchter, Schauen, Vereinigungen, ausgewählte Floristen, Innendekorateure und Feinschmeckeradressen in ganz Europa. Wer also keinen Garten zu Hause hat, kann sich eine ganze Rosenreise zusammenstellen, um der Faszination Rose zu erliegen.
Ein prachtvoller Bildband, der für jeden Rosenliebhaber zu den „Musts“ gehört und ein ideales Geschenk für alle, deren Garten aus Gras, Thujahecke und drei schmerzlich einsamen Zierbüschen besteht. Mut zur Üppigkeit, zur Duftorgie!
csc

Alte christliche Motive berührend neu gestaltet

Volker Harlan: Alles Sichtbare haftet am Unsichtbaren – Werk und Leben von Ninetta Sombart. 208 Seiten, 90 ganzseitige farbige Abbildungen, gebunden. 42,– Euro. Urachhaus Verlag. ISBN 3-8251-7433-6.

nach oben 1925 wurde Ninette Sombart geboren und wuchs in Berlin im Haus des Nationalökonomen und Sozialwissenschaftlers Werner Sombart auf. In ihrer Kindheit und Jugend lebte sie in einem großbürgerlichen, intellektuellen Milieu, ehe sie 1947 heiratete, nach Amerika übersiedelte und dort nicht nur eine neue Welt kennen lernte, sondern auch vier Kinder bekam und sie unter schwierigsten Bedingungen großzog. In dieser Zeit begann Ninette Sombart mit dem Malen, um Geld zu verdienen – mit großem Erfolg. 1962 kehrte Ninette Sombart nach Europa zurück und übernahm die Werbung eines Industriebetriebs in Basel. 1978 zog die Künstlerin nach Arlesheim und widmete sich fortan nur noch der Malerei.
Einem kurzen Lebenslauf folgt eine beeindruckende Bilderfolge, die Ninette Sombarts künstlerischen Weg nachzeichnet und erläutert. Christliche Themen, das Alte und Neue Testament, vor allem die Bilder zur Geburt des Menschensohnes, die so vielen Menschen bekannt sind, Bilder zum Wirken Christi, Passion, Altarbilder und vor allem die Engelgestalten sind eigene Kapitel in diesem Buch, das sensibel beschreibt und hervorragend abbildet. Vom realistischen Stil der Anfänge hin zu den tief beeindruckenden Engelgestalten kann man Seite für Seite den Entwicklungsweg Ninette Sombarts verfolgen.
Bilder aus dem Familienalbum zeigen eine Frau mit beeindruckenden wachen Augen, nachdenklich, als blicke sie in andere Sphären, aus denen sie Farbe und Motiv holt.
Wer Ninette Sombarts Bilder als Lebensbegleiter in Form von Karten hat, fühlt sich täglich aufs Neue beschenkt und beschützt. Das Buch bietet nun die Möglichkeit, Leben und Werk dieser Künstlerin genauer kennen zu lernen und man wird so manches Bild nun auch wieder neu und anders sehen, stets aber berührt sein von dem Weg, der sie zur Anthroposophie brachte, was sich im neuen Stil ihrer Bilder ausdrückt. Die Motive, den Evangelien entnommen, zeigen den Christus, der sich den Menschen zeigt, der verwandelt mit großer Kraft, nicht den Menschen Jesus.
Um ihren Bildern auch den entsprechenden Farbrahmen und die Gestaltung zu geben, hat Ninette Sombart ihren unverwechselbaren Stil und ihre Farbtechnik erarbeitet. Diesen Bildern spürt man an, was Morgenstein beschreibt: „Ich habe den Menschen gesehn in seiner tiefsten Gestalt, ich kenne die Welt bis auf den Grundgehalt. Ich weiß, dass Liebe, Liebe ihr tiefster Sinn, und dass ich da, um immer mehr zu lieben, bin. Ich breite die Arme aus, wie er getan, ich möchte die ganze Welt, wie er, umfahrn.“
csc

Sehnsucht nach mehr Meer

Florence Hervé/Katharina Mayer: Frauen und das Meer. 192 Seiten, 200 Abb., durchgehend farbig. Gebunden mit Schutzumschlag. 39,90 Euro. Verlag Gerstenberg. ISBN 3-8067-2913-1.

