Peter Angst: Nein, diesen Kuchen ess ich nicht!
Thomas Baumer: Handbuch interkulturelle Kompetenz
Dr. Petra Beck: The Truth about Shareholder Value
Otto A. Böhmer: Lexikon der Dichter
Karsten Bredemeier: Schlagfertigkeit
Manuela Brinkmann: Strategieentwicklung für kleine und mittlere Unternehmen
Ursula Burkhard: Das Märchen und die zwölf Sinne des Menschen
Hedwig Diestel: Verse für die pädagogische Eurythmie
Diverse Autoren: Management Band 1 und Band 2
Enzyklopädie: Die visuelle Geschichte der Erde und des Lebens
Enzyklopädie: Die visuelle Weltgeschichte der Neuzeit
nach oben Rolf Fink/Karl Kälin: TOPScHrOTt
Neu Volker Fintelmann: Alterssprechstunde
Susanne Fröhlich: Moppel-Ich
Harald Gerlach: Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt
Neu Thomas Gräßer: Immunsystem und Identitätsbildung
Veronika Gysi: BeWEGung
Neu Veronika Gysi: Über den Wassern zu singen
Neu Monika und Hans-Günter Heumann: Das große Buch der Musikerwitze
Heike Hinsen Isler: Wege zum Wohlfühlgewicht
Jens Hoffmann/Joan Jonas: Art works: Aktion
Barbara Hübner: Aus Barbara Hübners feiner Würzküche. Band 1
Barbara Hübner: Aus Barbara Hübners feiner Würzküche. Band 2
Margit Jünemann: Der Winter weicht
nach oben Klaus Kobjoll/Dagmar P. Heinke: No risk no fun
Klaus Kobjoll, Roland Berger, Rolf Widmer: TUNE
Anja Kolberg: Die richtige Idee für Ihren Erfolg
Ernst-Michael Kranich: Der innere Mensch und sein Leib
Ben Kubassek: Burnout
Sascha Kugler: Das Alchimedus-Prinzip
Jürgen Lürssen: So macht man Karriere
Manfred Mai: Weltgeschichte
Anna Martini: Sprechtechnik
Ira Diana Mazzoni: 50 Klassiker Gärten und Parks
Neu Milena Moser: Schlampenyoga
Andreas Müller/Roland Noirjean: Lernen – und wie?!
nach oben Ed Nissink: Mamas Rat und Papas Standpunkt
Rotraud A. Perner: Die Hausapotheke für die Seele
Markus Pletz: Wege der Trauer
Andreas Rivoir: Migräne
Ingo Rose: 50 Klassiker: Unternehmen
Sabina A. Spencer/John D. Adams: Krisen überwinden und an ihnen wachsen
Steiner/Archiati: Kleine Perlen für die Handtasche und zum Verschenken
Gabriele Stöger: Wie führe ich meinen Chef?
Neu Thomas Struth: Museum Photographs
Samuel Stutz (Hrsg.): Liebe im Alter
Frank Teichmann: Der Mensch und sein Tempel
Andreas Thalmayr: Lyrik nervt!
nach oben Gerhild Tieger, Manfred Plinke (Hrsg.): Deutsches Jahrbuch für Autoren/Autorinnen 2005/2006
Rudolf Villinger: Führen – Zurück zum Wesentlichen
Wolfgang Vögele (Hrsg.): Der andere Rudolf Steiner
Wilfried Wichard und Wolfgang Weitschad: Im Bernsteinwald
Wolfgang Willaschek: 50 Klassiker Oper
Eva Zeltner: Mut zur Erziehung
Jörg Zeyringer: Der Treppenläufer

Till-Tigers alltägliche Geschichte

Peter Angst: Nein, diesen Kuchen ess ich nicht! Ein Erziehungsroman. broschiert, 109 Seiten. Zytglogge Verlag. ISBN 3-7296-0683-2.

nach oben Peter Angst, der erfahrene Therapeut, schildert in diesem Buch ohne erhobenen Zeigefinger, ohne pädagogischen Blick und ohne jedes Fachkauderwelsch die Geschichte von Till-Tiger Rüegg, einem ganz normalen kleinen liebenswerten und geliebten Jungen, dessen Eltern sich scheiden lassen und der irgendwie mit den Jahren ganz den Anschluss ans wahre Leben verpasst. Es ist die Geschichte von tausenden Tills und Tillmädchen, die mit 30 noch daheim hocken und sich von Mama bekochen lassen, tausend Jobs anfangen und abbrechen, am Samstagabend schon um elf Uhr betrunken im Rinnstein liegen, wenn nicht Schlimmeres. Es sind die vielen jungen Menschen, die vollkommen plan- und ziellos scheinen und in deren Herzen es eine wahre Mülldeponie mit Altlasten verletzter Gefühle gibt.
Peter Angst erzählt Till-Tigers Geschichte in der Ich-Form, man spürt das Kind, später den Jugendlichen, den jungen Heranwachsenden im Tonfall, in den Gedanken und ist schockiert über die grenzenlose Einsamkeit des Jungen, ausgelöst durch „ganz normales“ Verhalten. Das Buch stellt offen dar, schildert aus der Sicht des Betroffenen, klagt aber nicht an, sondern zeigt die Fehlerquellen einfach durchs Erzählen auf und öffnet Augen und hoffentlich auch Herzen. Vor allem macht es Mut, den vielen Till-Tigern unserer Gesellschaft Alternativen anzubieten, ihnen zu zeigen, dass die Welt sie braucht und dass sie – aller anders gearteten Erfahrungen zum Trotz – wirklich ihres Glückes Schmied sind. Vielleicht versteht mancher Elternteil nach der Lektüre besser, weshalb Sohnemann oder Tochter gelegentlich ausrasten oder kann die stummen Signale besser deuten, denn was ist Schwänzen und Ausrasten anderes als ein Hilfeschrei?
Manchmal fehlt es einfach an klaren Grenzen, an deutlichen Ansagen und nicht selten liegt es daran, dass Eltern ihre verwöhnten Einzelkinder (oder auch mehrere, davor ist keiner gefeit) bis zum Geht-nicht-mehr schonen. Wer fördern will, muss fordern und oft genug ödet sich der Nachwuchs lediglich, weil er alles auf dem Silbertablett serviert bekommt. Es wird also Zeit, dass sich Eltern um die Entthronung ihrer kleinen Hoheiten kümmern und bei sich selbst anfangen. Erziehung bedeutet nämlich, jeden Tag (jeden!) miteinander zu wachsen. Dass sich da die Baumkronen häufig in die Quere kommen, liegt in der Natur der Sache. Man muss als Eltern (und auch als Kind) ein guter Gärtner im Wildwuchs des Lebens werden, möchte man wohlschmeckende Früchte ernten.
Peter Angst bietet allen, die von pädagogischen Ratgebern genug haben, wissenschaftliche Ansätze nicht nachvollziehen können oder einfach mal wissen wollen, wie es in ihren Kindern eigentlich aussieht, wenn sie die Ohren mit Hilfe von Walkman oder Drogen verstopfen, ein Licht im Dunkeln. Höchste Zeit, dass sich Eltern endlich auf ihre Erziehungspflichten besinnen und „Erziehungsaufgabe“ nicht mehr länger im Sinne von „aufgeben, sein lassen“ verstehen. Früher hieß es einfach „wie man sie sich zieht, so hat man sie“ – das bedeutet heute: gegenseitig ablauschen, wo die Bedürfnisse sind. Nicht, um sie nonstop zu befriedigen, pronto und sofort, vor allem einseitig, sondern daran arbeiten, dass jeder vorankommt und wächst.
csc

Klar und flexibel

Thomas Baumer: Handbuch interkulturelle Kompetenz. 223 Seiten, gebunden. 29,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-02691-1.

nach oben Die Welt ist klein geworden. Wir haben Geschäftspartner überall auf der Welt und auch wenn wir nur selten mit ihnen zusammentreffen, spüren wir doch im Umgang mit ihnen: Sie entstammen einer anderen Kultur. Jeder Mensch gehört einer bestimmten Kultur an, geprägt durch das Land, in dem er aufgewachsen ist, durch seine Bildung und die persönliche Entwicklung. Das miteinander Umgehen im vernetzten Global Village ist nicht einfach und wer sich nicht auskennt in der fremden Kultur, kann so manches gerade keimende Pflänzchen geschäftlicher Zusammenarbeit zerstören.
Thomas Baumer, der bisher 65 Länder besucht hat und 20 Jahre in internationalen Unternehmen beschäftigt war, kennt sich aus mit fremden Kulturen. Das enge Zusammenrücken der Menschen auf dem Planeten hat dazu geführt, dass die Beschäftigung mit fremden Kulturkreisen heute ebenso notwendig ist wie die Tatsache, dass es bestimmte Benimm-Regeln gibt, an die man sich zu halten hat, wenn man irgendwo gesellschaftsfähig sein möchte. Mittlerweile haben sich diese Regeln auf ein internationales Betätigungsfeld ausgeweitet und so mancher Mitarbeiter gerät da leicht ins Stolpern, weil er sich nicht auskennt.
Natürlich sind im Umgang miteinander Sensibilität und Selbstvertrauen notwendig, aber man muss auch Denkmuster und Verhaltensweisen des Gegenübers einschätzen können und ihm den eigenen Standpunkt so klarmachen, dass er gut aufgefasst werden kann. Das bedeutet, eine enorme Flexibilität an den Tag zu legen und sich ein umfassendes Wissen anzueignen. In seinem Handbuch geht Baumer auf die Strukturmerkmale verschiedener Kulturen ein, beschreibt länderspezifische Kontaktprobleme, zeigt auf, wie in anderen Kulturen Werte betrachtet werden und wie man dort Konflikte managt, er geht auch auf Pädagogik, Medizin und Psychiatrie ein und zeigt die Gefahren auf, die durch Nichtwissen entstehen können.
Zwar ist es eher ein theoretisches Werk, aber man spürt, dass hier jemand aus langer Erfahrung spricht. Es ist ein Grundlagenwerk, das jeder dann mit seinen eigenen Erfahrungen abgleichen, ergänzen und erweitern kann. Es ist kein Länderführer in der Art „In diesem Land wird nicht mit der Gabel gegessen“ oder dergleichen, hier geht es um die grundlegenden Fragen. Wer rund um den Globus mit Menschen zu tun hat, sollte sich mit diesem Thema befassen, wenn er sein Gegenüber angemessen behandeln möchte.
csc

Wege aus der Krise

Dr. Petra Beck: The Truth about Shareholder Value, A Solution to Deflationary Depression. Englisch, 72 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. 14,80 Euro. Medu-Verlag. ISBN 3-937791-11-6.

nach oben Beck-Petra Für lange Zeit schien „Shareholder Value“ das hauptsächliche – wenn nicht sogar das einzige – Ziel für viele Firmen. Obwohl dies natürlich legitim ist, wurde in der Jagd nach kurzfristigen Profiten übersehen, dass langfristige Planung und Positionierung für das Unternehmen mindestens ebenso wichtig sind. Das Fehlen eines vernünftigen Gleichgewichts zwischen diesen Zielen kann verhängnisvolle Folgen für ein Unternehmen und für die Wirtschaft eines Landes haben. Noch dazu, wenn Planung und Buchführung antiquierten und nicht länger effizienten Regeln folgen. Das Buch zeigt unter anderem, was in der Art und Weise der Berechnung von Werten und Profiten geändert werden sollte, wie der Shareholder Value den richtigen Stellenwert bekommt und welche Änderungen für die Zukunft vorgeschlagen werden. Es ist ein klares und geradliniges Buch, das ohne Umwege zu den wichtigen Punkten kommt. Es wird allen empfohlen, die mit der Welt von Industrie, Handel und Politik verbunden sind.
ct

Lebenswichtiger Referateretter und Fundgrube

Otto A. Böhmer: Lexikon der Dichter. Deutschsprachige Autoren von Roswitha von Gandersheim bis Peter Handke. Mit vielen Abbildungen und alphabetischem Register. 288 Seiten, gebunden. 16,90 Euro. Hanser Verlag. ISBN 3-446-20522-5.

nach oben Das Wesentliche zu 80 Dichtern, auf 288 Seiten zusammengefasst und netterweise auch noch das Allerwichtigste in Fettdruck plus, und das ist bitteschön gar nicht zu unterschätzen: inklusive einer Auflistung der wichtigsten Werke, der Ausgaben und Sekundärliteratur! Heureka, Schüler, traut auch endlich mal wieder Referate in Deutsch zu!$Böhmer, bekannt geworden durch Sofies Lexikon, das auch Philosophiemuffeln den nötigen Einblick zu Sofies Welt verschaffte, hat ein klasse Buch vorgelegt, das nicht nur Jugendlichen Freude bereitet, sondern auf engem Raum eine Menge Wissen mit Spaß und Lesbarkeit vermittelt. Wer sich auskennt, hat es leichter, den Überblick zu bewahren. Otto A. Böhmer ist ein guter Führer durch den Literaturdschungel, der manchen Leuten von vornherein als terra incognita erscheint, Wüste, Ödnis, auf keinen Fall etwas, in das man sich freiwillig hinein begibt. Wer war Roswitha von Gandersheim?, Hartmann von Aue? Was gibt es zu Klopstock, Schiller, Goethe, Novalis, Kleist, Mann, Morgenstern und anderen literarischen Giganten zu sagen, bis hin zu Zeitgenossen wie Uwe Johnson, Jurek Becker und Peter Handke? Man muss schon sehr viel wissen, um so ein Buch vorzulegen. Allein die Auswahl der Werke ist ein Problem und was um Himmels Willen erzählt man den Jugendlichen denn als wesentliche Momente eines Dichterlebens? 80 Menschen erscheinen in Böhmers Werk, 80 individuelle Schicksale, 80 Wege zum Schreiben, sei es aus inneren Nöten, um zu überleben oder um wirklich Kunst zu schaffen. 80 Werdegänge, 80 unterschiedliche Menschen, 80 Bilder. Otto Böhmer schafft die Quadratur des Kreises, er reduziert (notgedrungen) die Biographien auf wirklich Wesentliches. Freilich subjektiv, doch objektiv genug. So erstehen in den einzelnen Lebensgeschichten nicht nur die Autoren, sondern Böhmer hebt den Vorhang und gibt den Blick frei auf die Welt, in der sie lebten, das Umfeld, die Zeitgeschichte. Autoren sind Menschen in einer jeweiligen Zeit, auch wenn sie noch so zeitlose Wahrheiten schaffen. Sie sind geprägt durch Raum und Zeit, in der sie lebten und das spiegelt sich in ihren Werken. Den Zusammenhang zu schaffen, ist eine schwere Kunst, hier mit Leichtigkeit vorgeführt. Kein trockenes Lehrwerk, keine elitäre Überfrachtung erschlägt den Leser, sondern ein sensibles Buch, das nicht nur Jugendlichen 80 Autoren nahebringt. Wer da nicht weiterlesen will, sollte es mit anderen Kulturtechniken versuchen. Böhmer schafft es, sich in die einzelnen Persönlichkeiten einzufühlen und so wird in den jeweiligen Texten auch vieles von dem spürbar, was den einzelnen Autor ausmacht, sei es sein Humor, seine Sensibilität oder sein Leben in der Zeit. Nur ein Beispiel, hier Rilke: „Unter deutschen Dichtern hat kaum einer so schwach begonnen und so stark aufgehört wie er; in seinem Werk lässt sich ablesen, dass es einer poetischen Begabung nicht schaden kann, wenn sie sich zu Trainingsfleiß und vermehrten Studien anhält. Rilkes Leben scheint auf Erfüllung aus zu sein, für die er selbst etwas tun musste; als er das begriffen hatet, war es nicht zu spät, wohl aber knapp in der Zeit; von da an arbeitete er, als ginge es um sein Leben …“
csc

Sprach-Fechtkunst

Karsten Bredemeier: Schlagfertigkeit – Das Arbeitsbuch. 192 Seiten, gebunden. 24,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-05065-0.