nach oben Frauen und das Meer Haben Sie gerade so richtig Lust auf Flucht? Reicht Ihnen der Großstadtmief? Brauchen Sie Urlaub? Neue Anregungen? Sind Sie neugierig auf ganz ungewöhnliche Menschen? Dann ist das Buch die erste Wahl. Schon das Titelbild reicht aus, um den Leser tief aufseufzen zu lassen. Ach, wäre man bloß an der Stelle der Frau! Diese Weite, diese Luft, der Wind, der im Haar spielt und den Rock wegzerrt, die archaische Kraft von Wasser und Gestein, das Jahrmillionen aufeinanderprallt und Sand ergibt.
Was bedeutet das Meer für manche Frauen? Unter den Kapiteln „Arbeiterinnen des Meeres“, „Künstlerinnen des Meeres“ und „Rebellinnen des Meeres“ haben sich Florence Hervé (Texte) und Katharina Mayer (Fotos) auf die Suche nach Frauen gemacht, die in ihrem Leben eine ganz spezielle Beziehung zum Meer entwickelt haben. Sie besuchten eine Meeresbiologin, eine Kapitänin, eine Reederin, Krabbenpulerin, Leuchtturmwärterin, Physiotherapeutin, WWF-Projektleiterin, Malerin, zwei Schriftstellerinnen, eine Operregisseurin, zwei Harfenistinnen, eine Choreographin, eine Ruderin, Widerstandskämpferin, Skipperin, Surferin und eine Kämpferin für Frauen und Frieden und sie haben nicht nur beeindruckende Fotos, sondern auch berührende Texte mitgebracht.
Frauen und das Meer – das ist nicht die Geschichte von Länderentdeckungen, von kraftvollen Siegen gegen Stürme, vom Kampf gegen Gewalten. Am Anfang, so die Autorinnen, stand „die Faszination des Meeres, als Ursprung des Lebens, als Symbol für Freiheit, als mystischer Ort“. Alle Frauen im Buch haben sich dem Meer verschrieben, auf eine ganz individuelle Art und Weise. Und es wird klar: So, wie das Meer jeden Tag ein anderes Gesicht hat, so facettenreich sind die Frauen. Meer und Frau – das ist ein Superteam. Nicht immer nur eine Liebesgeschichte, ganz im Gegenteil, aber am Ende ist deutlich: „Keine der hier portraitierten Frauen kann sich ein Leben fern des Lebens vorstellen. Sie brauchen das Meer – und das Meer braucht sie.“ Alle Frauen können das Meer rufen hören, sie setzen sich ein für einen bewussten, sinnvollen Umgang mit dem Wasser, sie kämpfen gegen die brutale Ausnutzung des Meeres, sie arbeiten am Meer, im Meer, mit dem Meer.
Portraitiert wurden im Buch nicht nur Persönlichkeiten, sondern auch das Meer. Es ist so individuell wie die vorgestellten Menschen. Und so ist ein Buch entstanden, das Sehnsucht macht. Nach der unvergleichlichen Luft, dem Wind, den Wellen, dem Plätschern, aber auch der Urkraft, der Macht und dem Licht. Einfach nach mehr Meer. Ein Wunsch-, Schenke- und Selbstlesebuch für alle, die vom Meer fasziniert sind.
csc

Schwelgen und Träumen

Karen Howes: Lebenskunst in London, mit einem Vorwort von Terence Conran. Aus dem Französischen von Alexandra Breme, Eva Plorin und Rosemarie Reiners. 264 Seiten, durchgehend farbig, gebunden mit Schutzumschlag. 19,95 Euro. Verlag Gerstenberg. ISBN 3-8067-2861-5.

nach oben Lebenskunst in London Simon Upton hat die Fotos gemacht, Karen Howes die Texte geschrieben und der Leser hat nicht nur ein zauberhaft gemachtes Buch in der Hand, sondern gewaltig Sehnsucht im Herzen: Er möchte sich gleich auf den Weg machen, den Ecken und Gassen nachzuspüren, diese Haustüren inmitten einer Weltmetropole entdecken, die kleinen Gartenoasen, die Hausboote sehen und vor allem riechen – welche Blütenpracht quillt einem da auf mancher Seite entgegen, da summen die Bienen, da duftet es nach Frühling und im ganzen Buch regnet es auf keiner Seite. Nach Terence Conrans spezieller Stadtführung als Einleitung sind die Kapitel unterteilt in: Londons villages, Parks und Gärten (Vorsicht Suchtpotential!), Londoner Interieurs (für Neugierige), Luxus für den Herrn (wo bleiben die Damen?) und Treffpunkte in London, es folgt ein gut aufgebauter Adressenteil für die Leute, die sich nicht vom Wind irgendwohin wehen lassen wollen, sondern gezielt ihre Routen zusammenstellen.
Was ist schöner – Opulentes innerhalb der vier Wände, klassische Gartengestaltung, englische Parks, Blauregen, der von Häuserwänden fließt, Blicke in Feinschmeckertempel, leere Restaurants, damit man auch endlich einmal die sehenswerte Einrichtung anschauen kann oder das endlich gelüftete Geheimnis, wie Jemas Lock & Co. die Herrenhüte seiner Kunden aufbewahrt? Man weiß es nicht. Man blättert und schaut, staunt und sieht manches, für das die Insel berühmt ist, wie Scones, exzentrische Typen und weite Parks, aber auch gänzlich Unerwartetes wie die Ruhe in Clare Lloyds Haus in Notting Hill oder den ausgestopften Leoparden im Schlafzimmer des Antiquitätenhändlers Christopher Gibbs.
Alles in üblicher Gestenbergqualität: hervorragende Fotos mit sorgsam gewählten Ausschnitten, sorgfältige Recherche im Text, ein schön gesetztes und gestaltetes Buch mit Hochglanzpapier – auch dieser Titel muss in der Rubrik „Schönes“ landen. Wer nach dem Schwelgen in diesem Bildband (bitte bei Earl Grey, Scones und gediegener Musik im Hintergrund) immer noch glaubt, die Insel sei ein Hort regenschirmtragender Melonenfreaks, ist selbst schuld. Alle anderen wissen, wofür sie sparen. Wer will schon nach Venedig!
csc

Kindsein rund um den Globus

Martine und Caroline Laffon: Kinder in den Kulturen der Welt. Aus dem Französischen von Eva Plorin und Alexandra Brehme. 240 Seiten, gebunden. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2915-8.