nach oben Bredemeier! Wieder dieser Bredemeier! Bei dem alle in den Seminaren weinen! Genau, Dr. Karsten Bredemeier, zu dessen Klientel die großen Namen gehören wie Allianz, Deutsche Bank, Glaxo, Kaufhof, Gruner + Jahr und diverse andere, der die Leute an ihre Sprach-(und sonstigen) Grenzen bringt und aufzeigt: Rhetorische Luschen sollten besser auf der Spielwiese für Unbedarfte im unteren Management bleiben. Wer nach oben will, muss sich daran gewöhnen, dass die Luft dort ein wenig dünner ist, sprich: Da haben nicht mehr viele Platz. Das bedeutet: vorne ist, wer nicht nur am meisten weiß und sich am geschicktesten verkauft (schon das bedeutet für 95 Prozent aller Aufsteigerträumer das komplette Aus), nein, am Ende ist auch nur der Sieger, der im finalen Duell die Nerven behält und den Gegner ausschaltet.
Nach der „schwarzen“ Rhetorik, dem Sprachhammer schlechthin, ist mit diesem Band nun ein Arbeitsbuch erschienen, an dem sich jeder konsequent dieser Traumbegabung annähern kann. Motto: Begabung ist gut, aber Training ist viel besser. 30 Muster zeigt Bredemeier auf, nach denen Schlagfertigkeit funktioniert und in rund 800 Übungsbeispielen (er hat niemandem einen Rosengarten versprochen) wird so manchem vermeintlichen Witzbold klar, dass Rhetorik bei den Griechen und Römern nicht umsonst Jahre gelehrt wurde. Wer denkt, an einem Samstagmittag brächte er sich auf ein akzeptables Level, sollte besser Sesamstraße gucken, das bringt mehr. Wer dieses Buch bearbeiten will, braucht Nerven, Phantasie, gewaltig Durchhaltevermögen und den totalen Siegerwillen. Und eine Fähigkeit, die ja so gern kleingewünscht wird: eine gewisse Emotionslosigkeit. Das ist keinesfalls gleichzusetzen mit: Desinteresse, Umnieten der Gegner oder anderen Dingen, ganz im Gegenteil. Schlagfertigkeit setzt gewaltig viel Empathie voraus, unglaubliches Einfühlungsvermögen, höchste Schnelligkeit und Menschenliebe, sonst wird aus einer Replik rasch eine üble Beleidigung, notfalls das Karriereaus. Das Beherrschen eigener Emotionen, um bei Angriffen nicht die Keule rauszuholen und den Neandertaler zu geben, ist eine schwere Kunst und wenn man das 800 Mal geübt hat, ist man deutlich besser im Einstecken und Austeilen als ohne.
Bredemeier verzichtet auf lange Erklärungen und theoretisches Geblubber. Er legt dem geneigten Bearbeiter des Titels Fakten vor. Hic Rhodos, hic salta und basta. Und dann gelingt das Ei des Kolumbus: Man schreitet aus dem Konferenzraum als Sieger. Und im Raum bleibt ein Raunen zurück: Shit! Wieso nur fällt mir nie, NIE, so was Geniales ein? Tja. Hätten Sie halt mal den Bredemeier durchgeackert. Ohne Fleiß kein Preis.
csc

Strategie für kleine Firmen

Manuela Brinkmann: Strategieentwicklung für kleine und mittlere Unternehmen. Tools, Konzepte, Praxisbeispiele. 202 Seiten, gebunden. 29,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-05007-3.

nach oben Unternehmensstrategie für kleine Unternehmen? Bringt es das, ist das nicht nur was für die Riesenkonzerne? Woher soll man im kleinen Laden noch die Zeit nehmen für diesen „Luxus“? Und überhaupt: Solche Theoriemodelle sind viel zu kompliziert und zudem in der Regel unverständlich! Stimmt! Weil man auf Hunderten von Seiten mit Thesen vollgestopft, die Praxis aber vernachlässigt wird. Da aber kleine und mittlere Unternehmen nur Vorteile haben, wenn sie eine gewisse Strategie verfolgen, hat Manuela Brinkmann, erfahrene Führungs-, Verkaufs- und Kommunikationstrainerin, das Buch für Praktiker entwickelt.
Bei kleineren und mittleren Unternehmen hängt manches in stärkerem Maß am einzelnen Mitarbeiter, weil es schlichtweg kein Heer von Angestellten gibt, die etwas ausgleichen können. Die soft skills, die menschlichen Vorzüge, kommen zu kurz, dabei ist der Erfolg eines Unternehmens in erster Linie auf Menschen zurückzuführen und wie sie ihre Ideen umsetzen und weiterentwickeln. Für kleine und mittlere Unternehmen hat Brinkmann eine Pyramide entwickelt, die sehr einfach strukturiert ist und mit einem Blick aufzeigt, was wichtig ist. Für Betriebe zwischen 50 und 1000 Mitarbeiter ist in dieser Pyramide alles enthalten, um die Strategieabteilungen großer Unternehmen zu „ersetzen“. Dieser Tool ist zudem in der Anwendung, Umsetzung und Handhabung sehr einfach – jeder kommt damit klar.
Das Buch ist gut lesbar und gliedert sich in die Abschnitte: Die Unternehmenspyramide, Lebendige Pyramiden: Praxisbeispiele, Führungsworkshops mit der Unternehmenspyramide und: Anleitung zum Erfolgreichsein, Neun Schritte zu Ihrer eigenen Unternehmenspyramide. Die Sprache des Buches ist verständlich, die Kapitel sehr übersichtlich gegliedert und vor allem mit praktischen Beispielen illustriert. Abbildungen und Schaubilder sind bewusst an der Praxis orientiert, die Pyramide wird von unterschiedlichsten Seiten beleuchtet und so nach und nach verinnerlicht. Checklisten helfen, das eigene Unternehmen zu untersuchen und zu verbessern.
Die Pyramide hilft nicht nur der Firmenleitung, Strategien zu entwickeln, sondern bis hin zum einzelnen Mitarbeiter können die Anregungen effizient umgesetzt werden. Wer sich mit der Thematik befasst, kommt mit vernetztem Denken besser klar, ein bekanntes Problem ist schließlich immer noch das: „Wenn die Rechte nur mal wüsste, was die Linke tut!“, selbst im kleinsten Betrieb. Notwendige Veränderungen im Firmenablauf werden leichter erkannt und können umgesetzt werden. Dadurch steigen die Motivation und letztlich die Ergebnisse der Arbeit an.
Wer das Buch gründlich durchgearbeitet hat, besitzt ein gut begreif- und umsetzbares Instrumentarium, um dem Unternehmen neue Impulse in die richtige Richtung zu geben. Letztlich sorgt die Verbesserung innerhalb des Unternehmens auch für eine Erhöhung der Leistung und zur stärkeren Identifikation und Zufriedenheit der Mitarbeiter mit ihrem Betrieb.
csc

Und die Welt hebt an zu singen …

Ursula Burkhard: Das Märchen und die zwölf Sinne des Menschen. 88 Seiten, kartoniert. 14,– Euro. Verlag Pforte Dornach. ISBN 3-85636-115-4.

nach oben Anthroposophen sind glückliche Menschen. Statt der bekannten fünf Sinne haben sie zwölf und damit eine andere Wahrnehmung. Ursula Burkhard, Autorin zahlreicher Bücher, die den Leser tief beeindrucken ob ihrer stillen Weisheit, hat sich hier einem Thema gewidmet, das auf uns heutige Menschen heilend wirken kann – Märchen. Märchenerzählerinnen findet man immer häufiger, Märchen sind nach wie vor Verkaufsschlager, weil selbst der Unsensibelste spürt, dass in ihnen tiefste menschliche Weisheiten verborgen sind, die selbst Walt Disney mit seinen kreischbunten Figuren nicht ruinieren kann. Märchen und Sinne – was anfangs seltsam zusammenzupassen scheint, wird immer logischer: Im Märchen geht es immer um Sinneswahrnehmungen, um das Sehen, das Hören, Tasten, aber auch um Wärme, um Gleichgewicht, um die Entwicklung des Ichs. So ist die Zusammenschau dieser beiden Dinge bereichernd, weil die Sinneserfahrungen die Märchen anders miterlebbar machen und man erst durch die Einbeziehung der Sinne die Tiefe und Weite der Märchen erfahren kann. Wovon man keine Kenntnis hat, das kann man nirgends finden!
Jeder kennt Märchen. Wirklich? Nach der Lektüre von Ursula Burkhards Bändchen muss man sich eingestehen – so hat man die Märchen nicht gesehen. Man war förmlich blind der reichen Fülle im Märchen gegenüber! So manches Bild, Symbol im Märchen, wird erst durch die Erklärung verständlich, begreift man den tiefen Sinn hinter dem Märchen, versteht man auch mit dem Kopf die Botschaft, die das Herz hoffentlich längst gefühlt hat.
Viele Menschen fühlen sich heute gefangen, eingesperrt im Hamsterrad, ohne Chance auf Veränderung. Sie sind wie die Königstöchter in ihren Türmen, eingesperrt, aussichtslos ausgeliefert der Willkür von außen. Und doch – im Märchen werden sie immer befreit. Wie gelingt das uns, übertragen auf unseren Alltag? Nur über die Sinne, schlussfolgert Ursula Burkhard. Wenn wir die Welt anders sehen lernen, jeden Tag uns darum bemühen, im Alten Neues zu entdecken, werden wir die Welt verändern. Ganz einfach, indem wir unseren Blickwinkel verändern. Wer nach dem Hausputz die aufgeräumten Zimmer genießen kann, wer auf dem Weg zur Arbeit einmal gefühlt hat, wie es ist, mit festem Tritt den Weg zu gehen (oder ihn zu hüpfen), ihn mit der Nase zu erschnüffeln (Blumen, Kaffeeduft, Großstadtluft, an jeder Ecke anders!), die Augen nutzt als Möglichkeit, auch winzige Kleinigkeiten am Wegrand zu erkennen, der wird in sich eine Zufriedenheit spüren, die ihm vorher fremd war.
“Mitgefühl können viele Märchen erwecken, auch beim Erwachsenen, denn sie schildern das Leben der Wesen und Dinge so, dass die sie Beziehung und Wahrnehmung des Zuhörers verwandeln.“ – Ja, das ist es. Wir kommen in eine andere Beziehung zur Welt, wenn wir sie unterschiedlich wahrnehmen, bewusst, mit offenen Sinnen, mit dem Herzen. Dann macht man die Erfahrung, mit der Ursula Burkhard ihr Büchlein beschließt: „Jeder von uns, auch wenn er in der Stadt lebt, kann das lernen und tun, wenn er den festen Willen dazu aufbringt. Staunen, sich einfühlen und der Stimme seines Gewissens folgen, macht uns zu offenen, liebenden Menschen. Imme rwieder bekommt man zu hören: Der Mensch sei ein Zerstörer und man müsste sich schämen, ein Mensch zu sein. – Wer ein Liebender wird, darf sich an seinem Dasein freuen und einem kleinen Stück Welt, das ihm als Wohnort und Arbeitsplatz anvertraut wird, aufbauende und heilende Kräfte bringen.“ Und das kann wahrhaft jeder von uns gut brauchen!
csc

Unentbehrlicher Fundus für Kinder und Jugendliche

Hedwig Diestel: Verse für die pädagogische Eurythmie. 271 Seiten, kartoniert. 24,– Euro. Verlag Die Pforte. ISBN 3-85636-125-1.

nach oben Diestel Hedwig Diestels Texte begleiten Schüler an Waldorfschulen vom ersten Tag an. Die ersten spielerischen Schritte in der Eurythmie werden auf Texte von Hedwig Diestel gemacht, aber bis hin zur Oberstufe und darüber hinaus begleiten ihre Texte das Leben an der Waldorfschule. In diesem Band sind ihre Texte zusammengetragen und bilden so einen unverzichtbaren Fundus für Eurythmisten, Eltern und Erzieher, denn viele Texte eignen sich auch für den rhythmischen Teil im Hauptunterricht oder einfach für zu Hause.
Eingeteilt ist das Buch in die Kapitel: Sprüche, Stabübungen, Schreiten, Eurythmische Elemente, Vokale, Konsonanten, Evolutionsreihe, Alliterationen, Rhythmen und im zweiten Teil dann in: Jahreszeiten und Jahresfeste, Pflanzenwelt, Tierwelt, Zwerge und Elementarwesen, Berufe, Gedichte, Märchen, Tierkreis und Planeten. Die Texte sind nach Altersstufen aufsteigend geordnet.
Wer mit Waldorfpädagogik, Eurythmie und den dort ausgeführten Übungen gar nichts zu tun hat, findet in diesem Buch eine ganz eigene Welt – den Rhythmus. Wie wichtig Rhythmus für das menschliche Leben ist, wird im Augenblick gerade von vielen Forschern wieder entdeckt. Was Eltern seit allen Zeiten wussten – Kinder brauchen Rhythmen, der Rhythmus ist das beste Hilfsmittel in der Kindererziehung – müssen heutige Eltern erst nach und nach wieder lernen und erfahren. Insofern ist das Buch auch für Nicht-Waldörfler ein guter Einstieg. Boomende Ergotherapie, Erstklässler, die nicht richtig sprechen können: Warnsignale einer Gesellschaft, die ums Kind herum zwar eine gigantische Industrie aufgebaut hat, aber darüber hinaus vergessen hat, sich mehr um die Hauptpersonen als um die Staffage zu kümmern. Wie einfach kann man Kindern das Sprechen beibringen, wenn man MIT ihnen spricht! Wer die Kleinen vor der Glotze parkt, darf sich hinterher nicht beschweren. Wer von klein auf Fingerspiele macht, mit den Kindern viele Reime und Verse lernt (das kann man wunderbar auch singen!), der wird für die Sprache der Kinder bedeutsame Grundsteine legen.
Hedwig Diestels Verse sind darüber hinaus aber auch eines – Seelennahrung für die Heranwachsenden und nicht selten auch Seelenpflaster für Erwachsene, die sich in den Sprüchen und Versen manche Kraft für den Alltag holen können.
Sprache ist mehr als Worte – Vokale und Konsonanten besitzen ihre ganz eigenen Qualitäten, wie schön, wenn man das am eigenen Leib auch nachvollziehen kann! Vor allem Verse, die die verschiedenen Rhythmen direkt in Beine und Arme bringen, wirken so auch gestaltend auf den ganzen Menschen ein. Wer so durchgeformt wieder in seinen Alltag geht, steht anders im Leben, hat einen anderen Halt, ist aufgespannt in den ganzen Kosmos. Poesie kann auch angewandte Lebenskraft sein!
Ein Kapitel widmet sich der Lebensgeschichte von Hedwig Diestel, deren Weg zur Anthroposophie durch den Krieg stark erschwert wurde. Hedwig Diestel wurde verschüttet und verlor dabei ihr Gehör – diese Quelle war auf immer verschüttet und Hedwig Diestel musste sich neu orientieren. Es gelang ihr im Lauf der Zeit, ihre Stimme wieder zu regulieren, so dass sie den Menschen in Krankenhäusern Märchen erzählen konnte. Unermüdlich schrieb sie Gedichte und konnte bei Tagungen ihre künstlerische Arbeit vorstellen. Ihre besondere Liebe galt den ganz Kleinen im Vorkindergarten-Alter, für sie schuf sie in verständlicher Sprache wunderbare Bilder.
Das Buch ist eine herrliche Fundgrube, ein Schatzkästlein für Alt und Jung und so manche Mutter kann ihrem Kind weiterhelfen, wenn sie weiß, welcher Rhythmus ihrem kleinen Choleriker gut tun und womit man Phlegmatiker ein wenig in Schwung bringt. Und für alle anderen hat es, was die Texte betrifft, hohen Wiedererkennungswert oder es eröffnen sich ganz neue Welten. Wer in sein Leben Rhythmus und lebendige Bilder bringen möchte, sollte sich und seinen Kindern diese Verse auf keinen Fall vorenthalten. Was wir unseren Kindern an Fundamenten und aufbauender Seelennahrung mitgeben, ist fürs ganze Leben ein Rucksack mit lebensrettendem Inhalt.
csc

Die Bibel des Managements

Diverse Autoren: Management Band 1 und Band 2. 2160 (!) Seiten, gebunden. 155,– Euro. Campus Verlag. ISBN 3-593-37068-9.