nach oben „Mit einem Kind an der Seite ist man guten Mutes und die Arbeit geht leichter von der Hand“. Dieses Sprichwort der Dogon aus Mali haben Martine Laffon und ihre Tochter Caroline ihrem wunderbaren und beeindruckenden Band vorangestellt. Der Leser begleitet die beiden Frauen zu den traditionellen Gesellschaften Asiens, Afrikas, Amerikas und Australiens, in denen Kinder als Schatz gehütet werden. Die Kinder dort lernen von Geburt an, welcher Platz ihnen in ihrer Gesellschaft zusteht und wie man respektvoll mit er Natur umgeht.
Nahrung, Körperschmuck, Heim und Familie, Schule und Spiel, Initiationsriten und traditionelle Zeremonien sind die Themen der Kapitel und jede Seite ist ein doppeltes Erlebnis. Die Fotografien sind beeindruckend. Sensibel aufgenommen, mit Gespür für ungewöhnliche Perspektiven und fühlbarem Respekt vor den dargestellten Menschen sind sie ein Fenster zu uns ganz unbekannten Welten. Der Text entspricht in seiner Qualität den Bildern. Still, liebevoll und sachlich wird geschildert, was das einzelne Volk auszeichnet, wie die Sitten und Gebräuche einzuschätzen sind, zieht das Leben auf vier Kontinenten an den Lesern vorbei. Was bleibt, ist wachsender Respekt und hohe Achtung vor diesen Völkern, die sich nicht nur viel enger mit der Natur verbunden haben, sondern die Gesellschaft für das einzelne Mitglied Halt und Sicherheit bietet. Diese starren Regeln sind natürlich andererseits Hindernisse für die persönliche Freiheit und Entwicklung des Menschen, aber hervorragend angepasst an das Lebensumfeld.
Der Leser erfährt, weshalb die kleinen Inuitmädchen Rentierohren an die Kapuzen nähen, dass die Hirten im Tschad das Schlafen im Stehen von klein auf beherrschen und weshalb in Birma schon vierjährige Mädchen den Umgang mit Gewürzen lernen – das Buch ist in Wort und Bild eine Reise durch die Kulturgeschichte der Menschheit und ein beeindruckendes, sorgsam und liebevoll gestaltetes Dokument der Traditionen anderer Völker. Nicht zuletzt zeigt es auf, dass in den meisten Völkern dieser Welt die Kinder als das höchste Gut, als Segen und Geschenk der Ahnen gesehen werden. Das sollten sich manche Eltern der westlichen Welt gelegentlich auch mal vor Augen führen.
csc

Wunder über Wunder

Susanne von Meiss (Text) und Reto Guntli (Bilder): Bücherwelten. Von Menschen und Bibliotheken. 256 Seiten, 233 durchgehend farbige Abbildungen, kartoniert. 24,94 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2933-6.

nach oben Was gibt es für Leser und Bücherfreunde Begeisternderes, als eine gut gefüllte Bibliothek, sei es eine private oder öffentliche? Genau, da liegt der Stoff, nach dem wir Leser alle süchtig sind. Aufgereiht nach bestimmten Kriterien, zu denen oft nur der Besitzer den Entschlüsselungscode hat. Wer schaute nicht gern mal in anderer Leute Schatzkisten! Genau das haben von Meiss und Guntli gemacht und was sie hier auf 256 farbigen Seiten präsentieren, ist eine Welt voller Wunder. Büchertempel, Bücher sammeln, Wohnen mit Büchern und Buch & Kunst sind die Kapitel überschrieben und sie entführen den faszinierten Leser in berühmten Bibliotheken wie z.B. die St. Gallener Stiftsbibliothek oder die Bibliothèque nationale de France in Paris, in Spezialsammlungen wie die des Fürsten von Bismarck in Friedrichsruh oder in den Jockey Club in Buenos Aires, in Jagdhäuser, zu Wohndesignern und in private Bibliotheken, die besondere Augenweiden sind, ehe es in Bibliotheken geht, die eigentlich Kunst sind oder zu André Heller und Kollegen, für die Bücher ebenfalls Kunst sind.
Die Texte informieren, erzählen Geschichten von Büchern, Sammlungen, Intentionen, vermitteln Fakten und berichten von Träumen der Besitzer. Die Bilder aber sind eine Offenbarung. Mit jeder Seite öffnet sich der Blick auf einen neuen Ansatz, mit den besten Freunden umzugehen. Jedes Blatt eine neue Überraschung. Man sieht Menschen, die wahre Bücherberge horten, anderen ist es besonders wichtig, ihre wertvollen Titel in eine angemessene Umgebung zu bringen, mancher hat mehr Bücher als Einrichtung, wieder andere wie Autor und Regisseur Volker Kühn würden jeden „Ich sortiere nach Alphabet“-Freak zum Wahnsinn treiben ob der gigantischen Menge an Literatur, die Wände füllt. Literatur auch als Selbstdarstellung, als Prestigeobjekt, als Quelle der eigenen Inspiration, farbig sortiert wie bei Siegfried Unseld, kaum Raum für Fenster lassend wie bei Lord Weidenfeld aus London, Horte der Erkenntnis und des Wissens wie in den berühmten großen Bibliotheken, ach! Bücher! Hätte man nur mehr Zeit im Leben! Dürfte man nur lesen! Wäre man eingeladen bei den Menschen, die in diesem herrlichen, Lust auf Bücherwände neu einrichten machenden Buch abgebildet sind! Einmal tauschen mit Stefan Riedl, dem Portraitisten aus Wien. Er hat einen Futon vor einer beeindruckenden Bücherwand, in der es kreuz und quer hergeht, da liegt es drüber, ist gepfercht und gequetscht, wie bei allen Menschen, für die Bücher Wegbegleiter, Mitbewohner und Lebewesen sind.
Für alle, die mal richtig neidisch werden wollen auf anderer Leute Bücherschatz ist das ein Mussbuch. Für die anderen, die selbst viele Bücher haben, ein Fundus an neuen Ideen zum Thema „Wie gestalte ich die Wohnung so, dass man nicht merkt, dass ich nur Bücher und CDs sammle?“ Ein herrlich anregendes Buch und eine gute Idee, dieser Schlüsselochguck in anderer Leute „Bücherschrank“.
csc

… Und bleib recht kugelrund

Wolfgang Amadeus Mozart/Jutta Bauer: Bona nox. llustriert von Jutta Bauer. 32 Seiten, durchgehend farbig. 7,80 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-5100-5.

nach oben Mozart hätte es gefallen, wie Jutta Bauer in gewohnter Manier sein Lied zur guten Nacht umgesetzt hat. Wenngleich er gemeckert hätte, dass sie die heute übliche „entschärfte“ und damit kindgerechtere Version verwendet hat, denn wo es bei Bauer (und allgemein üblich) „und bleib recht kugelrund“ heißt, sang Mozart durchaus keck: „und streck den Arsch zum Mund“. Aber gut, ein Buch, an dem auch Kinder Spaß haben, darf ruhig gesellschaftsfähig sein, für den „richtigen“ Mozart ist später Zeit, Hauptsache, es wird gesungen und zwar im Kanon! Damit das auch gleich losgehen kann, sind dem Bilderbuch die Noten beigegeben, damit sich keiner drücken kann.
Was man als Kind so alles in der Nacht erleben kann, wenn man sich mit einem rechten Ochsen anlegt, hat Jutta Bauer fröhlich und frisch aufgemalt und vor allem die „pfui pfui“-Stelle witzig illustriert. Das haut auch einen rechten Ochsen um, und wie froh sind doch die liebenden Eltern, dass ihr kleiner nächtlicher Ausreißer am Ende mitsamt dem ebenfalls vermissten Kuscheltier wieder wohlbehalten daheim im Bett gelandet ist.
Mozarts Kanon ist so bekannt, dass man am Bilderbuch von Herzen Freude hat und weil es eben nicht nur ein Kinderbuch ist, steht es auch hier unter „Schönes“. Mozart war bekannt für seine Gottesgabe, die Welt nicht immer nur bierernst zu sehen und da passt Jutta Bauer doch herzlich gut dazu mit ihrem Humor, der so gut zum Mozart passt! Bonne nuit!
csc

Die Welt ist voller Überraschungen!

Francois und Jean Robert: Gesichter. 272 Seiten, durchgehend farbig. 15,90 Euro. Verlag Gerstenberg. ISBN 3-8067-5080-7.

nach oben Gesichter

Ist Ihnen schon mal die sanfte Elegie eines Wischmops aufgefallen? Wie elegant sein Haar herabhängt, wie traurig der Gesichtsausdruck ist? Haben Sie mal einen Aufziehwecker von hinten angeschaut? Haben Sie bemerkt, dass das ein ganz trauriges Gesichtchen ist? Und Steckdosen, Häuser, Gartenscheren – die Welt ist voller Gesichter! Lachende, weinende, verzerrte, unerwartete. Die beiden Fotografen haben auf 272 Seiten ein Buch vorgelegt, das Sehen lehrt. 272 Gesichter, im Alltag. Keine Menschen, keine Tiere, Gesichter in Alltagsgegenständen. Wer mal angefangen hat, genau hinzuschauen, erkennt plötzlich die Gesichter überall. In Holzstücken, Kisten, auf Spateln, Schränken, Stiefmütterchen, die Welt ist voll von ihnen! Wir werden tausendfach angelacht und angetrauert, ohne es zu merken. Ist das nicht traurig? Eben! Dagegen hilft nur eines – besorgen Sie sich dieses wunderbare Buch. Es ist ein Überraschungsei mit 272 Seiten Spannung. Das Buch berührt jeden, der es anschaut, denn es ist voller Lachen, voller Poesie. Selbst Maschinen zeigen sich menschlich. Beim Betrachten spürt man erst, wie wichtig Gesicher für uns Menschen sind – es ist eine Sprache, die wir überall verstehen. Haben Sie schon mal ein feixendes Radio erblickt? Nein? Nehmen Sie das Buch, schauen Sie sich die Bilder an und dann machen Sie sich auf zu einer Entdeckungsreise durch Ihre eigene Welt. Sie werden staunen! Ich habe auf Anhieb neun Gesichter im Haus gefunden. Neun Lachgesichter, an denen ich seit Jahren vorbeischlurfe. Wir können es uns einfach nicht leisten, lachende Gesichter zu ignorieren! Lachen Sie zurück, schmollen Sie, feixen Sie, grinsen Sie, haben Sie Mut zum gewagten Profil. Bei der nächsten Autofahrt sollten Sie mal schauen, ob nicht auch Ihr Airbag ein Gesicht hat. Und wer ein Gesicht hat, hat einen Namen und wer einen Namen hat, wird anders behandelt als ein Spatel. Verrückt? Nein. Lernen Sie sehen!
csc

Zauberplätze

Iris Schürmann-Mock: Mythische Orte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit Fotos von Katharina Meyer. Durchgehend farbig. 168 Seiten, Paperback. 35,– Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2926-3.