nach oben Wenn Sie den derzeitigen Wissensstand zum Thema Management abfragen wollen und das alles möglichst komprimiert, verständlich und abwechslungsreich, haben Sie ab sofort eine Option, die „Bibel des Managements“ ist da. 2160 geballte Seiten Information und zwar so gegliedert und aufgebaut, dass man sowohl von 1–2160 durchlesen könnte, so man Zeit hat, als auch ganz gezielt einzelne Personen, Ideen, Begriffe etc. nachschlagen kann. Ein klug aufgebautes Buch für Leute mit riesigem Wissensdurst, aber wenig Zeit und der Notwendigkeit, ausgesprochen effizient zu arbeiten.
Band 1 steigt gleich mit dem Wesentlichen ein: Best Practice, die wichtigsten Methoden, die besten Lösungen zu den Bereichen: Blick aufs Ganze, Personalmanagement, Produktivität, Persönliche Effizienz, Führungsfragen, Strategie und Wettbewerb, IT-Management, Marketing, Finanzen, Erneuerung und Wachstum. Danach folgen die besten Check- und Actionlists, nach den wesentlichen Arbeitsbereichen sortiert und sofort umsetzbar. Band 2 bietet Biographien der wichtigsten Vordenker und Manager, stellt die wichtigsten Bücher vor, das Lexikon gliedert sich in: Die besten Zitate (auch hier aus unterschiedlichen Bereichen), Quellen, Personen- und Sachregister.
Das klingt trocken, ist es aber nicht. Es ist ein Fundus der besonderen Art. Hier waren Fachleute am Werk, ein Glück für das Buch. Alles ist darauf ausgerichtet, die wesentlichsten Informationen möglichst übersichtlich dazustellen, Auflistungen, blau unterlegte Kästen mit den wichtigsten Fakten sorgen optisch für Gliederung und leichtes Handling, Schaubilder und Fotos lockern auf und machen die Menschen hinter den Ideen sichtbar.
Nur wer seine Wurzeln kennt, kann seine Äste stabil wachsen lassen, weil er um den Untergrund weiß. Im Bereich des Management kommt es so oft darauf an, Schaden zu begrenzen, Neuland zu betreten, doch wie wichtig das Wissen der Grundlagen ist, wird gern verkannt. Der zweite Band stopft diese Lücke mit den Biographien der wesentlichen Vordenker und Manager, zeigt deren „Masche“, deren Erfolgskonzept, denn die Fehler, die andere gemacht haben, muss man nicht auch noch selbst wiederholen. Die Zitate können eine kleine Auszeit im Chaos sein, sie können aber auch helfen, Dinge klarer zu sehen und es ist nicht die übelste Methode, Briefen oder Reden ein passendes (!) Zitat beizugeben. Vor allem die Buchbesprechungen verschaffen einen sehr rasanten Überblick über das, was man kennen muss, die grafische Gestaltung ermöglicht auch hier problemloses Navigieren und bietet zu wirklich allen Gebieten Summaries an. Jede Besprechung beginnt mit „Warum sollte man dieses Buch lesen?“, so hat man gleich einen Überblick, ob das Buch einem selbst wird weiterhelfen können oder nicht. Die erste Übersicht ist eine Zusammenfassung, dann wird über den Inhalt im Einzelnen kurz referiert, ehe es unter der Rubrik „Im Umfeld des Themas“ Informationen zum Warum und Wieso gibt. Weiterführendes in einem blauen Kasten hilft bei der Vertiefung.
Jeden Tag kommen neue Schlagworte im Wirtschaftsleben auf. Im Grunde oft alter Wein in neuen Schläuchen, doch gewisse Basics müssen beherrscht werden. Wie man hier die Qualität des Managements entscheidend verbessern kann, zeigen die Check- und Aktivitätslisten. Sie sind klar strukturiert und so aufgebaut, dass sich jeder für seine speziellen Fragen und Anliegen quasi eine Liste herausziehen und anwenden kann. Schritt für Schritt angewandt, werden solche Checklisten zur Geheimwaffe. Das Lexikon im zweiten Band listet die wesentlichen Begriffe auf, wer weiß denn schon immer alles? Man muss nur wissen, woher man die Information bekommt und zwar rasch!
Exakt diesen Anspruch erfüllt das Buch: Es bietet ungeahnte Informationsmengen in gut verpackter Dosierung. Man kann sich schnell über spezielle Fragen und Personen informieren, sich in Theorien einlesen (und bekommt genug Hilfen an die Hand, wie er dieses Wissen endlos vertiefen kann), ganz praktische Ratschläge herausziehen, aber auch Grundlagenwissen aneignen und – bei den Zitaten – sogar wunderbare Aphorismen an die Hand bekommen, die zeigen: Alles eine Frage der Betrachtung und des notwendigen inneren Abstands.
Wer im Management arbeitet und diese beiden Wälzer nicht kennt, ist selbst schuld. Sie gehören in Griffnähe.Pflichtlektüre!
csc

Vom Urknall bis zum Menschen

Die visuelle Geschichte der Erde und des Lebens. 391 Seiten, gebunden. 35,– Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-4563-3.

nach oben Es kommt leider immer seltener vor, dass Buchhersteller ein Buch machen, das keine Wünsche offen lässt außer dem, es möge mehr Seiten haben. Hier ist es geschafft, wie bei den anderen Bänden der Enzyklopädie auch: Verboten viel Wissen auf herrlich leichte Art zu präsentieren, anschaulich, verständlich, reich bebildert, vielseitig und klar gegliedert. Jede Seite enthält eine Fülle an Informationen, das Auge kann spazieren gehen und im Vorbeigehen einfach so eine Menge lernen.
Für die Freunde korrekter Wissenschaft gibt es ausreichend Fachbegriffe und Zeitleisten, um Paläozoikum nicht mit Känozoikum zu verwechseln und wenn Sie schon immer mal wissen wollten, wie ein Kabeljau ausschaut, wenn alles Essbare weg ist – bitte sehr. Und wer hat schon mal eine Schildkröte von unten gesehen? Wer weiß, wie ein prähistorisches Menu aussah, wie aus einer haarigen Raupe ein beeindruckender Schmetterling wird? Die Saugnäpfe eines Tintenfischs genau erklärt bekommen? Die DNA als Baukastenteil gesehen, mit Forschern durch verschiedene Mikroskope geguckt und dabei erkannt, welche Unterschiede es zu sehen gibt? Eine Dinosaurierkinderstube anschauen können? Die Vererbungslehre mal nicht an öden Erbsen gesehen, sondern in einer Reihe unterschiedlich gefärbter Schmetterlinge?
Es ist ein Buch, das man nicht weitergeben mag, denn man findet ständig etwas Neues. Sollten Sie planen, das Buch zu verschenken – vergessen Sie nicht, zwei Exemplare zu besorgen. Sie wollen ohnehin prüfen, ob es pädagogisch wertvoll für den Nachwuchs ist? Eben. Und deshalb brauchen Sie zwei Bücher, denn eines behalten Sie ohnehin für sich. Weshalb? Naja, es ist so – Sie werden sich festlesen. Wenn Sie keinen Wecker stellen, vergessen Sie, zur Arbeit zu gehen. Aber die Entschuldigung ist gut: Ich konnte nicht kommen, weil ich bei einer wichtigen Fortbildung war. Bringen Sie dem Chef das Buch mit. Er wird für Wochen Ruhe geben. Und bedenken Sie – von der Reihe gibt es inzwischen viele Bände. Unverständlich, weshalb das vor allem für die Jugend angeboten wird, aber bei dem Jugendwahn in unserer Gesellschaft haben wir alle genug Entschuldigungen, das Buch selbst zu lesen. Für Wissen ist man zum Glück nie zu alt …
csc

Geballtes Wissen

Die visuelle Weltgeschichte der Neuzeit. 544 Seiten, gebunden. 35,– Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-4574-9.

nach oben Die „Visuelle Enzyklopädie“ im Verlag Gerstenberg ist ein Vergnügen besonderer Art. Geballtes Wissen, kurzgefasst und für Augenmenschen ausgesprochen reichhaltig bebildert – das schafft einen gewaltigen Leseanreiz auch bei Themen, die man gerade vielleicht gar nicht wissen will. Man blättert einfach wie in einem Bilderbuch, kommt so vom Hölzchen aufs Stöckchen und ehe man sich versieht, ist man auf dem Weg durch die Themen. Das Inhaltsverzeichnis ist beeindruckend, der Einleitung (erfreulich kurz und prägnant) folgt die Zeittafel, mit verschiedenen Farben deutlich kenntlich und dann geht es los: Eine bunte Mischung aus Karten, Fakten, Zeichnungen, Ausschnitten aus Kunstwerken, aber – und das ist das Schöne am Buch – auch jede Menge Alltagsgegenstände, die sogenannten „banalen“ Fragen, die so gern unter den Teppich gekehrt werden, weil es doch für den Gang der Geschichte nicht wirklich wichtig ist, wie man in den verschiedenen Kulturen beispielsweise die Zeit gemessen hat (eben doch!), werden behandelt.
So ist das Buch ein Bilderreigen mit erklärenden Untertiteln, unterbrochen von kurzen Kapiteln, die einzelne Themen genauer behandeln. Was trägt ein Geistlicher? Was lasen die Kinder im Jahr 1960? (Bilderbücher, beispielsweise von Kate Greenaway) Was schleppte ein US-Infanterist im Ersten Weltkrieg mit sich herum? Presseausschnitte, Karikaturen, Landesflaggen – wer nur einen Bruchteil dessen weiß, was in diesem gewaltigen Kaleidoskop geboten ist, sahnt bei jeder noch so schwierigen Quizshow ab. Hier wird Wissen vermittelt, das die meisten Leser dort abholt, wo sie sind, nämlich nicht gerade in der ersten Reihe, wenn es um das Thema Geschichte geht.
Die Menschen werden lebendig, man erfährt viel über ihren Alltag, aber auch die Hoffnungen und Träume und vielleicht gelingt so einer visuellen Enzyklopädie, die wie ein Wimmelbuch gefüllt ist, was so wünschenswert wäre – eine weiterführende Beschäftigung mit Geschichte. Ohne Geschichtskenntnisse schwimmt der Mensch ankerlos in seiner Zeit, hier wird versucht, dem Leser wenigstens eine Ankerkette in die Hand zu drücken. Aufwändig, gewaltig, dennoch fesselnd ist das Buch ein Geschenk für einen selbst und für andere, die ein wenig Nachhilfe in Geschichte brauchen können.
csc

Top-Nieten

Rolf Fink/Karl Kälin: TOPScHrOTt. Unwahres und Falsches zu Führung und Management. 176 Seiten, gebunden. 24,– Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-050005-0.

nach oben Kommt man sich als Normalbürger gelegentlich schon ein bisschen vergackeiert vor, wenn man in der Zeitung von Skandalen in höchsten Führungskreisen hört und sieht, mit welchen güldenen Mützen die Herren abziehen, die den Karren mit Vollgas an die Wand gefahren haben, sollte man sich nicht mehr wundern bei der Lektüre dieses Buches. Was die Autoren bei ihrer Forschungsreise durch den Management-Dschungel ans Licht gebracht haben, ähnelt eher einem Horrorszenario und löst das ungute Gefühl aus, man sei irgendwie in der Wahrnehmung von Realitäten bös verrutscht.
Nieten, die immer höher die Erfolgstreppe fallen – warum? Jeder kennt solche Leute, die derart unerträglich sind, dass man sie penetrant befördert nach dem Motto „Rausschmeißen kann man den nicht, weil der da und da und da mit seinem Geld drinhängt“ (oder was auch immer, es gibt ja jede Menge Möglichkeiten), „also befördern wir ihn schleunigst weiter, um ihn hier nicht ertragen zu müssen“. So schaffen auch Nieten den Durchmarsch nach ganz oben. Doch das ist nur ein kleiner Eisberg, den man findet. Durchaus beachtenswert ist auch das zweifellos weit verbreitete Vermögen, aus einer kleinen Krise wirklich den finalen Untergang ganzer Unternehmen zu gestalten, eine Kunst, die man auch erst einmal beherrschen muss.
In neun Kapiteln desillusionieren die Autoren gekonnt und sehr gründlich den Leser, wobei durchaus auch Nero (der irre Kaiser, der Rom abfackelte) herangezogen wird und auch Macchiavelli wieder auftaucht (er muss einfach sein, wenn es um Macht geht). Sehr hilfreich ist das Kapitel über Schaumschlagen: Neun Indikatoren, an denen man es erkennen kann, das ist gelebte Praxis!
Wer den Begriff des „Löli“ noch nicht kennt, hat ihn spätestens nach der Lektüre im erweiterten Wortschatz. Ein Löli wäre in Deutschland ein Dödel und man erkennt ihn so: Vorhandenes Wissen wird nicht angewandt, höchstens zum eigenen Nachteil; Wahrheitssuche wird dem Lernen vorgezogen; man ist unfähig oder unwillig, anderer Leute Überlegenheit neidlos anzuerkennen. Kennzeichen: Beleidigter Typ, humorlos und von sich selbst überzeugt. Eben. Ein ganz normaler Mensch!
Fazit: Wenn es nicht die bittere Wahrheit wäre, müsste man sich vor Lachen wegschmeißen. Da es aber die bittere Wahrheit ist, gerinnt einem jedes kleine Lächeln und macht der panischen Erkenntnis Platz: Ich bin mitten unter ihnen und ich habe kaum eine Chance. Nichts ist so brutal wie die Realität. Ein Überlebensbuch für alle, die irgendwie im Nadelstreifenhaifischbecken überleben müssen. Sie dürfen bloß keiner Menschenseele verraten, dass Sie geblickt haben, wie das Spiel geht. Sonst sind Sie mitten im Rugby gelandet. Als Ball.
csc

Der Kluge baut rechtzeitig sein Haus

Volker Fintelmann: Alterssprechstunde. Ein Ratgeber für die zweite Lebenshälfte. 3. Überarbeitete Auflage, 440 Seiten, gebunden. 25,– Euro. Verlag Urachhaus. ISBN 3-8251-7484-0.