nach oben Mythische Orte in Deutschland, Österreich und der Schweiz Jeder kennt sie, diese Orte, an denen alles wie verwandelt erscheint. Es sind die Orte der Kindheit, um die sich Sagen und Legenden ranken, in denen alles riesig und magisch erschien, von Grusel umweht war, wo wir erwarteten, dass Feen, Geister oder gar die schöne Lilofee auftauchen. Orte, an denen man eine große Kraft verspürt, die quasi durch die Erde hindurchströmt wie bei den Externsteinen, Orte, an denen man der Natur quasi ausgeliefert ist auf Gedeih und Verderb wie in Mooren, Burgen, die so mächtig sind, dass man die Kraft spürt, die hier Mauern aufgetürmt hat. Jedes Land hat seine mythischen Orte und an so manchem ist jeder im Lauf seines Lebens gewesen. Dass ihn diese Orte, das Erlebnis, das man dort hatte, die Geschichten, die sich darum ranken, in seiner Identität stark prägen, macht sich kaum jemand klar. In unseren mobilen Zeiten aber merken wir: Das Land, in dem wir aufwachsen, prägt uns. Der Meeranwohner hat im Bergland so seine Probleme mit der fehlenden Weite, der Hügelfreund wird im platten Land vergebens nach einer Augenbremse suchen, der Gebirgler schätzt es nicht, lange vorher den Störenfried schon zu sehen, der auf dem flachen Land viel rascher sichtbar ist als bei ihm daheim. So ist es auch mit den magischen Orten, zu denen wir vielleicht als Kinder Ausflüge hin unternommen haben in den Ferien – Orte voller Geheimnisse, voller Schauder, mächtige Trutzburgen ebenso wie quatschendes Moor, das dunkel, schwarz und hungrig auf uns lauerte.
Iris Schürmann-Mock hat sich mit Katharina Meyer aufgemacht und diese Orte besucht: Nordseedeiche, Groß Raden, Teufelsmoor, Externsteine, Brocken, Wartburg, Heisterbach, Loreley, Disibodenberg, Blautopf, Neuschwanstein, Burg Dürnstein und Burg Aggstein, Untersberg, Rütli, Pilatus. Alle Namen bringen in uns etwas zum Klingen, ein „ach ja, da war das und jenes“, wie ein Erinnerungshauch erstehen Bilder in unserem Kopf, ganze Sagengestalten erheben sich.
Das Buch ist ein magisches Lesebuch. Katharina Meyers Fotos sind der eine Teil, sie hat mit Blick für die gesamten Szenerie, aber auch die Kleinigkeiten am Wegrand Stimmungen eingefangen, die den Leser direkt hineinziehen, ihn förmlich das Wasser rauschen, den Nebel feucht auf der Haut spüren lassen. Es sind keine Horror-Schocker-Fotos, keine billige Effekthascherei, sie malt mit der Kamera. Jedem Ort wurde ein Text vorangestellt, der genau für diesen Ort geschaffen wurde oder so gut passt, dass er zumindest dafür entstanden sein könnte. Ausführliche Bildbeschreibungen, wunderschöne Zeichnungen am Seitenrand, ein Gang durch alle Jahreszeiten und Landschaften machen das Buch zu einem eigenen Kraftplatz. Als ströme die Macht der Externsteine durch die Fotos und die Texte in einen, als sähe man Luther an seinem Schreibpult, die gewaltige Einsamkeit des Polatus, der Brocken im Winter mit den Krähen, die auf ihre Hexen zu warten scheinen, das Farbspiel im Moor – all das sind Orte, an die Iris Schürmann-Mock den Leser entführt. Sie stellt die Geschichte des Ortes vor, seine Geschichten, seine Sagen, Fakten – überall steckt Magie, Geheimnis, Zauber. Wer es nicht verlernt hat, mit Kinderaugen zu sehen oder wer sich diese unschätzbare Fähigkeit wieder aneignen möchte, hat mit diesem Buch eine großartige Möglichkeit, längst Vergessenes wieder auferstehen, einen Teil der eigenen Identität, der Prägungen bewusst zu erkennen. Man kann sich in den Texten und Bildern verlieren, träumen, spüren, dass es Orte gibt, an denen Geschichten und Geschichte mit Händen greifbar werden. Orte haben etwas zu erzählen. Im Buch kann man das erfahren, wenn man beim nächsten Ausflug einen der Orte aufsucht, wird man sie neu entdecken können – die Orte der Kindheit, der eigenen kulturellen Wurzeln, des Staunens, des Rieselns über den Rücken, das man als Erwachsener kaum mehr kennt, das Buch bringt es zurück. Davon abgesehen ist es einer der berühmten Gerstenberg-Bildbände, die einen daran erinnern, wie schön es ist, ein sorgsam gestaltetes Buch in Händen zu halten, in dem Bild und Text eine Einheit sind, ein Buch, das alle Chancen hat, in die Rubrik „Lieblingsbücher zum Schmökern für die Tage, an denen die Welt draußen bleiben muss“ aufgenommen zu werden. Für die Praktiker unter den Lesern gibt es einen ausführlichen Anhang mit Adressen und Anfahrtsrouten. Damit keiner die olle Ausrede benutzt, er würde ja mal hinfahren, aber wo, bitte schön, ist denn die Loreley zu finden? Das Titelbild ist übrigens preisverdächtig. Schade, dass es noch keine Bücher gibt, bei denen, schaut man darauf, eine Musik erklingt. Wagner? Herr der Ringe? Jedenfalls dramatisch!
csc

Ungewöhnliche Frauen und Zaubergärten

Charlotte Seeling: Frauen und ihre Gärten. Fotos: Corinne Korda und Carina Landau. 200 Seiten, durchgehend farbig, 250 Abb. Paperback. 24,95 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 8-8067-2936-0.

nach oben Frauen und ihre Gärten Zeig mir deinen Garten, und ich sage dir, wer du bist – wer einmal vom Gartenvirus angesteckt worden ist, wird über dieses Buch glücklich sein. 23 Frauen stellen 23 Gärten vor, jeder ein Unikat, wie die Menschen unterschiedlich sind, so sind es ihre Gärten. Es sind symmetrische Gärten, in denen man zur Ruhe kommt, kontemplative Gärten, wilde Gärten, in denen sich auf mehreren Ebenen das Grün wie im Dschungel drängt, gestutzte, der Natur abgerungene Schönheiten ebenso wie unnahbare Kakteen und verwunschene Zauberorte, an denen man auf Schritt und Tritt der Magie begegnet. Gärten! Was für ein herrlicher Ort ist ein Garten! Was für eine Folter, wenn man ihn anlegt, plant, anpflanzt und feststellt - das wächst hier aber leider gar nicht, wenn die Natur ihren eigenen Willen hat, der nicht immer mit der Vorstellung der Gartenanlegerin konform geht. Gärten sind Orte des Versagens, der kleinen und großen Leiden (wer einen Garten hat, hat stabiles wasserabweisendes Pflaster in Großpackungen daheim), des ewigen Kampfes gegen unerwünschte Mitbewohner, seien sie nun pflanzlicher oder tierischer Art. Aber Gärten sind auch eines: Die Paradiese, die uns erst zu dem Menschen machen, der wir sind. Wer einen Garten anlegt, holt sich sein kleines Stück vom verlorenen Paradies zurück. Gartenarbeit ist Besinnung, ist Erdung, ist Qual und Genuss, bedeutet Rückenschmerzen und abfallende Arme beim Ernten, aber auch Duftorgien, Farbräusche, ungewohnte Blickwinkel, ein Haus kann durch einen Garten zu einer Schönheit werden, ein Garten ist so etwas wie eine ins Bild gebrachte Seelenlandschaft.
Charlotte Seeling hat sich aufgemacht und Frauen besucht, in deren Gärten ist sie gewandelt und die Fotografinnen Corinna Korda und Carina Landau haben mit sicherem Gespür im Bild festgehalten, was die Seele der einzelnen Gärten ausmacht. Es ist wie ein Blick durchs Schlüsselloch, denn Gärten sind etwas sehr persönliches, spezielles, auch wenn die Gärten manches Mal (wie bei Carmen Delgado Marches Kakteengarten) weithin bekannt sind.
Manche Frauen sind mit einem grünen Daumen geboren, andere haben durch die Gartenarbeit zu sich selbst gefunden, eine kreative Form entdeckt, in der sie ungelebte Seiten ausbilden können, in jedem Fall aber haben alle Frauen in diesem Buch eines gemeinsam: Sie haben einen Ort vorgefunden, der in nichts verriet, was einmal darauf wachsen und gedeihen könnte. Manche Frauen haben halbe Berge abgetragen, um dem Land die gewünschte Form abzuringen. Andere haben mutig kranke Gewächse ausgerissen und einen Weinberg angelegt, sich zu Farbrondellen, Seen, Nussbaumlandschaften inspirieren lassen. Immer sind es Gärten, die zeigen, dass die Menschen, die sie geplant haben, sich dort Jahre abgemüht haben, ein tiefes Gespür dafür haben, welcher Garten in welche Landschaft gehört und zugleich ihnen auch im Inneren entspricht. Die Gärten wirken wie von selbst entstanden, auch wenn, wie bei Nicole de Vesian alles mit der Schere kunstvoll in Form geschnitten ist, authentisch und wer Blumen liebt, wird in den herrlichen Aufnahmen so manches Kleinod entdecken können. Zu jedem Garten gibt es einen Pflanzplan. Oft genug sieht man erst darauf, wie gigantisch manche Gärten sind, doch das sollte Besitzer mickriger Reihenhausvorgärten keinesfalls davon abhalten, mutig an die Umsetzung ihrer eigenen Kreationen zu gehen – es ist keine Frage der Größe, auch wenn Gärten mit großzügigen Terrassen, Walnussbäumen und Pools nicht wirklich auf 12 mal 7 Metern zu machen sind. Jeder nach seiner Fasson und genau das haben die 23 Frauen auch getan. Damit sind sie gut gefahren, denn Gartenarbeit bedeutet nicht nur, etwas Bleibendes geschaffen zu haben, sondern sich jedes Jahr aufs Neue bewähren zu müssen. Das ist harte Arbeit, aber genau das ist auch Entspannung, Erholung, Schaffen, mit den Händen arbeiten, Erdung und Aufstellung zwischen Himmel und Erde.
Das Buch schildert, wie die Frauen ihre Gärten angelegt haben, welche Gedanken sie dabei bewegten, es erzählt aus dem Leben der Frauen, aber auch die Geschichte ihrer Gärten, die nicht selten eng mit dem Land verwurzelt ist, in dem der Garten liegt. Das Buch ist ein herrlicher prachtvoller Bildband, in dem sich nicht nur an tristen Regentagen stimmungsaufhellend blättern lässt, es ist auch eine Aufforderung an jeden Menschen, sich wenigstens ein paar Quadratmeter Land zuzulegen. „Willst du einen Tag lang glücklich sein, betrinke dich, willst du ein Leben lang glücklich sein, werde Gärtner“, so heißt es in China. Wer einmal nach getaner Arbeit im Garten ins Haus gekommen ist und einen Blick auf seine Pracht geworfen hat, kennt dieses Gefühl, das alle Gartenbesitzer haben – die Welt ist so schön!
csc

Die Welt der Frauen ab 50

Ute Karen Seggelke: Frauen über 50. 27 Portraits in Bild und Text. 264 Seiten, 118 Fotos, Paperback. 19,90 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2538-1.