nach oben Alterssprechstunde – klingt nach Rheumaklage, nach Bluthochdruckpillen und Urinmief in Altenheimfluren oder der Frage, wie man die Dritten reinigt. Weit gefehlt. Was Volker Fintelmann hier vorgelegt hat, ist ein Buch, das man jedem Menschen zum 30. Geburtstag in die Hand drücken sollte. Dann nämlich, wenn es an der Zeit ist, sich mit dem Alter zu beschäftigen. Wer sich nicht vorbereitet, wird vielleicht nicht mehr die Kraft oder die Möglichkeit haben, sein Alter selbst zu gestalten und Alter ist relativ, es beginnt mit der Geburt, wenn man pingelig ist.
Alter, schon das Wort löst in der Jugendwahngesellschaft panische Gefühle aus. Alt ist man nicht, Alt bedeutet abgeschoben, nicht mehr teilnehmen, im Gruftiegetto stecken, nachdem man von einer findigen Spaßgesellschaft wie eine goldene Gans ausgenommen wurde mit Seniorenreisen und -residenzen, Pillen und Schönheits-OPs. „In Würde altern“ war in meiner Kindheit noch ein bekannter Begriff. Heute altert man auf Ibiza und jettet von einer Kreditkartenannahmestelle zur nächsten, immer im Stress, on the way, busy und weiß Gott was noch. Arme Welt. Nur – wann fängt denn das Alter an? Was ist Alter eigentlich?
Dr. Fintelmann kennt die Klientel aus seiner Praxis als Allgemeinarzt. Er sieht jeden Tag alte Menschen, solche, die das Alter als eine aktive Lebensphase sehen und selbst gestalten, solche, die vom Alter überrannt werden, sich nie mit ihrer Vergänglichkeit auseinandergesetzt haben, Menschen, die ihre Krankheiten tragen und welche, die sie als persönliche Beleidigung empfinden und erwarten, mit 70 mal eben eine neue Hüfte zu kriegen, damit sie wieder auf der Skipiste wedeln können. So individuell die Menschen sind, so individuell gestalten sie auch ihr Alter, dennoch gibt es Rhythmen, Lebensschwünge, die sich über mehr oder minder alle Biographien legen lassen. Mit 70 bekommen beispielsweise die wenigsten Frauen noch Kinder, irgendwann schließen sich Türen für immer. Das Leben besteht aus Abschieden und so bedeutet Altern auch, Loszulassen, was mit 20, 40, 60 wichtig war und den Blick auf das Neue zu richten, das nun zu lernen ist. Beileibe ist das Leben kein öde Angelegenheit, sondern die spanndenste Reise, die wir Menschen machen können, die zu uns selbst. Das Alter gestalten bedeutet, die Kräfte der Jugend umzuwandeln, um die nun anstehenden Aufgaben freudig zu ergreifen. Alter ist so vielgestaltig, verläuft so unterschiedlich, dass man als junger Mensch beginnen muss, sich damit zu befassen. Wer es versäumt, gute Grundsteine zu legen, baut sich im Alter kein schützendes Dach mehr über dem Kopf, wohl dem, der vorbereitet ist, der weiß, was kommen kann, für den Gebrechen zwar genauso lästig sind, der aber weiß, dass das zum Alter gehört, der sich erkundigt hat, wie er sein Lebensumfeld seniorengerecht gestalten kann, um möglichst lange selbständig zu sein. Wie bedeutend es auch für ältere Menschen ist, sich aktiv dem Leben zu stellen und die Erfahrungen weiterzugeben, sich einzubringen in die soziale Welt, zeigt Fintelmann anschaulich auf. Das Buch ist wie ein Hausbuch, es berücksichtigt Leib, Seele und Geist. Fintelmann geht auf Krankheiten, Verwirrtheit, Liebe und Sexualität, Reisen, Ernährung, Lebensraum, Alltagsbewältigung, Pflege und Fragen des Testaments ebenso ein wie auf die verschiedenen Stufen des Alterns und die Frage nach dem Traum von der ewigen Jugend. Der Autor gibt so manchen gewaltigen Denkanstoß, vor allem im Kapitel über die Krebserkrankung bekommt der Leser so manche Hausaufgabe, wird er vor den Spiegel gestellt. Das Alter kann die Lebensspanne sein, in der wir einen Kreis schließen, möglicherweise einen, der uns nicht einmal bewusst war. Es ist die Zeit der stärkeren Innerlichkeit, aber auch der stillen Freude. Jeder, der die Jahreszeiten bewusst erlebt, weiß um die Farbenpracht, die es nur im Herbst gibt, und um die Freudean der Ernte, die in dieser Zeit eingebracht wird. Erntedank – auch im Leben kann es das geben, wenn wir rechtzeitig das Feld bestellen.
Man kann das Buch auf vielerlei Art nutzen – entweder die interessierenden Kapitel lesen oder aber ganz bewusst Abschnitt für Abschnitt durchgehen. So hat man am Ende ein gerundetes Bild, der Leser wird nicht mehr überrollt, überrascht und hilflos sein. Im Idealfall hat er bis zu seinem eigenen Alter noch ein bisschen Zeit und kann vieles, was Fintelmann anspricht, schon im Vorfeld stabiler anlegen. Das Buch ist ein Handbuch für alternde Menschen, aber auch für ihre Familie und Pflegende, um das Verständnis füreinander zu vertiefen, nicht selten muss es gar erst geschaffen werden. Bedenkenswert ist dies: „Das Alter als Abschnitt des menschlichen Lebensganges wird heute überwiegend negativ gesehen. Dabei könnte alles so einfach, so anders werden, wenn es gelänge, den Blick auf das Alter so zu werfen, dass man darin die Gesetzmäßigkeit menschlicher Entwicklung erkennt, in der wir zwar im Körperlichen älter, vom Seelischen aus aber jünger werden. Anders ausgedrückt: Wir müssen wieder lernen, den Blick auf die Jugendkräfte im Alter zu richten, um den positiven Zugang zu diesem Lebensabschnitt zu finden, der ihm gebührt.“
csc

Trost und Hoffnung für alle Moppel

Susanne Fröhlich: Moppel-Ich. Der Kampf mit den Pfunden. Broschiert, 268 Seiten. 13,90 Euro. Krüger Verlag. ISBN 3-8105-0666-4.

nach oben Alle hatten es gekauft. Alle haben es gelesen. Alle waren begeistert. Endlich schlich auch der allerletzte Moppel der Nation in den Buchladen, der das Buch nicht im Regal hatte, eingereiht unter Diäten von A wie Ananas bis Z wie Ziegenmilchkäsepulverdiät. Vom Cover lacht eine beneidenswert schöne, fröhliche Frau mit lustigen Locken und gar kein bisschen fett und faltenfrei, nicht mal schlank und faltig. Ich war gespannt.
Gleich vorweg – es ist spaßig zu lesen. Frau Fröhlich scheint wirklich in dieser Welt zu leben, wenn auch nicht in der der meisten Leserinnen. Die können nicht einfach auf Lesereise gehen, um dem heimischen Kochzwang hungriger Blagen zu entgehen. Denen fällt es sicher auch schwer, nach erfolgtem Wunder (durchaus als harte Arbeit rübergekommen!) die Belohnung einzusacken. Nein, nicht in Form von Sahnetörtchen, bis der Zuckerschock kommt, sondern als nette neue Klamotten, die man in einem ganz normalen Laden kaufen kann, in Farbe sogar, nicht in schwarzgrau. Wow!
Unterm Strich steht in dem Buch nicht wirklich viel, das aber ist flott zu lesen und kann bei Diäthängern helfen, weil man einfach was zu lachen hat und sich zugestehen darf, dass es allen anderen Fastern auch so geht. Generell ist rübergekommen, dass man alles weglassen muss, was dick macht und Sport treiben soll. Das ist genial umwerfend neu. Der Knackpunkt ist halt der, dass man einfach den Hintern nicht hochkriegt, um durch die Pampa zu traben, was als Großstadtbewohner zudem ein wenig schwierig ist, Jogger sehen in Häuserschluchten weniger gut aus. Zudem – wenn man eine berufstätige Mutter ist, die auch Mann und Kinder versorgen muss, eventuell auch die kranke Oma pflegt – die hat wenig Nerven, sich mit den empfohlenen schönen Dingen abzulenken. So jemand legt sich nicht in die Badewanne und lackiert sich die Nägel feuerrot, in der Hoffnung, am Tag X einen roten Schimmer zu erkennen, hurra, ich hab eigene Zehen, die sind wieder da!
Also, Moppel, wenn ihr Spaß haben wollt, solltet ihr das Buch wirklich lesen und Frau Fröhlich um ihren Partner beneiden, der nicht nur superklug und gut aussehend ist, sondern auch noch bereitwillig die Diät mitmacht (wider den „Frankfurter Kranz“!). Im Kernpunkt steht auch in diesem Buch knallhart: Esst das Richtige und bewegt euch. Dann klappts auch mit dem Guccijäckchen und dem tollen Ehemann. Und die Kinder sind keine Psychoterroristen, die zu mütterlichen Diätzeiten Geburtstage feiern oder alles, was man mit viel Futterei begehen kann. Anlesetipp – die Listen, weshalb man keine Diät machen kann. Neuer Punkt für Frau Fröhlich: Ich musste das Moppel-Ich-Buch lesen und dabei ein paar Kekse naschen.
csc

Nicht gerade vom Glück verfolgt: Schiller!

Harald Gerlach: Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt: Die Lebensgeschichte des Friedrich Schiller. 152 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. 14,90 Euro. Verlag Beltz. ISBN 3-407-80877-1.

nach oben „Das Fortlaufen ist eine Idee, die unerwartet auftaucht; niemand weiß genau zu sagen, woher sie kommt. Und sie gibt keine Ruhe, bis sie sich gegen die Normalität des Dableibens durchgesetzt hat … Friedrich Schiller ist zweiundzwanzig Jahre alt, als ihn die Idee heimsucht, aus der schwäbischen Heimat davonzulaufen …“ So beginnt Harald Gerlach sein Buch über das Leben von Friedrich Schiller. 2005 werden wir alles von und über Friedrich Schiller erfahren, es ist Gedenkjahr angesagt und das bedeutet: Wer auch immer den Namen Schiller schreiben kann, wird sich äußern. Die „Räuber“ werden entstaubt (sie haben nie welchen angesetzt), das Banner der Freiheit wird wieder kräftig geschwenkt und der Mann mit dem Charakterkopf wird abermals als derjenige charakterisiert werden, der sich nicht beugt, der sich an Goethe rangeworfen hat, der vom Ruhm verwöhnte und vom Leben abgewatschte Mann mit den glühenden Augen und der Erkernase.
Harald Gerlach heftet nicht einfach Lebensdaten aneinander, beschreibt nicht trieflangweilig, was man in jedem Lexikon nachlesen kann oder beschäftigt sich oberlehrerhaft mit der tausendsten Interpretation von Dialogen. Er hat sich aufgemacht, schreibend hinter Schiller herzugehen und das ist keine einfache Sache. Wer ist der Mensch hinter den Gerüchten, Geschichten und Mythen? Wer war Schiller? Gerlach zeichnet das Leben eines Rebellen, der zugleich melancholisch und sensibel war. Er fährt die Lebensspuren nach und das auf seine ganz eigene poetische Art. So ersteht ein respektvolles Bild von Schiller, das den Menschen sieht, aber auch die Größe und Wucht seines Werkes weder über- noch unterschätzt. Schiller, verfolgt von geldgierigen Gläubigern, krank, nach dem Ruhm der „Räuber“ vom ausbleibenden Erfolg enttäuscht – er ist und bleibt ein zeitloser Wegbegleiter für alle Menschen.
Das Buch ist nicht nur sprachlich eine Bereicherung (endlich setzt mal ein Autor wieder ein Semikolon, das schien ganz verschwunden zu sein), sondern auch sehr schön satztechnisch gestaltet. Liebevoll gesetzte und geschickt mit dem optischen Reiz von Schriften spielende Titel sind in unseren Tagen offenbar ausgestorben, die Kunst des Satzes ist nicht wirklich mehr präsent, umso erfreulicher dieses Buch, das aufgrund seines Formats auch in jede Handtasche passt.
csc

Zeitkrankheit Allergie – quo vadis?

Thomas Gräßer: Immunsystem und Identitätsbildung. Hiob – Psora – Allergie. 68 Seiten, kartoniert. Amthor Verlag. ISBN 3-934104-21-5.

nach oben Allergien – jeder kennt es. Mindestens ein Heuschnüpfler pro Familie, ein Kind, das sich an Neurodermitis zu Tode kratzt, Sortieren beim Mittagessen, weil einer dies und jenes nicht verträgt – was ist los mit uns? Weshalb schießt unser Immunsystem gegen uns, wieso reagieren wir immer sensibler, immer empfindlicher auf alles? Eine Zeitlang war es chic, allergisch zu sein, inzwischen findet das niemand mehr exotisch, denn in irgendeiner Form erwischt es früher oder später fast jeden, dass er auf den Genuss von Erdbeeren mit herrlich rotem Ausschlag reagiert oder beim Bienenstich den Notarzt braucht.
Thomas Gräßer ist Facharzt, Allergien sind sein tägliches Brot. Dass es nicht nur um chemische Reaktionen des überforderten menschlichen Immunsystems geht, hat der erfahrene Arzt bald begriffen. Doch dem Geheimnis Allergie auf die Spur zu kommen ist so einfach nicht. Es sind nicht nur „die Nerven“, die Umwelt, dies und jenes, es ist die Summe aller Faktoren oder, anders ausgedrückt – unsere moderne Lebensweise. Gräßer hat beide Sichten, die des Schulmediziners ebenso wie die des Homöopathen. Das ermöglicht ihm einen anderen Ansatz in der Behandlung. Dass Allergien aber nicht eine reine Modeerscheinung sind, weist der Autor nach, indem er in die Geschichte zurückgeht bis Hiob, den mit Aussatz geschlagenen Mann aus der Bibel, der nicht von seinem Glauben ablässt. Heutige Menschen sind extrem individualisiert, ihr Ich zwingt sie, die Einheit zwischen Mensch und Umwelt aufzulösen, sonst wäre diese Individualisierung nicht möglich. Der Körper reagiert auf diesen Bruch. Der Allergiker hat eine höhere Durchlässigkeit für fremdes Eiweiß, Sinnbild für den Versuch, außen und innen zu verbinden, Feuer und Wasser zu vereinen. Wen wundert es da, wenn der Körper Krieg führt?
Gräßer schildert in seinem Buch die allergische Reaktion, dann geht er zur Lebensgeschichte Hiobs über und zeigt auf, wie sich das Menschenbild gewandelt, das Bewusstsein sich verändert hat. Dann springt er in das Jahr 1828 zu Hahnemann und seiner Erkenntnis, dass die Homöopathie bei chronischen Krankheiten oft nicht weiterhilft und er begreift, dass man das der Krankheit zugrunde liegende Urübel finden und behandeln muss. Am Beispiel der Krätze, Psora, zeigt Gräßer auf, dass wir heute an einer Art innerer Psora leiden. Ein besonderes Augenmerk richtet Gräßer auf den Unterschied zwischen Allergie und ihrem Gegenteil, der Anergie. Das ist ein noch viel zu wenig beachtetes Problem – wo zu wenig Reaktion erfolgt, der Mensch zu kalt ist, weil ihm das „Einheizen“ durch Entzündungen fehlt, entstehen Krankheiten wie Krebs. Vermutlich wird hier ein Bereich der Forschung erschlossen, der erst in den Kinderschuhen steckt, dabei ist die Erkenntnis uralt „gib mir Fieber und ich heile jede Krankheit“. In der Kunst finden beide Extreme – Allergie und Anergie – ihren Ausdruck. So wird dem Menschen sehr bildhaft vor Augen gestellt, was das Wesen der Immunreaktion ist. Das Bewusstwerden über das Wesen der Allergien ist ein wesentlicher Schritt, um zu erkennen, woran man eigentlich erkrankt ist. Nicht nur an der Chemie im Essen, am sauren Regen etc., es liegt alles ein wenig tiefer und da muss man anfangen zu arbeiten.
Dr. Lüder Jachens, Hautarzt und Allergologe, beschließt das Buch, das neue Einsichten und damit auch Aussichten eröffnet, mit einem Artikel über den Heuschnupfen aus Sicht der anthroposophischen Medizin. Dieser Beitrag rundet die Ausführungen Gräßers ab. Für Geplagte ein lesenswertes Bändchen, denn vermutlich sieht jeder nur die chemische Reaktion des Körpers, aber kaum einer denkt darüber nach, was eigentlich das Wesen seiner Erkrankung ist, dabei liegt darin der Schlüssel zum Umgang damit.
csc

Dem Geheimnis des eigenen Weges auf der Spur

Veronika Gysi: BeWEGung. Drei Systeme – eine Verbindung. Mit zahlreichen Farbabbildungen und Zeichnungen. 120 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. 24,80 Euro. Medu-Verlag. ISBN 3-937791-10-8.

nach oben Gysi Aura-Soma, die fünf Tibeter sowie das Enneagramm sind ältere und neuere Wege zur Selbsterkenntnis, Hilfen auf dem Weg zur eigenen Entwicklung. In ihrem reich bebilderten und mit Grafiken anschaulich ausgestatteten Buch stellt Veronika Gysi diese drei Erkenntnismöglichkeiten in einen inneren Zusammenhang. Mit einem Mal erkennt man tief berührt: Alles Wissen hat einen einzigen Ursprung. So verschieden die Wege auch sind, sie sind miteinander verknüpfbar durch Raum und Zeit und über alle Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Erkenntnis ist universal und doch muss sie von jedem einzelnen Menschen für sich individuell errungen werden. Veronika Gysis Buch führt den Leser in die Geschichte dieser drei Wege ein, zeigt eigene Erfahrungen und belegt die Verbindungen. Es ist eine Wegbeschreibung, aber vor allem eines: Anreiz, den Weg selbst zu beschreiten und der erstaunlichen Erkenntnis „alles ist eins“ nachzuspüren.
Veronik Gysi erweitert das bekannte System der Fünf Tibeter (inzwischen auf sechs angewachsen) um drei weitere Tibeter und zeigt auf: Jetzt erst ist das System rund, besitzt es eine überzeugende innere Logik und kann so mehr sein als eine Lebenshilfe: Es ist ein Schlüssel zu dem Schatz, der in jedem Menschen tief im Inneren verborgen liegt.
Die Abbildungen und Grafiken machen Lust, den Weg selbst zu gehen und zeigen die Vielfalt der Aura-Soma-Welt ebenso wie die innere Verbindung bis jetzt getrennt betrachteter Systeme. Eine Landkarte, die entdeckt werden will, weist sie doch den Weg ins ganze Leben.
csc

Worte jenseits von Raum und Zeit

Veronika Gysi: Über den Wassern zu singen. Mitteilungen aus neun Dimensionen. 110 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. 19,80 Euro. Medu-Verlag. ISBN 3-938926-15-5.

nach oben Über den Wassern zu singen Veronika Gysi ist eine erfahrene Therapeutin, die sich den Fragen des Lebens sachlich und ruhig stellt. Mitten in der Arbeit zu einem Buch über die Fünf Tibeter, Aura-Soma und das Enneagramm begegnet sie in einer Meditation einem Lichtwesen, das sie auf ein Schloss bringt. Es dauert, bis Veronika Gysi begreift, dass ihr Begleiter sie mit einer gewissen Absicht hierher gebracht hat: Sie soll aufschreiben, was verschiedene Wesenheiten, die im Lauf der Monate an den runden Tisch im Schloss treten, sagen. Veronika Gysi notiert die Texte und begreift – ihr wird ein Schatz in die Hand gelegt.
Neun Wesenheiten begegnen ihr, neun Mal erscheinen sie jeweils, neun Botschaften erhält sie von jedem Wesen: vom Mann des Friedens, vom Hüter der Seelen, von der Mutter der Heilung und Wandlung, vom Engel der Tiere, dem Bewahrer der Pflanzen, der Kraft des Lebens, dem Klang der Wesen, der Stimme des Berges und dem Rauschen des Meeres. Die 81 Texte sind so unterschiedlich, wie die Wesenheiten verschieden sind, deren Texte in diesem berührenden Band, der täglicher Begleiter sein möchte, gesammelt wurden. 81 Meditationen, 81 berührende Texte, die den Menschen unserer Zeit auf das Wesentliche zurückführen – hin zu sich selbst, aber auch hinausgewandt in die von Licht und Liebe durchpulste Welt, deren Herzschlag wir heute kaum mehr hören können, der immer schwächer wird. Diesen Herzschlag der Wesen durch Raum und Zeit wahrnehmen lernen, damit die Welt und uns selbst heilen dürfen, das vermitteln die Texte, die Urweisheiten sind, uns allen bekannt und doch vergessen, verdrängt, von Alltag zugeschüttet.
81 Mal fordern uns die Wesenheiten auf, uns auf ihren Gesang einzustimmen. 81 verschiedene Griffe auf die Welt, 81 Mal die Chance, uns selbst heilend und heilsam in die Welt hineinzustellen. Ein Schulungsweg für jeden, der auf der Suche ist, eine Schatzkiste für alle.
csc

Claudia gab ein Konzert. Warum?