nach oben Über das Buch gibt es nur eine einzige negative Sache zu sagen: Schade, dass es ein Paperback ist, als gebundene Ausgabe mit Hardcover wäre es bibliophiler gewesen. Mehr Kritik wäre allerdings gänzlich unangemessen, denn Ute Karen Seggelke hat ein wunderbar sensibles Buch geschaffen, sensibel nicht nur in den Bildern, die keine Portraits sind, sondern Seelenaufnahmen, sensibel nicht nur in dem, was die 27 Frauen aus ihrem Leben berichten, sondern auch in der Gestaltung. Die Handschrift der 27 Frauen zeigt, wie sich in der Schrift das gelebte Leben widerspiegelt.
Es sind bekannte Frauen wie Dagmar Berghoff, Senta Berger, Gräfin Sonja Bernadotte, Eva Maria Hagen, Erika Pluhar, Renate Schmidt, Margarethe von Trotta, Frauen, die man nur kennt, wenn man ihre Arbeit kennt und ganz normale Heldinnen des Alltags, die ebenfalls die magische „50“ geschafft haben. Das Leben kommt in diesem Alter häufig in eine ganz neue Phase. Die Kinder sind aus dem Haus, die Frau hat eine gewaltige Menge an Erfahrungen wie Schätze gesammelt und hat nun oft Kraft und Lust, mit dem oft so mühsam errungenen Pfunden auch zu wuchern. Welcher Schatz an Lebensfreude, an Weisheit, an klugem Geschick, aber auch an Kraft, selbst mit unglaublich schwierigen Situationen einigermaßen zurechtzukommen und Krisen als Chancen zu sehen, hier versteckt sind, kann man kaum ermessen.
50 – ist man jung, ist 50 ja schon „uralt“, wird man bald 50, denkt man sich „ach komm, das packste auch noch“. Wie klug wir Frauen aber sind, das ist mir erst beim Lesen der Lebensbilder aufgefallen und das ist ein Geschenk, welches das Buch allen Frauen machen kann. Es ist ein Schatzkästlein an Erfahrungen und es ist ein totales Mutmachbuch. Schaut her, so haben wir bisher gelebt, das haben wir erfahren, erlitten, erduldet, das hat uns geprägt, hart gemacht, weich gekocht – alles, das ganze Auf und Ab des Lebens haben wir erlebt und jetzt? Jetzt sind wir keine Flusskiesel mehr. Jetzt sind wir geschliffene Edelsteine. Diese Botschaft bleibt nach dem Lesen und dazu muss man nicht mal die Biographien und Gedanken der Berühmtheiten vornehmen, das findet sich im Leben von öffentlichen Personen ebenso wie im Leben der Frau von nebenan. Ist das nicht ein wunderbares Geschenk? Ein ideales Buch für die doch durchaus vorkommenden Momente des Lebens, in denen man sich fragt – 50! Kommt da dann noch was? Und was ist bis dahin passiert? Ich habe nur geschuftet! – Möglich. Aber selbst wenn man nur rotiert ist im Leben, sich zwischen Millionen Pflichten zerrissen hat: Es waren Lehr- und Gesellenjahre. Für alle Frauen. Und wer die 50 geschafft hat, ist Meister. Egal, was er gemacht hat, egal, an welchem Platz er war und es ist höchste Zeit, die Schönheit zu entdecken, die in uns Frauen steckt. Ein sensibles, wunderbares Buch, das uns am Leben der unterschiedlichsten Frauen teilnehmen lässt und uns so aufzeigt: Alle, wirklich alle, haben so ihre Sorgen, Nöte, ihre Irrtümer, ihre Highlights, und jedes Leben ist etwas ganz Besonderes, denn es macht uns zu dem, was wir heute sind. Und da, wo wir im Heute stehen, ist die Tür für das Morgen.
csc

Das Wunder des Lesens

Edda Singrün-Zorn: Das Lied der Arve. Das Leben eines begnadeten Geigenbauers. 216 Seiten, gebunden. 14,50 Euro. Urachhaus Verlag. ISBN 3-8251-7471-9.

nach oben Es gibt Bücher, die berühren. Sie verändern den Menschen, erhellen den Tag, lassen negative Gedanken einfach verschwinden und appellieren unbemerkt an das Gute, das tief versteckt in uns schlummert. Bücher, bei denen man mitweint, die man nie mehr vergisst, bei denen man die Welt einteilen kann in die Zeit vor dem Buch und die danach. So ein Buch ist „Das Lied der Arve“.
Edda Singrün-Zorn zeichnet das Leben des Geigenbauers Ambrosius Bartholomäus Schneehauser nach, der mit sechs Jahren seine erste Flöte schnitzt und dabei die Liebe seines Lebens entdeckt, die zur Musik. Ihm wird rasch klar, dass er Geigenbauer werden möchte. Er, der Junge, der in ärmlichen Verhältnissen auf einem Berg lebt, in einem Haus, von dem man erst einmal mühsam herabsteigen muss, um ins Dorf zu gelangen. Man braucht vielleicht die Weite, die Einsamkeit, die rauen Winde und das aufeinander Angewiesensein, wenn man in solchen Verhältnissen lebt, um ein reiches Seelenleben zu entwickeln, um Freiheit nicht nur zu spüren, sondern mit jeder Faser des Herzens zu leben, eine Freiheit, die bedeutet, das Beste für den anderen zu wollen und immer aufrecht und bedacht zu handeln.
Schritt für Schritt erfüllt sich der tüchtige Junge seinen Lebenstraum, er lernt in Mittenwald das Geigenbauen, seine Wanderjahre führen ihn in die Welt und im höchsten Norden findet er das Mädchen, das er liebt, aber im Moment des Findens wieder verliert.
Zwei Weltkriege muss Schneehauser erleben, die ihn an die Front führen, ihn mit dem Leid konfrontieren und bei allem Schrecklichen, das er sehen muss, bleibt ein Schneehauser ein Schneehauser, durch und durch Mensch, er hilft Freund wie Feind und verbindet so, was falsche Politik trennt. Gegen das Unrecht stellt er sich selbst, das reine Herz, dem alles Egoistische, alles Machtstreben, alle Gier, aller Hass vollkommen fremd ist. So wirkt Schneehauser in dunklen Zeiten der Menschheit wie eine leuchtende Hoffnungskerze, die den Menschen zeigt – gebt nie auf, seid immer Menschen, helft einander und hört nie auf, nach Frieden zu streben.
Bei allem ist die Welt für Ambrosius immer voller Töne, die er in seinen Instrumenten festhält. Jede Geige aus seiner Hand ist eine besondere, jede Geige findet den Weg in die Hand, die sie perfekt zum Klingen bringt. Kunst, Handwerk und Intuition verbinden sich auf einzigartige Weise. Wie Ambrosius gelebt hat, so geht er auch – ein stiller Mensch, einer, der vielleicht gar nicht ganz irdisch sein konnte, dazu war er viel zu gut. Und er hinterlässt einen Leser, der sich glücklich schätzen darf, dieses Buch gelesen zu haben.
Wenn Sie sich und andere Menschen glücklich machen wollen, jemandem Stunden hoher Erzählkunst, wie sie heute so selten geworden ist, schenken mögen – mit dem „Lied der Arve“ sind Sie gut beraten. Und es schadet nicht, wenn Sie mal nachschauen, wie eine Arve eigentlich wächst. Sie werden staunen. Was hat der kleine Ambrosius dem Pfarrer gesagt, als er zur Christmette den Hirtenengel gesungen hatte: „Ich weiß auch net, was das ist, Vater Winfried, aber wenn ich sing oder spiel, dann hol ich die Musik nicht aus mir heraus, sondern ich spür, wie sie von oben in mich hineinfällt. Das war schon immer so, das ist wie ein Geschenk, das von den Sternen kommt.“ Beim Lesen werden Sie mit Sternengeschenken nur so überschüttet.
csc

Sofort kaufen! Da capo al fine!

Oskar Weiss (Bilder) und Kjell Keller (Texte): Concerto Classico. Eine kleine Bildmusik. 40 Seiten, gebunden. Zytglogge Verlag. ISBN 3-7296-0540-2.

nach oben Concerto Classico Was sitzen Sie da und lesen Rezensionen! Greifen Sie sofort zum Telefon und rufen Sie in Ihrer Buchhandlung an, die sollen einen Satz „Concerto Classico“ bestellen. Umgehend. Verschenken Sie es an Ihre Freude, behalten Sie zwei Exemplare, eines wird in kürzester Zeit ein wenig abgenutzt aussehen, weil sich alle darum reißen. Es gibt Bücher, die sind umwerfend charmant. Sie begeistern jedes Mal aufs Neue, auch wenn man sie schon hundert Mal angeschaut hat. Und es gibt Bilderbücher, die sind so dermaßen gut für Erwachsene, dass man sich fragt, was kleine Nervensägen denn mit solchen Kostbarkeiten anfangen sollen. Logisch, man schult damit das Auge, damit die Kleinen von Grund auf lernen, was Kunst ist.
Die Liste der Komponisten, um die es geht: Vivaldi, Händel, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Dvorák, Honegger, wie es sich im Konzert gehört Pause, dann weiter mit Ravel, Sibelius, Tschaikowsky, Debussy, Schumann-Wieck, Mendelssohn, Schumann und Haydn. Die Werke: Allesamt sattsam bekannt und geliebt.
Jedem Komponisten werden zwei Seiten gegönnt. Auf der einen ein sehr geistreicher Text mit Wissenswertem nicht nur zum Komponisten, sondern ein kleiner Blick in die Zeit. Unten eine Zeile Noten, damit man gleich mal ansingen kann. Auf der anderen Seite das Bild. Nein, nicht die olle Zopfperücke, der übliche Profilscherenschnitt oder sonst was, mit dem man öde Fachliteratur bildlich aufpeppt, damit auch das Auge was hat und nicht nur das Hirn.
Es sind keine Bilder, es sind Entdeckungen. Schauen Sie ins Bad des englischen Königs. Ein gemütlicher Dicker schrubbt sich mit einer Geige, zur Bürste umfunktioniert, den Rücken., Krone und Walleperücke hängen am barocken Noten-Ständer. Aus Bullaugen an der Wand quellen Bläser, aus deren Instrument das Wasser ins königliche Becken fließt, direkt daneben sitzt der königliche Hund mit einem Querflötenknochen in einem eigenen Bottich im Marmorzimmer. Oder die Mondscheinsonate! Unten am Klavier eine Maus auf den Pedalen, mit Notenschlüsselschwänzchen! Oben ein genervter Beethoven, in eine Büste geklemmt, eine Mondsüchtige schwebt klavierspielend übers Bett, am Fenster ein Katzenpaar, innig den Mond bestaunend.
Jedes Bild ist es wert, beschrieben zu werden. Ach, sinnloses Unterfangen. Das muss man selbst entdecken, diese unglaublich vielen Anspielungen in den Bildern, die die Musik adäquat umsetzen. Das ist kein Buch, das ist ein Erlebnis. Und man kann nur eines machen – es sich kaufen. Sie werden nie mehr überlegen müssen, was Sie lieben Menschen bei der nächsten Gelegenheit schenken. So jemand auch nur annähernd den Namen Mozart kennt, ist er fällig für dieses Buch.
Wenn Debussy meint „Die Musiker allein haben das Vorrecht, die ganze Poesie der Nacht und des Tages, der Erde und des Himmels einzufangen, ihre Atmosphäre wiederzugeben und ihr gewaltiges Herzklopfen zu rhythmisieren“, hat er zweifellos Recht. Aber wenn das alles ganz wunderbar in Bild und Text umgewandelt ist, darf man auch Autoren und Bildkünstler zu den Musikern rechnen. Ein Wunschbuch!
csc