Monika und Hans-Günter Heumann: Das große Buch der Musikerwitze. Mit Illustrationen von Andreas Schürmann. 184 Seiten. 14,95 Euro. Schott Verlag. ISBN 3-7957-0510-X

nach oben Das große Buch der Musikerwitze Musikerwitze sind legendär. Jeder Bratschist kennt mindestens 50 Gags über sein Instrument (und die meisten sind ja soo berechtigt). Dass aber auch Sänger, Bläser, Tastendrücker und andere Gegenstand bissig-humoristischer Darstellungen sind, zeigt das hervorragende Buch des Autorenduos Monika und Hans-Günter Heumann. Nie mehr Langeweile in Endlosproben. Warten auf zugigen Gängen wird künftig ebenso Spaß machen wie gerauntes Gekichere in der Orchesterprobe. Man braucht nur dieses hervorragende Buch und schon geht das Gewieher los. Es sind ein paar echte Kracher dabei, Klassiker freilich auch, aber auf alle Fälle in jedem Fall Garanten für brüllendes Gelächter. Die zwölf Kapitel lassen keine Wünsche offen, das jeweilige Instrument (oder ein Sinnbild bei Dirigenten, Sängern etc.) trennt die einzelnen Witze voneinander ab, auch die Musikkritiker sind bedacht. Insiderwissen ist nur begrenzt notwendig, die meisten Witze sind durchaus allgemeinverständlich. Klar kriegen auch ein paar Promis eine Extraladung Fett weg (Pavarotti!), aber das ist durchaus in Ordnung.
Ein Klavierspieler übt Béla Bartók. Bei einem reinen Dur-Akkord unterbricht er abrupt sein Spiel und stutzt: „Das war bestimmt falsch. Das klingt so schön.“ Oder der: Warum sind Bratschisten bei neuen CD-Einspielungen nicht zu hören? Weil man inzwischen mit moderner Technik Aufnahmen ohne jegliche Nebengeräusche produzieren kann. Und: Wie viele Griffe gibt es auf dem Kontrabass? Zwei: auf und zu. Wie nennt man es, wenn ein Bratscher sein Instrument aus dem Fenster wirft? Schöner wohnen. Noch einen? Gern: Was macht ein Tenor, wenn der Regen an die Fensterscheibe seines Zimmers prasselt? Er verneigt sich. Einer geht noch? Kürzeste Zeitungskritik: Claudia M. gab im Wiener Musikvereinssaal ein Konzert am Klavier. Warum?
csc

Mit Respekt und Liebe gegen den Bauchspeck

Heike Hinsen Isler: Wege zum Wohlfühlgewicht. Ernährungs-Psychologie für den Alltag. 25,– Euro. Zytglogge Verlag. ISBN 3-7296-0661-1.

nach oben Hinsen Industrienationen sind Tummelplätze für Fettmöpse. Kinder, die zu unbeweglichen Kugeln mutieren, Frauen, die Wert auf modische Details auch bei Größe 56 legen und Herren, die Bierbäuche transportieren, stehen der drahtigen, durchtrainierten, offenbar willensstarken, gesunden und aktiven Bevölkerungshälfte gegenüber. So zwischendrin ist fast unnormal, entweder so oder so. Infos übers Essen werden täglich in sämtlichen Medien ausgespuckt, mittlerweile sind die Frühjahrs- und Herbstdiäten ganzjährig en vogue, am Problem ändern sie dennoch nichts.
Dicke können sich einfach nicht beherrschen. Wo der normale Mensch seinen Ärger abjoggt, fressen sie sich voll, stopfen Ärger, Angst, Not, sonst was in sich hinein und wollen dann auch noch Baumwollkleider in frischen Farben im Zeltformat. Wer fett ist, ist unbeherrscht. Dicke mit dünnen Partnern fressen denen alles weg. Arme Kinder! Bluthochdruck, Diabetes, Gichtattacken, Dicke belasten das Gesundheitssystem und sind fleischgewordene Symbole des Wohlstands. Wer dick ist, muss doch bloß eines machen: sich mehr bewegen und weniger reinstopfen, aus die Maus. Kein Fett, tonnenweise Gemüse und Kohlenhydrate nur, dass der Zuckerspiegel stabil bleibt?
Liebe Dicke! Schluss damit. Warum sind wir dick? Hm? Weil wir uns in aller Regel für die lieben Mitmenschen den Hintern aufreißen, alles fernhalten an Ärger vom Partner, der es ja sooo schwer hat, den Haushalt schmeißen, arbeiten gehen, die kranke Oma pflegen, in der Kirche ehrenamtlich zig Pöstchen bekleiden und an Fasching in der Bütt stehen und die Menge zum Toben bringen. Oder nicht? Weil wir von klein auf gelernt haben, dass bei Kummer kein Aas hilft, wohl aber eine Tafel Schoki oder Eis. Nichts macht glücklicher als eine Tüte Chips und endlich mal gegen 23 Uhr ein netter seichter Film, nachdem wir von 5 Uhr morgens an gerödelt haben.
Heike Hinsen Isler, Ernährungsberaterin und Therapeutin in zig Richtungen, hat ein Buch geschrieben, das weiterhilft. Voraussetzung: Sie müssen massenhaft Geduld mitbringen, denn das ist kein nettes Lesebuch, das uns für drei Stunden vom Naschen abhält, sondern da geht es ans Eingemachte. Essen, weil uns keiner mal in den Arm nimmt? Essen als Stressabbau? Gegen Energiemangel? Jaja, alles. Aber, und das schafft Frau Hinsen Isler deutlich aufzuzeigen – wir sind nicht nur auf den Geschmackssinn angewiesen, wir haben auch Ohren, Augen, Nasen, eine Haut, so dass nicht immer alles über den einen Kanal laufen muss.
Das Buch ist ein gewaltiges Werk, inhaltlich und vom Umfang her. Teil I lautet „Einstieg ins Wohlfühlprogramm“, Teil II behandelt den Faktenteil: „Die Ernährung optimieren“ (ohne doppelt für den dürren Familienrest zu kochen!), Teil III widmet sich der „Ganzheitlichen psychologischen Einflüsse“ und dann gibt es einen ausführlichen Anhang bekannter Art mit Tabellen. Frau Hinsen Isler beherrscht das Repertoire: Angesprochen werden vom Buch nicht nur Augenmenschen, die alles via Schaubild sehen können, oder Ohrenmenschen, die sich die kurzen Merksätze wie Mantren vormurmeln, das Buch wechselt zwischen sachlicher Darstellung, Bildern, Tabellen, Listen hin zu Erfahrungsberichten und das ist dann wirklich der Griff ans Eingemachte. Lebensläufe lesen sich da, die man selbst zur Genüge kennt. Aha! Da gibt es also Muster, die zu erkennen sind, Codes, die man knacken kann und dann löst sich so mancher Knoten. Oder wissen Sie, wie viel Platz Sie um sich herum einnehmen, um sich wohl zu fühlen? Sehr aufschlussreich.
Auf den ersten Blick erscheint das Buch als optischer Totschläger – massenhaft Seiten, Schaubilder, Tabellen, Listen, Text. Aber durch den Wechsel zwischen den einzelnen Arten der Darstellung wird der Inhalt gegliedert, in Häppchen verteilt und aufgelockert. Es ist kein Lesebuch, es ist ein Stück harte Arbeit und man kommt vielleicht auch an den Punkt, an dem man erkennt – bei allem Willen schafft man es nicht allein, man braucht Hilfe. Das wäre dann aber ein weiterer Verdienst des Buchs: man kann sich eingestehen, dass man nicht immer alles selbst regeln kann und muss.
Ein sehr ausführliches, sehr fundiertes Buch, das aufzeigt, wie man sich selbst respekt- und liebevoll begegnet. Und das ist der wirklich allergrößte Dickmacher, der Mangel daran. Seien Sie mutig. Entdecken Sie den Menschen hinter dem Schutzwall und lassen Sie ihn frei.
csc

Um was geht es in der modernen Kunst?

Jens Hoffmann/Joan Jones: Art works: Aktion. Aus dem Englischen von Brigitte Beier, Beatrix Gehlhoff. 280 Seiten, kartoniert, reich bebildert mit ausführlichem Anhang. 24,90 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2558-6.

nach oben Diese Frage stellt sich ziemlich jeder Mensch, der sich einer Ausstellung zeitgenössischer Werke ausgeliefert sieht. Manches schaut ja noch irgendwie verständlich aus, bis der Ausstellungsführer den Mund aufklappt und den erstaunt-verblüfft-entsetzten Besucher totquatscht mit Theorien, die hinter diesem Wasserfleck auf dem Boden stehen. Moderne Kunst bedeutet: Kunst, die sich mit dieser Welt beschäftigt, in der wir leben, gerade, jetzt, eben. Die Künstler reflektieren also, was sie erleben und damit auch das, was wir erleben, wenigstens die globalen Dinge sind vergleichbar, wenngleich das individuelle Schicksal freilich auch gewaltigen Einfluss auf eine künstlerische Ausdrucksform hat.
Aktion ist der Band in einer Reihe, der sich mit dem Thema „Die Welt als Bühne“ beschäftig. Da gibt es viele Möglichkeiten: Performance, Installation, Video, Fotografie, Zeichnungen, Malerei, Tanz, Skulptur – eine gewaltige Bandbreite. Die beiden Autoren schaffen es, nicht nur herausragende Künstler vorzustellen, sondern auch noch, die Artikel so zu gestalten, dass mancher Aha!-Effekt den Stempel „moderne Kunst? Kannst vergessen, blickste eh nicht“ verblassen lässt. Was man nicht kennt, kann man nicht verstehen und so manches Werk tut man ab, dabei liegt es daran, dass man selbst keine Ahnung hat. Insofern schließt die Gestenbergreihe eine Lücke, die durchaus klafft. Alles rennt in die modernen Ausstellungen, doch seit Beuys Filzhut ist moderne Kunst offenbar einer sehr kleinen Gruppe von Gurus und Jüngern vorbehalten, die allein verstehen, was einen da anschreit, anstarrt oder anspringt.
Vielgestaltiges zeigt das Buch – Architektur ebenso wie skurrile Bilder, Xavier Le Roys verwirrende Körpersprache ebenso wie Werke von Abramovic, Calle, Friedl, Hanson (wer einmal ihren Skulpturen ausgewichen ist, vergisst sie nie, so echt sind sie), Kaprow, Krystufek, Pieroth, Schinwald, Sherman, Signer und vielen anderen. Die erklärenden Texte stellen Künstler und Ambition vor, der sehr gut erarbeitete Anhang gibt eine Kurzbiografie ebenso wie ein Werkverzeichnis, so dass der Leser, der sich auf die Fährte eines Künstlers begeben hat, sich selbst überlegen kann, wo und wie er seine neuen Erkenntnisse vertieft.
Ein Buch, das sehr anschaulich hilft, die Kluft zwischen Unkenntnis und Ansatz von Erkennen zu überbrücken, ein guter Querschnitt durch das Kunstschaffen unserer Zeit und so geschrieben, dass man die Absicht der Künstler begreift und sich so ihren Werken ganz anders annähern kann als vorher.
Die zahlreichen Abbildungen, die sorgfältig den Texten beigesellt sind, helfen ausgezeichnet, einen anderen Blick – möglicherweise überhaupt erst einmal einen Einblick – in die Arbeitsweise und die Intentionen der Künstler zu bekommen, wobei die meisten Bilder ihrerseits wieder Kunst sind.
Wie sagen die Autoren so treffend: „Die Kunstwerke, die hier vorgestellt werden, spiegeln die Erkenntnis wider, dass jeder von uns nicht einfach „ich“ ist, sondern ein „Darsteller“, der seine Rolle auf der Bühne des Lebens spielt. So tragen sie dazu bei, die Welt, in der wir leben, zu verstehen“. Diese Aufgabe bewältigt das Buch. Und noch eine dazu: Die Welt einmal mit den Augen anderer Menschen zu sehen, den kritischen Künstleraugen, den träumenden, den fragenden, eröffnet mitunter ganz neue Horizonte!
csc

Gehört in jeden Haushalt!

Barbara Hübner: Aus Barbara Hübners feiner Würzküche. Band 1: Gerichte mit Getreide; Suppen und Nachspeisen, Frühstücks- und Abendgerichte. 272 Seiten, gebunden. 22,– Euro. Verlag Freies Geistesleben. ISBN 3-7725-0785-9.

nach oben Hübner1 Barbara Hübners zweibändiges Werk ist das, was früher der „Oetker“ war – man sollte es jedem Paar auf den Hochzeitstisch legen. Nicht nur, weil sein Inhalt so grundlegend ist – alles (wirklich alles) über die gerade für Anfänger oft nicht einfache Getreideküche –, sondern auch, weil es so ansprechend gestaltet ist. Es werden keine farbigen Hochglanzfotos von Rosenkohlgerichten oder ansprechenden Büfetts gezeigt, hier sind es der gezeichnete Apfel, das gezeichnete Getreide, die sorgsame Schrift und die vielen kleinen Bilder am Rand, die Lust aufs Kochen machen.
Getreideküche ist für manchen Naturkostanfänger ein Buch mit sieben Siegeln. Eine eifreie, fleischlose Ernährung überfordert nicht wenige Menschen, die von ihrem Arzt dazu „verdonnert“ wurden, fortan ihre Ernährungsgewohnheiten umzustellen. Wer dann lustlos Pumpernickel kaut und sich wundert, dass immer noch nichts an Verbesserungen im Leben spürbar werden, braucht dieses Buch, er wird sich damit eine neue Welt erschließen.
Barbara Hübner erläutert am Anfang die Küchenpraxis, stellt die Geräte vor, die man braucht (eine Ernährung, die den Namen verdient, kommt in aller Regel ohne gigantische Hightechausrüstung aus. Man braucht eine gute Getreidemühle und einen Fleischwolf, um anzufangen, manches Gerät wird man sich später anschaffen), und erläutert, weshalb das Buch so viele Suppenrezepte enthält. Da die Kenntnis um die eigene Zubereitung von Gerichten offenbar inzwischen manchen Menschen sehr fremd geworden ist, weil Essen aus Tiefkühlboxen kommt, die man in der Mikrowelle erwärmt, erklärt Barbara Hübner die grundlegenden Nahrungsmittel und schildert, wie man Getreide behandelt. Eine praktische Tabelle zum an den Schrank-Hängen liegt bei. Und dann geht es auch schon los: Suppen als Vorspeisen, Suppen als Hauptgericht, Obstgerichte, Getreidegerichte mit Milch, knusprige Beilagen und Aufstriche – machen Sie sich mutig auf Entdeckungsreise. Manche Gerichte muss man mehrmals machen, denn wer gänzlich ungeübt ist, hat noch nicht das Gespür, wie fest oder weich etwas sein muss, damit es gelingt. Und man macht eine ganz wesentliche Erfahrung: Essen fängt beim Einkaufen an. Wer nicht bewusst einkauft, hat hinterher eine Menge unverwertbaren Abfall. In Barbara Hübners Küche gibt es keinen Abfall. Man lernt so nicht nur, verantwortungsbewusst einzukaufen, sondern auch sinnvoll weiterzuverwerten und auszunutzen. Dass die Gerichte dann auch allesamt gut schmecken, ist die Krönung der Mühen. Wer sich die Grundsätze, die dieses Buch vertritt und nahe legt, zu eigen macht, wird reich beschenkt: Er wird zum Essen einen anderen Bezug bekommen. Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern die Zubereitung ist schon etwas Besonderes, auch wenn es Alltag ist: Lebensmittel sind wertvoll, und man sollte sie auch so behandeln. Wer mit dieser Haltung an den Herd tritt, wird sein Essen hinterher auch anders zu sich nehmen und genießen. Dann stimmt auch der alte Spruch wieder: Essen hält Leib und Seele zusammen. Wer ein Geschenk für sich und junge Familien sucht – hier ist es.
csc

Nach der Vorspeise das Hauptgericht

Barbara Hübner: Aus Barbara Hübners feiner Würzküche. Band 2: Hauptgerichte mit Getreide, Gemüse, Obst. 304 Seiten, gebunden. 22,– Euro. Verlag Freies Geistesleben. ISBN 3-7725-0817-0.

nach oben Hübner2 Wer mit Barbara Hübner schon die Vorspeisen und Abend- und Morgengerichte aus Band I gekocht hat, ist froh, dass mit Band 2 die Lücke gefüllt wird: Mittagessen! Auch wenn heute in vielen Haushalten das Mittagessen flach fällt, weil keiner daheim ist, und am Abend eher lustlos schnell was in den Topf geworfen wird, so man nicht gleich den Pizzaservice bestellt, gilt: Wenn Kinder mit in der Familie sind, schaut die Sache anders aus. Wo Kinder sind, gibt es wenigstens in den ersten Lebensjahren geregelte Mahlzeiten, denn ohne Rhythmus kann Erziehung nicht klappen. Wie bedeutsam die Ernährung ist, lernen wir gerade anhand alarmierender Zahlen aus dem eigenen Land: Übergewicht, Herzkrankheiten, Diabetes sind mittlerweile auch in Deutschland angekommen und zwingen die Politiker zu Überlegungen, auch auf Hamburgern und fetten Würsten ein Warnschild anzubringen: Essen gefährdet Ihre Gesundheit! Der Selbstmord mit Messer und Gabel hat eine neue Dimension bekommen, Essen gilt in diesem Land als Sache, die man zwischen zwei Dates erledigt, möglichst nicht selbst. Kochen ist keine Selbstverständlichkeit mehr, Nahrungsmittel kommen aus der Flachschale, mikrowellengeeignet und vorgewürzt, der kleine Hunger zwischendurch wird mit Riegeln gestillt. Möglicherweise wird die immer stärker um sich greifende Finanzkrise vieler Menschen dazu bringen, wieder „daheim“ zu essen und das kann manchem das Überleben sichern, der sich sonst in den Infarkt gefressen hätte.
Barbara Hübner steht für sorgsam hergestellte Gerichte. Das kostet Zeit. Das macht richtig Arbeit! Getreide muss man erst einweichen, dann kochen, durch den Fleischwolf drehen, daraus Bratlinge formen – das dauert! Meine Güte! Was hat man davon? Eine Menge. Sie können aus einem harmlosen, harten Getreidekorn ein Gericht machen, das bei Ihrer Gesundung hilft. Sie sind nicht mehr abhängig von Industriefraß, Sie können kreativ würzen und experimentieren, tun sich selbst etwas Gutes und lernen – Nahrungsmittel sind wertvoll, nicht nur aufgrund ihrer Inhaltsstoffe, sondern weil sie uns lehren, sorgsam mit der Welt umzugehen.
Frischkost und Gemüse, Klöße, Pudding, Soßen, Back-, Bratlinge und Schnitten, Pfannkuchen (jaja, nicht die Schüttelflaschen aus dem Discounter, in die man noch Milch kippt und das Ganze dann in eine Pfanne wirft, das ist nicht gemeint), Teige, Gemüsekuchen, Pizzen, Getreide als Umhüllung, Aufläufe und Delikates für besondere Gelegenheiten sowie Getränke – alles, was in Band 1 nicht enthalten war, ist hier gesammelt. Es ist eine wahre Freude, sich durch das Buch zu kochen und zu spüren, wie die Geschmacksnerven immer sensibler werden, wie das Essen einen anderen Stellenwert bekommt, wie gut Getreide schmeckt. Barbara Hübner hat ihrem Vorwort ein Motto von Bircher-Benner beigegeben, das auch über ihrem Buch stehen könnte. „Ernährung ist nicht das Höchste im Leben, aber sie ist der Nährboden, auf welchem das Höchste verderben oder gedeihen kann.“
csc

Menschen-Lehrerin

Margit Jünemann: Der Winter weicht. Caroline von Heydebrand. Pionierin der Waldorfpädagogik. 240 Seiten mit zahlreichen Schwarzweiß-Abbildungen. Gebunden mit Schutzumschlag. Verlag Freies Geistesleben. ISBN 7225-1886-9.

nach oben 33 Jahre war sie alt, die zarte Caroline von Heydebrand, als sie 1919 an der Gründung der ersten Waldorfschule teilnahm. Literatur und Philosophie hatte die 1886 geborene junge Frau studiert, Novalis war ihr besonders ans Herz gewachsen, der kleinen Frau, die als zweites von insgesamt neun Kindern in Breslau geboren wurde. Der Vater, aus altem schlesischem Adelsgeschlecht stammend, bekam schon als vierjähriger Knabe Schulunterricht und studierte Jura, später übernahm er das Landratsamt des Kreises Breslau. Die Mutter hatte als junge Waise eine hervorragende Ausbildung in der Niederlössnitzer Stiftung in Dresden erhalten und sie blieb lebenslang offen für geistige und kulturelle Fragen.
Die Familie hatte sechs Söhne und drei Töchter, doch Caroline blieb bis ins Alter von 16 Jahren das einzige Mädchen. Die Brüder schildern Caroline als lebhaftes, phantasievolles, kluges und willensstarkes Persönchen. Trotz ihrer Zierlichkeit war Caroline durchaus ein angesehenes Mitglied der „Bande“ und der einzige Wermutstropfen blieb ihre zarte Stimme.
Der Tod des Vaters erlebt Caroline als einschneidendes Erlebnis, der Vater war nur 49 Jahre alt geworden. 1909 beginnt Caroline ihr Studium, das sie nach München, Berlin, Basel und Greifswald führt. In München bekommt sie Kontakt zur Anthroposophischen Gesellschaft, die gerade in den Jahren ab 1910 eine Blüte erlebt. Caroline von Heydebrand lernt das Ehepaar Steiner kennen und vertieft sich in die bis anhin greifbaren Schriften. „Nebenher“ bewältigt sie ihre Dissertation über Novalis, doch für Frauen war ein Erwerb des Doktortitels damals in Berlin nicht möglich, das gelang ihr erst 1919 in Greifswald.
„Ein kleines Stimmchen, aber ein sehr begabter Geist“ – so urteilte Steiner über die zierliche Caroline von Heydebrand. 1919 begann sie mit dem Unterricht an der neugegründeten ersten Waldorfschule.
Jünemann zeichnet das Leben der bedeutenden Pädagogin, deren Werk „Vom Seelenwesen des Kindes“ für Lehrer und Eltern gleichermaßen bis heute eine „Urquelle“ ist, sensibel und anschaulich in vielen Zeugnissen nach. Das Lebenswerk, der Unterricht, die Freundschaften, von Heydebrands Herausgeber- und Vortragstätigkeit und ihr Unterricht in Holland und England werden geschildert. Besonders interessant ist der sehr viel Raum umfassende Anhang mit Aufsätzen, Briefen und Dokumenten, in denen weitere Facetten dieser berühmten Lehrerpersönlichkeit beleuchtet werden. So erscheint Caroline von Heydebrand aus verschiedenen Blickwinkeln, so bleibt dem Leser das Bild der zarten Person mit den großen Seelenkräften intensiv vor dem inneren Auge stehen.
csc

Wissen ist Macht

Klaus Kobjoll/Dagmar P. Heinke: No risk no fun. Ihr Weg in die Selbständigkeit. 192 Seiten, gebunden. 29,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-05001-4.

nach oben Wie wird aus einem Existenzgründer ein erfolgreicher? Wer Klaus Kobjoll und Dagmar Heinke kennt, weiß: In diesem Ratgeber darf er keine Weichspülversion Marke „Träum dich frei“ erwarten. Kobjoll und Heinke sind nicht die Kandidaten für die softe Masche, die fettes Geld bei wenig Aufwand selbst mit schwächster Idee versprechen. Wer wirklich seinen eigenen Laden aufziehen will, sei es nun als Einzelkämpfer oder mit Blick auf eine später weiter auszubauende Firma, braucht vor allem Eines: Wissen, wenn man davon absieht, dass die Firmenidee nicht nur blendend sein muss, sondern der neue Chef auch ohne Wenn und aber davon überzeugt sein muss. Wer sich selbstständig machen will, darf nicht an sich zweifeln, aber er darf vor allem eines nicht sein: naiv und blauäugig.
Was braucht ein Selbständiger? Spaß, sagen die Autoren und ein paar wesentliche Lernschritte. Von der Vision zur Idee, Selbstanalyse, Prüfen der Geschäftsidee, Wer nichts wagt, der nichts gewinnt, Spielregeln der freien Wirtschaft, Mitspieler, Marketing und PR, Financing, Krisenmanagement, Frauenpower, Soft Skills, Benehmen und Klamotten, Tendenzen sind die Kapitelüberschriften, die das Autorenteam gewählt hat und wer nicht sehenden Auges in die Katastrophe rasen will, sollte das Buch als wirkliches Arbeitsbuch nehmen. So ist es konzipiert, so ist es gedacht und nur so nutzt es auch. Flüchtig durchlesen und sagen „Ach, wird schon nicht so dick kommen“ outet nur den Unfähigen, der besser auf relativ niedriger Hierarchiestufe um Lohn und Brot woanders bittet, aber nicht im eigenen Unternehmen.
Wie bei orell füssli üblich, sind die Autoren nicht nur erfahrene Fachleute, sondern das Buch ist gut gegliedert, übersichtlich gestaltet und mit Grafiken aufgelockert, die den visuellen Lerntypen entgegen kommen. Wer sich an das „Tacheles reden“ gewöhnt hat, bemerkt rasch, dass es Kobjoll/Heinke hier darauf ankommt, die Realität zu zeigen, denn Träume sind zwar nützlich bei der Ideenfindung, hinterher aber eher hinderlich, um die Augen offen halten zu können, damit man alles im Griff hat.
Wer ohne Geld loslegt, hat ebenso wenig Chancen wie ein kundenorientierter Dienstleister, der in abgeschlurftem Outfit meint, es käme nur aufs Innere an oder der Chaot, bei dem die Regale überquellen und der Kunde Sorgen hat, er befände sich in einer Art Antiquariat für Moderne, auch wenn es ein PC-Fachmann ist.
Beispiele aus dem Schindlerhof, den Kobjoll erfolgreich führt, zeigt: Erfolg zieht Erfolg an und wer was leisten will, außergewöhnliche Dinge tun und ebenso Geld verdienen will, muss eines wissen: Arbeit ist nicht auf dem Liegestuhl daheim zu schaffen und wer sich nicht nach allen Regeln der Kunst in seine Aufgabe hängt, sollte besser Museumswärter werden. Erfolg ist in erster Linie neben der hervorragenden Geschäftsidee und dem richtigen Zeitpunkt, damit auf dem Markt aufzutreten, vor allem harte Arbeit. Das allerdings verschafft eben auch die innere Zufriedenheit, wenn es klappt.
Dass nicht immer Tage der Rosen angesagt sind, wissen Kobjoll und Heinke aus eigener leidvoller Erfahrung. Im Durchstehen von Durststrecken zeigt sich der wahre Besessene, trennt sich dann schon mal die Spreu vom Weizen. Auch für diese unangenehmen Phasen haben die Autoren Vorschläge bereit. Und immer wieder wird dem Neuling eingehämmert: Nutzt alle Informationskanäle! Holt euch das notwendige Wissen! Tausendmal fragen, bis etwas klar ist! Dranbleiben! Beratungsstellen aufsuchen und ansonsten nach dem Schindlerhofmotto durchhalten: You can’t stop the waves, but you can learn to surf!
Für Existenzgründer und noch Unentschiedene ist dieses Buch eine wirkliche Entscheidungshilfe, denn es macht klar: Wer nicht wirklich Biss hat, sollte lieber woanders spielen. Und wer unter Selbständigkeit viel Geld und wenig Arbeit versteht, ist auf dem falschen Dampfer, wer eine üble Idee auf den Markt schmeißen will und noch eine Menge anderer Fettnäpfchen genussvoll trifft, ist dann schon wieder ein Kandidat fürs Fernsehen. Kein Buch für Sensibelchen, denn es zeigt die Realität. Deshalb ausgesprochen nützlich für die Leute, die wirklich raus wollen mit ihrer Idee und die Ziele und Pläne und Wünsche und gute Nerven haben.
csc

Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen

Klaus Kobjoll, Roland Berger, Rolf Widmer: TUNE. Neue Wege zur Kundengewinnung und -bindung. 173 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. 29,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-05098-7.

nach oben Kobjoll2 Klaus Kobjoll ist mit seinem Tagungshotel Schindlerhof führend in seinem Bereich. Gleichzeitig ist er ein gefragter Management-Trainer. Wenn er sein Hotel mit einem Schiff vergleicht, dann ist sein neuer Titel „TUNE“ eine Art Logbuch, in dem er die Instrumente beschreibt, mit denen das Team seines Hauses ihre Dienstleistungen jeden Tag aufs Neue überprüft und verbessert. Wer Kobjolls Bücher kennt, weiß, dass ihm ein durchdachtes und vor allem praxiserprobtes Konzept vorgestellt wird, das jedem helfen kann.
Kobjoll stellt klar fest: Der Erfolg eines Unternehmens steht und fällt mit den Mitarbeitern. Hat man gar kein Konzept, ist ein Unternehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt, an solche „Firmen“ richtet sich das Autorenteam auch nicht. Das Buch ist an die adressiert, die ein klares Konzept haben, für die Quality Management unabdingbar ist und die den Willen haben, jeden Tag an der Verbesserung ihres Kundenservices zu arbeiten. An alle also, die in der obersten Liga mitspielen wollen. An die, die begriffen haben: Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen. Man muss den Satz zweimal lesen, ehe man seinen tieferen Sinn begriffen hat.
TUNE ist ein neues Konzept, das ein hochsensibles Messinstrument darstellt: T stehtfür Touched by the spirit, U für unterstützt durch sichere Abläufe, N für natürliches Wohlbefinden und E für Energie. Das ist alles? Täuschen Sie sich nicht, dahinter steckt ein ganzer Kosmos.
Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein Hotel (eine Reinigung, eine Parfümerie, es ist im Grunde egal, überall, wo Sie eine Dienstleistung haben möchten). Hinter der Rezeption lungert ein etwas verlotterter Typ mit ungekämmtem Haar, Fluppe im Mund und telefoniert ungerührt mit „Mausi“. Sie sind versucht, auf die Klingel zu hämmern. Werden Sie in diesem Hotel noch einmal absteigen oder juckt es Sie schon am Rücken, weil sie förmlich kleine Tiere auf dem Kopfkissen krabbeln sehen?
Angenommen, Sie sind der total genervte Vater von fünf Kindern und betreten mit ihrer Schar, die seit exakt drei Stunden nur einen Satz kennt: „sind wir bald daahaaaa?“, und mit Ihrer streitsüchtigen Ehefrau, von der Sie sich am liebsten auf der Stelle trennen würden, ein Hotel. Eine nette Dame am Empfang verteilt als Erstes an die Quälgeister eine kleine Süßigkeit und ein Bilderbuch, nachdem sie Sie und Ihre Frau freundlich begrüßt und Ihnen einen Begrüßungscocktail in die Hand gedrückt hat, während sich ein Azubi um die Kleinen kümmert. Sie checken ein, währenddessen hat ein Page das Gepäck nach oben gebracht. Beim Abendessen kurz darauf veschwinden Ihre Kinder. Ein Azubi nimmt sie mit auf eine Entdeckungsreise durchs Hotel, in dem am Ende eine leckere Kindermahlzeit steht. Sie können das este Mal an diesem Tag durchatmen und stellen fest – Ihre Frau schaut doch besser aus als Sie in Erinnerung hatten. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihre goldene Hochzeit in diesem Haus verbringen?
Das Drumherum macht es und wie viel Arbeit in diesen „Kleinigkeiten“ steckt und welcher Aufwand es ist, jeden Tag, wenn sich der „Gästevorhang“ hebt, eine perfekte Aufführung hinzulegen, weiß Kobjoll ganz genau. Er lebt es jeden Tag. Und er hat eines begriffen: Je besser ein Team ist, also je gründlicher Arbeitsabläufe trainiert wurden, je besser die Leute geschult sind und je optimaler die einzelnen Mitarbeiter an ihren jeweiligen Schaltstellen eingesetzt sind, desto stärker kann sich der Angestellte um das Wesentliche kümmern: den einzelnen Gast.
Wer als Mitarbeiter nicht aus jeder Pore den Geist des Unternehmens atmet, weil er sich mit dem, was er tut und vertritt, voll und ganz identifizieren kann, hat schlechte Karten, im Unternehmen alt zu werden. Was man nicht verinnerlicht hat, steht einem fern. Ferne Dinge behandelt man anders als eigene. Sichere Abläufe, Handgriffe, die tausendmal trainiert sind, Checklisten, die beim Überprüfen helfen und es möglich machen, dass von der obersten Hierarchie bis zum jüngsten Stift alle notfalls das Programm abspulen können helfen ebenfalls, das Augenmerk mehr auf das zu richten, was vom Gast kommt, weil das, was man tun muss, eben perfekt klappt. N, das natürliche Wohlbefinden, macht klar: Wo sich Kunde und Angesteller wohl fühlen, sich gern aufhalten, weht ein anderer Wind. Und E steht einfach für die Begeisterung, die man seiner Arbeit entgegenbringt. Tue, was du tust, fordern die alten Chinesen und Achtsamkeit ist eine Forderung nahezu aller Handbücher moderner Gurus. Nichts anderes steckt hinter dem E.
In acht Kapiteln zeigt Klaus Kobjoll, wie die TUNE-Faktoren in seinem Unternehmen umgesetzt werden, erläutert sie und gibt somit ein Hilfsmittel an die Hand, das die weichen Faktoren eines Unternehmens einen gewaltigen Schritt nach vorne bringen kann. Seminare etc., alles gut und schön, entscheidend ist, wie der Bauer sagt, was hinten rauskommt – wie nimmt das Team die neuen Ideen auf? Kommen die an? Kann man es umsetzen? Hier liegt Kobjolls Stärke: Wer nicht durchdrungen ist von den Zielen, die er sich selbst setzt, wird nie was leisten. TUNE ist ein relativ einfaches Hilfsmittel, die „unberechenbaren Faktoren des Menschseins“ besser zu bewältigen. Wie man das System auf die eigene Unternehmung anwendet, bleibt jedem selbst überlassen, es ist flexibel genug, dass es sich so ziemlich jeder Dienstleister überziehen kann. Wie notwendig solche Methoden in der Dienstleistungswüste Deutschland sind, wird beim Lesen erst wieder deutlich. Und man möchte eigentlich am liebsten eines machen – sich ins Auto setzen und ein Seminar im Schindlerhof besuchen. Um zu erleben, wie das umgesesetzt wird, was man nun theoretisch so hervorragend, brillant und mit Nachdruck formuliert, begriffen hat. Und man hat regelrecht Biss gekriegt, am nächsten Morgen in dem Lotterladen, in dem man so dahindöst, alle Fenster aufzureißen und gründlichst mit dem eisernen Besen auszukehren.Wer Näheres zum Schindlerhof sucht:www.schindlerhof.de
csc

Hilfe zur Selbsthilfe

Anja Kolberg: Die richtige Idee für Ihren Erfolg. 88 Erfolg versprechende Gründungsideen. 184 Seiten, Paperback. 15,90 Euro. mgv-verlag. ISBN 3-478-85360-5.

nach oben Sie möchten selbständig werden, wissen aber nicht genau, in welchem Bereich? Dieses Problem kennt Anja Kolberg, erfolgreicher Coach, ganz genau. Steigende Arbeitslosenzahlen zwingen viele Menschen in die Selbständigkeit, wenn sie nicht als Zahl in der Statistik untergehen wollen. Fähigkeiten werden unter die Lupe genommen, Wünsche entmottet und auf ihre Tauglichkeit geprüft. Gründungsseminare und -workshops helfen weiter, wenn die Ideen ausgereift sind, aber wer hilft auf der Durststrecke zwischen der Vorstellung des Konzepts bei der Bank und der einsamen Idee, die man auf einer Parkbank gefasst hat?
„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht deine Männer zusammen, um Holz zu beschaffen und um die Arbeit zu verteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer“, dieser Satz von Antoine de Saint-Exupéry steht sicherlich über allen Unternehmensgründungen. Die Sehnsucht, mit einem selbst entwickelten Konzept erfolgreich an einem übersättigten, engen Markt auftreten zu können, ist die einzige Triebfeder. Das ist die eine Seite, die andere ist die: Was mache ich? Hier setzt Kolbergs Buch an: Überschaubar, mit vielen Praxisbeispielen, klar und gut verständlich formuliert und vor allem gegliedert führt sie die Leser an viele Gesichtspunkte auf dem Weg zur Firmengründung heran. Sie lässt ausloten, wo Stärken und Schwächen liegen, führt diverse Bereiche vor, in denen gute und neue Ideen gebraucht werden und stellt dann ein Konzept vor, mit dem aus der Idee dann auch wirklich eine vermarktbare Firmenidee wird. In Schritt-für-Schritt-Erklärungen arbeitet sich der Firmengründer durch die einzelnen Punkte durch, bis hin zum Probetraining für die Präsentation des Konzepts vor Geldgebern. Aber hier ist der Weg nicht zu Ende, Kolberg führt ihn weiter über die Gründung hinaus und weist auf Einbrüche und Probleme hin, die am Anfang vollkommen normal sind, dennoch leicht zu Panikreaktionen führen können.
Typisch für Kolbergs Bücher ist, dass sie den Menschen nicht nur von seiner Arbeitskraft her definiert, sondern den Gesamtmenschen mit einbezieht. Körperliche Fitness ist ebenso entscheidend, wenn man erfolgreich sein möchte, wie mentale Stärke, ein Rückhalt in der Partnerschaft oder Familie ist eine wichtige Voraussetzung, wenn Krisen zu bewältigen sind. Kolberg vergisst die kleinen Pausen nicht, die im Eifer des Gefechts zum Nachteil für die Gesundheit so gern übersehen werden und die eingefügten Zitate an den Kapitelanfängen sind Kleinode zum über den Schreibtisch-Hängen als Kraftspender für zwischendurch. Checklisten und Schaubilder helfen, wichtige Kleinigkeiten nicht zu vergessen und immer wieder finden die Leser Angebote, wo man Hilfe für spezielle Probleme bekommt. Ein Ratgeber im besten Sinne und vor allem so geschrieben, dass man sich an die Hand genommen fühlen kann und weiß, dass man nicht alleine mit seiner einsamen Idee dasteht, die sogar die eigene Familie für „spinnert“ hält, sondern dass man – allen Unkenrufen zum Trotz – vielleicht doch mal versuchen sollte, seine Träume zu leben, anstatt sein Leben zu träumen. Das Buch ist von der Sprache her eher für Frauen, denn es macht so viel Mut, stärkt das Selbstbewusstsein und gibt einem bei allen Hängern zwischendurch wieder kleine Energiekicks, dass man sich begleitet fühlen kann auf diesem schwierigen Weg.
csc

Umfassendes Menschenbild

Ernst-Michael Kranich: Der innere Mensch und sein Leib. Eine Anthropologie. 408 Seiten mit zahlr. Schwarzweiß-Abbildungen. Gebunden, Schutzumschlag. 29,– Euro. Verlag Freies Geistesleben. ISBN 3-7725-1865-6.

nach oben Was ist der Mensch? Ein Lebewesen, das von einer Steuerungszentrale aus, Gehirn genannt, gelenkt wird? Was wissen wir von uns? Wir kennen unsere Wünsche, Ziele, Abneigungen und Vorlieben, aber was wissen wir eigentlich über die Organisation unseres Körpers, über Seele und Geist? Wie sind wir gebaut?
Ernst-Michael Kranich hat mit dem vorliegenden Grundlagenwerk eine Basis für Pädagogen, Mediziner, Therapeuten, aber auch interessierte Laien geschaffen, das eine Zusammenschau der verschiedenen Aspekte des Menschen bietet: anatomische, morphologische, physio- und psychologische Momente werden dargestellt und erläutert. Wesentliches Merkmal des Buches ist die gründliche Einführung, die sehr sorgsam ausgearbeitete Beschreibung der Organe und ihrer Funktion, aber, und das hebt das Buch von anatomischen Werken vollkommen ab, es geht Kranich nicht nur um eine Darstellung des „Was“, sondern eher um ein „Wie“. Wie funktioniert die Niere? Was wird tätig in uns, wenn die Niere arbeitet, was geschieht, wenn sie das nicht tut? Was spürt ein Mensch, wenn ihm etwas „an die Nieren geht“? So arbeitet Kranich das menschliche Nerven-Sinnessystem und die Atemorganisation von verschiedenen Seiten durch, der Leser erfährt so manchen Zusammenhang, begreift nun erstmals vielleicht, wie eng verzahnt die menschlichen Wesensglieder sind, wie das eine auf das andere wirkt. Es funktioniert im Körper nichts „automatisch“, alles ist miteinander eng verquickt und das, was im Körper geschieht, sind fließende Prozesse.
Dem Blut widmet Kranich besondere Aufmerksamkeit als Träger des Ich und so werden auch hier Aspekte ins Licht gerückt, die bislang zu wenig Aufmerksamkeit erfahren durften. Herz, Leber, Galle, Niere sind wesentliche Organe, die Kranich beschreibt und deutet.
Das Buch ist kein Lesebuch, aber auch kein anatomischer Atlas. Es ist eine Gesamtschau, indem es beschreibt, was man sehen kann, schildert, wie ein Organ funktioniert, aber schlussendlich wird klar, dass alle Erkenntnisse erst in der Zusammenschau eine angemessene Würdigung erfahren. Der Mensch ist mehr als eine relativ ähnlich aufgebaute Maschine mit auswechselbaren Ersatzteilen, der Körper gestaltet sich beständig neu und reagiert damit auf Einflüsse von innen und außen, wir leben täglich eine Metamorphose, das eine entwickelt sich aus dem anderen.
Wer sich einmal mit seinen organischen Grundlagen vertraut machen möchte und keine Scheu hat, Gedanken nach-zu-denken, die neue Aspekte des Menschseins bringen und wer bereit ist, den Leib als nur einen Bestandteil des Gesamtsystems Mensch zu betrachten, ergänzt durch Ich, Seelenglieder und Geist, wird dieses Werk mit großem Gewinn in die Hand nehmen, begreift man doch manches besser, entdeckt vielleicht gar zum ersten Mal, wie man selbst leiblich aufgebaut ist und wie stark die Verzahnung der einzelnen Organe sind. Das Buch ist eines der Werke, die man immer wieder zur Hand nimmt und sich einzelne Aspekte herausgreift und sie durchdenkt. Insofern ist es gut geeignet, ein „Lebens“-Werk zu sein. Und endlich befreit man sich von der Vorstellung, dass das Gehirn wie ein General über dem Leib thront, seine Befehle sendet und der Rest dann „funktioniert“. Leider oder zum Glück sind Menschen ein bisschen schwieriger gestrickt. Wie kompliziert (und was das bedeutet für uns!), merkt man erst beim Lesen und man bekommt eine ganz neue Achtung vor dieser „Maschine“, die uns durch das Leben trägt.
csc

Reif für die Insel?

Ben Kubassek: Burnout. So gewinnen Sie neue Lebensfreude und bleiben trotzdem erfolgreich. 176 Seiten, kartoniert. mgv Verlag. ISBN 3-478-08371-0.

nach oben Ehrlich – erst beim Rezensionsschreiben ist mir aufgefallen, dass der Titel ausgesprochen unglücklich ist. So gewinnen Sie neue Lebensfreude und bleiben trotzdem erfolgreich. Schließen sich also Lebensfreunde und Erfolg irgendwie aus? Hm. Lassen wir das, sonst fangen wir schon beim Titel das Grübeln an.
Sollten Sie bereits die Guru-Literatur wie Norman Vincent Peale, Zig Ziglars zackige Thesen und die gesamte Hühnersuppe-für-die-Seele-Reihe verschlungen haben wie ich, werden Sie auch dieses Buch ohne großen Schaden überstehen. Suchen Sie Hilfe bei Burnout, könnte es allerdings ein wenig schwierig werden, vor lauter Berichten und Erzählungen Fakten zu bekommen.
Wie üblich bei Büchern dieses Genres, werden hier wenige Weisheiten in gewaltigen Redeschwall verpackt. Und über allem thront der liebe Gott, dem Sie ruhig ein gerüttelt Maß an Burnout abtreten können, denn Sie sind in seiner Hand. Besser gesagt: Sogar Sie.
Wir haben einen Autor vor uns, der wie alle Amerikaner dynamisch und erfolgreich ist (sagt er). Eines Tages ist er das nicht mehr, peng, der Boden kracht ein und er leidet an Burnout. Ja. Das passiert auch Helden. Doch er wäre ja gar kein richtiger Held, würde er sich nicht an die Sonntagsschule und Mamas Weisheiten erinnern, jawohl. Und wie einstmals Münchhausen hebelt sich auch Ben Kubassek aus dem Sumpf und gewinnt Lebensfreude. Jawohl. Er lacht wieder. Na Gott sei Dank, im wahrsten Sinn des Wortes.
Wollen Sie auch morgens mit Ihrer Frau beten, damit Sie einen guten Start in den Tag kriegen? Dann los. Mit Sicherheit ist das nicht der übelste Tagesanfang, wenn Sie gläubig sind. Unter der Dusche kann man Zeitpläne machen und bitte sortieren Sie endlich mal den unwichtigen Kram aus Ihrem Leben. Es gibt wenig, was wichtig ist. Umarmen gehört dazu. Umarmen Sie ab sofort alle und alles, denn dann schwingt das Glück in Ihre Richtung, notfalls die Faust dessen, der gar nicht gern angefasst wird. Probieren Sie es sicherheitshalber erst im privaten Rahmen, unser Land ist noch nicht ganz reif für diese Technik.
Tests zur Selbsteinschätzung, nette Comics, unzählige Listen, was man tun und was man lassen sollte und die durchaus richtige Erkenntnis, dass menschliche Niederungen (Gier etc.) oft zu Burnout führen, wechseln sich mit Geschichten und Berichten der eigenen Erfahrungen Kubasseks ab. Sagen wir mal so – solange Sie lesen, kriegen Sie keine Depressionen ob Ihres eigenen Burnout. Ob es helfen mag, wenn Sie kein Amerikaner sind und God bless you von Anfang an aufgesaugt haben, sei ein wenig dahingestellt. Vielleicht haben wir auch bloß Scheuklappen und deshalb müssen wir einsam am Burnout sterben. Jawohl.
csc

Ganzheitlich führen – aus dem Vollen schöpfen

Sascha Kugler: Das Alchimedus-Prinzip. Die ganzheitliche Unternehmerstrategie. 250 Seiten, gebunden. 29,80 Euro. Verlag Orell Füssli. ISBN 3-280-05126-6.

nach oben Paulo Coelhos „Alchimist“ klebt in den Bestsellercharts und bricht als Hörbuch alle Rekorde. Coelho trifft den Nerv der Zeit, was Kritiker bezweifeln, doch die Lesermasse hat selbst entschieden. Sascha Kugler hat für sein Buch „Das Alchimedus-Prinzip“ bei Grundgedanken Coelhos Anleihen genommen und entwickelt dennoch eigenständig sein ganzheitliches Führungskonzept für Unternehmen. Wie entwickelt man Strategien, die dem Unternehmen helfen, seine Stärken und Schwächen zu analysieren, sich am Markt zu positionieren und vor allem, diese Position zu stärken, auszubauen und zu verbessern?
Jede Einseitigkeit schadet, lautet Kuglers Botschaft. Ein Unternehmen braucht Strategien, die es ihm ermöglichen, im Inneren zu wachsen und sich zu entwickeln, denn nur, was im Inneren stark ist, seinen eigenen Weg gehen kann, hat Wurzeln, die im Sturm des Alltags stand halten und nur dann können auch die Flügel ausgebreitet werden, die den Aufstieg ermöglichen.
Drei Kräfte benennt Kugler, die lebensnotwendig sind: Der Mensch als erste Kraft, das Werkzeug als zweite und die Inspiration. Emotionale Intelligenz hat sich langsam herumgesprochen, dass ohne „Spirit“ nichts geht, schreiben sich viele Firmen auf die Fahne, aber mit der Verinnerlichung dieser Prinzipien hapert es immer noch. Zwischen der theoretischen Erkenntnis der Nützlichkeit von Inspiration, Kreativität und unternehmerischer wie menschlicher (das muss sich nicht ausschließen) Weisheit und der Umsetzung in klar definierte Strategien und Zielvorgaben ist es ein weiter Weg. Kugler zeigt auf, dass es auf die drei Kräfte Mensch, Werkzeug und Inspiration ankommt, egal, um welches Projekt es sich handelt, sei es, Weltspitze zu werden oder „nur“, eine Familie zu gründen. Nur wenn alle drei Kräfte entwickelt werden, im gemeinsamen Spiel zusammennarbeiten, kann ein großer Wurf gelingen. In der Gemeinsamkeit liegt das Geheimnis und das erfordert – Achtsamkeit, Respekt, Klugheit, genaue Kenntnis der Sachverhalte und die unglaubliche Kraft, die in Visionen steckt.
Schrittweise erläutert Kugler sein Prinzip und er verwendet dafür ausdrucksstarke Bilder. Die einzelnen Kapitel werden mit Texten unterschiedlichester Menschen eingeleitet, die Wegweiser sein können, aus denen man Affirmationen ableiten kann, die wie Leuchtmarken sind. So steht am Anfang gleich der berühmte Spruch „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt“ – es liegt am Leser, ob er die Botschaft Kuglers aufnehmen und umsetzen mag oder weiterwurstelt wie bisher.
Große Sachkenntnis wird hier eher leicht verpackt dargeboten, Checklisten und Grafiken bieten auf engem Raum das wesentliche an Wissen, die erläuternden Texte hingegen zeigen auf, wie man diese Hilfsmittel durch das Alchimedus-Prinzip so erweitern kann, dass sie wie Kompost wirken – wachstumsfördernd, ohne zu überdüngen. Die 250 Seiten sind wirklich vollgepackt mit Informationen, doch das viele Wissen erschlägt den Leser nicht, weil Kugler den Eiertanz schafft, Geschichten darum herum zu erzählen. Nüchterne Rechner, die gern reine Fakten konsumieren, werden sich mit dieser Art der Wissensvermittlung schwer tun, aber alle, die es lieber eingängig haben, werden glücklich sein, dass sie endlich mal kapieren, um was es beim zyklischen Innovationsmanagement geht. Derartige Formulierungen, die üblicherweise Wissenschaftlern vorbehalten sind, die das als Verstecke nutzen, den normalen Manager, der seine Firma möglichst nach vorne bringen will, aber eher k.o. schlagen, übersetzt Kugler in kleinen Häppchen, so kriegt man auch hochkomplizierte Zusammenhänge gebacken. Der Wechsel zwischen Zitaten, Erklärung, Schaubild und die Tatsache, dass die Seiten rein optisch nicht als Bleigrab den Leser vorab schon frustrieren, machen das Buch zu einem brauchbaren Arbeitsbuch. Die wesentliche Erkenntnis, dass ganzheitliche Ansätze auch Firmen unschätzbare Vorteile bieten, spricht sich erst langsam herum, da braucht es schon mutige Visionäre, die sich auf den Weg machen.
Das eigene Potential erkennen, das der Mitarbeiter entdecken, ein Wir-Gefühl entstehen zu lassen, offen sein für alles, was möglich ist, Visionen als Kraftquelle nutzen – das ist das Prinzip, das Kugler erläutert. Wesentlich ist die Erkenntnis, dass die Kraft bereits in den Firmen vorhanden ist, man muss sie nur wie eine Ölquelle anbohren. Um diesen Schatz zu finden, hat Kugler sein Buch verfasst. Wer sich als Chef zutraut, Visionen zu haben, braucht dieses Buch, denn es gibt ihm die Mittel an die Hand, diese Visionen vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Gut und klar gegliedert, sehr schön mit Zitaten versehen, die man sich ruhig mal auf Kärtchen an den PC heften kann (jaja!), zwischendurch auch mal Wissen in Geschichten verpackt ist Kuglers Buch ein Arbeitsbuch im besten Sinne. Es gibt nur einen einzigen Kritikpunkt: Nicht jeder Manager hat Adleraugen. Schrift ein bisschen größer, vor allem auch bei den Abbildungen, ermöglicht es auch Maulwürfen, ohne optische Hilfsmittel größtmöglichen Nutzen aus dem Buch zu ziehen.
csc

Ermutigend und aufklärend

Anne Lamott: Bird by Bird. Wort für Wort. Anleitungen zum Schreiben und Leben als Schriftsteller. Übersetzt von Kerstin Winter. Deutsche Erstausgabe. 240 Seiten, Paperback. 14,90 Euro. Autorenhausverlag. ISBN 3-932909-44-5.

nach oben Viele Menschen spüren in sich den Drang, Dinge aufzuschreiben, etwas zu erzählen, sich schreibend selbst zu erfahren oder die Welt beglücken zu wollen. Wenige Menschen sind erfolgreich in der Glitzerwelt der Autoren, eine Handvoll steht im Rampenlicht und doch sind es viele Tausend, die mit ihren Worten erfreuen, unterhalten, beraten. Anne Lamott hat mit Bird by Bird ein Buch vorgelegt, das man allen Menschen, die schreiben möchten, sofort auf den Nachttisch legen sollte. Sie berichtet aus ihrer Erfahrung als Autorin, aber auch als Beraterin für andere Autoren, aus dem Alltag des Schriftstellers, wie er arbeitet, seine Themen findet, wie man vorgeht, was für Schwierigkeiten auftreten und wie man mit ihnen umgeht. Ausgehend von ihren eigenen Gedanken zum Thema ist das Buch weniger ein Lehrbuch für angehende Autoren, als ein Tor in die Welt der Phantasie. Natürlich kennt Lamott den Alltag (wie langweilig und öd der gerade für Schriftsteller in ihren Kämmerlein sein kann!), die Probleme, die einen anfallen, wenn man vor einem leeren Blatt sitzt, den Rausch, wenn der Text fertig ist und die bange Frage: und jetzt? Was geschieht jetzt, wo das Jahrhundertwerk fertig ist und sich dem Licht der Öffentlichkeit stellen soll? Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, erzählt nicht, dass Schriftstellersein grandios ist, sie berichtet absolut realistisch von den Panikattacken, die einen überfallen, wenn man seine Story in den Sand gesetzt hat und nun mit einer Horde „Darsteller“ irgendwo in der Wüste steht und keinen Schimmer hat, wie man die da alle wieder rauskriegen soll ohne ein Raumschiff auf sie fallen zu lassen.
Lamott schildert die Faszination, die vom Schreiben ausgeht, es ist kein Beruf, es ist eine Berufung, eine Leidenschaft, ein Zwang, exakt das tun zu müssen, weil man nicht anders kann, sie beschreibt das Handwerkliche, das beim Schreiben einen großen Raum einnimmt und sie zieht angehenden Autoren den Zahn, dass die ersten Fassungen (Plural beachten!) schon der geniale Wurf sind, an dem Lektoren besser nichts mehr rütteln. Es ist ein Buch aus der Praxis heraus, doch es geht viel weiter, denn es schildert nicht nur Freud und Leid der Autoren, sondern es erinnert ein wenig an Saint-Exupérys Erkenntnis: Wenn du einem Menschen das Segeln beibringen willst, lehre ihn die Sehnsucht nach dem Meer. Davon abgesehen ist Lamotts Buch einfach so packend, umwerfend, lustig und lebensnah geschrieben, dass der Leser gar nicht merkt, wie viel er eigentlich beim Lesen gelernt hat. Am Ende resümiert sie über das Schreiben: Es ist, als ab wir auf einem Boot, das von einem furchtbaren Sturm auf See hin und her geworfen wird, sängen. Das Unwetter können wir nicht stoppen, der Gesang aber kann die Herzen und Seelen der Menschen, die zusammen in dieser Nussschale sitzen, beeinflussen und ihnen frischen Mut geben. Insofern ist das Buch auch echte Lebenshilfe für alle Autoren, die schon wissen, wie man schreibt, aber dennoch ebenfalls wissen, dass Durchhänger normal sind und für diese grauen Zeiten einen kleinen Hoffnungsschimmer brauchen.
csc

Mit Insiderwissen punkten

Jürgen Lürssen: So macht man Karriere. 17 Gesetze, die Sie kennen müssen. 240 Seiten, kartoniert. 17,90 Euro. Campus Verlag. ISBN 3-593-37310-6.

nach oben Lürssen Gleich vorweg – Sie dürfen keinen empfindlichen Magen haben, wenn Sie das Buch durchackern. Und Sie dürfen auf keinen Fall eine sensible Mutter sein, für die die Kinder so wichtig sind wie ein cooler Job, dann lassen Sie die Lektüre lieber bleiben. Das Buch ist für alle diejenigen geeignet, die angefressen sind von der Gier nach Aufstieg und die wissen wollen, wie man es anstellt, die Treppen hinaufzusteigen und oben nicht hechelnd dem Infarkt zu erliegen, sondern tough aufzutreten und zu sagen: What’s next?
Harte Bandagen führt Lürssen auf, kein Buch für Weicheier. Die Tipps sind allesamt erprobt und sie zeigen messerscharf: Karriere ohne Planung ist wie Kaffee, den man im ungespülten Kochtopf braut. Wer nicht systematisch Ziele definiert und die der Reihe nach abhakt, wird abgehakt.
17 Regeln stellt Lürssen auf, beispielsweise: Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihren Erfolg! Seien Sie bereit, den Preis für Ihre Karriere zu zahlen! Keine Karriere ohne Personalführung! Schaffen Sie sich ein großes Netzwerk und noch einiges mehr. Wobei der Punkt: Seien Sie bereit, den Preis für Ihre Karriere zu zahlen, immer noch das Kapitel ist, das mir ein wenig Sorgen bereitet, denn es sagt klar: Wenn Ihr Kopf nicht hundertpro im Job ist, sondern Sie an Ihr fieberkrankes Kind daheim denken, ist es Essig mit Karriere, dann werden Sie halt irgendwo im Büro herumdümpeln, klar, damit kann man auch den notwendigen Schotter verdienen, aber Karriere bedeutet – Aufstieg, Kampf, Spaß haben am Wettbewerb, besser zu sein als andere.
Es ist kein Lesebuch für den entspannten Feierabend, das Lürssen hier publiziert hat. Es ist ein Arbeitsbuch und zwar ein heftiger Brocken. Punkt um Punkt ackert Lürssen seine Liste durch und paukt in die Gehirne: Karriere ist Arbeit! Nur wer durchhält, kann gewinnen. Aber Trost ist in Sicht: Es gibt eben Regeln, an die man sich halten kann, wenigstens so lange, bis man gelernt hat, ein global player zu sein.
Unterlegte Kästchen halten das Wesentliche fest, Tipps für Ihren Erfolg sind kleine Merklisten, die man sich ruhig mal abschreiben sollte, bis man sie intus hat. Checklisten zeigen Ihnen, wo Sie stehen (können Sie auf Anhieb sagen, wie es bei Ihnen mit den Soft Skills aussieht? Sie halten das für einen Sport mit einem matschigen Ball? Ihr Weg ist noch weit!), Schaubilder helfen dabei, sich selbst einzuordnen (Welche Aufgabe gehört zu welchem Typ, was muss man zuerst erledigen, was kann warten). Ein ausgesprochen wichtiges Kapitel ist das über die Karrierekiller – es gibt eine Masse Fettnäpfchen, die vermeidbar sind, wenn man sie mal erkannt hat.
Lürssens Buch ist kein Zuckerschlecken. Sie müssen am Anfang wirklich auf jeden Fliegenschiss achten – wie Sie die Arme am Körper halten, wen Sie dringend grüßen müssen, was Sie auf keinen Fall tun dürfen. Na, der Mensch wächst mit den Aufgaben, also nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Aber eines muss klar sein: Wenn Sie eine Karriere anstreben, sollten Sie für die Zeit, in der Sie das tun, nicht viel anderes vorhaben im Leben (Sport und Entspannung gehören zur Karriereplanung dazu, denn sie sind absolut notwendig für die Gesundheit). Man braucht Geduld, einen Siegerwillen und die Fähigkeit, trotz aller Zielorientierung das Umfeld durchaus sehr genau wahrzunehmen, um eventuelle Probleme aus der Umgebung rechtzeitig zu erkennen. Und man muss Freude mitbringen, ohne die geht es nicht, wer nicht wirklich vom Willen zum Aufstieg angetan ist, wird früher oder später auf der Strecke bleiben. Um Karriere zu machen, muss man Verantwortung übernehmen, Strategien entwickeln, seine Vision verfolgen, das Handwerkszeug aus dem Effeff beherrschen, ein gutes Verhältnis zum Chef bekommen, deutlich besser sein als der Rest, geschriebene und vor allem ungeschriebene Regeln des Marktes beherrschen und flexibel genug sein, auch in unerwarteten Situationen Punkte für sich selbst einzuheimsen. Das kann man nicht von heute auf morgen, aber es lässt sich lernen. Meister ist der, der ausreichend übt. Jeden Tag bietet sich die Gelegenheit dazu. Wer aufsteigen will, muss ackern. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber wer seine Baustelle erkannt hat, hat es leichter. Hier ist das Buch wirklich wie ein sehr starker Scheinwerfer, der die spinnwebverhangenen Ecken deutlichst ausleuchtet und aufzeigt, wo man was tun muss, wenn es klappen soll mit dem Aufstieg.
csc

Flott durch Raum und Zeit

Manfred Mai: Weltgeschichte. 200 Seiten, gebunden. 16,90 Euro. Hanser Verlag. ISBN 3-446-20191-2.

nach oben Es verkauft sich wie verrückt, diese Weltgeschchte von Manfred Mai. Und ich weiß nicht, wo ich sie einordnen soll – Sachbuch? Belletristik? Kinder? Es ist eigentlich ein Universalbuch für alle, die sich möglichst flott und knapp durch die Geschichte lesen wollen, ohne mit oberöden Fakten gelangweilt zu werden, sich 200 Portraits irgendwelcher Herrscher oder die obligatorischen „Staatsformtabellen“ anschauen zu müssen. Manfred Mai hat ein Ei des Kolumbus vorgelegt, er erzählt die Geschichte der Menschheit quasi von Adam und Eva bis heute und schafft das Kuriosum, dass alle Kapitel gleich spannend sind, mit erfreulich magerer Bebilderung und dem grandiosen Verzicht auf tausendfach gleiche Portrais.
Mai hält sich nicht mit Geschwafel auf, er fokussiert und schreibt lebendig, er schafft es, das vorzuführen, was nicht wenige Menschen an Geschichte eben so total fasziniert: Es ist ein Wunder! Was Menschen durch Zeit und Raum veranstalten, wie sie leben, welche Weltbilder sie haben, ob das abhängt vom Land, in dem sie leben – alles sind Fragen, die Historiker bewegen: Was hält die Welt zusammen, was bringt sie zum Laufen? Diesen Fragen geht Mai nach, aber er listet nicht chronologisch nur Zahlen auf oder verfängt sich in der Schilderung von 94 unterschiedlichen Regierungssystemen oder philosophischen Fragen wie der nach Moral und Recht und Sein und Zeit und sonstwas, nein, zackbumm steht die Zeit dem Leser vor Augen, lässt ihm Luft, die Dinge zu betrachten, nicht vom Elfenbeintürmchen aus, nein, mittendrin. Es ist weder die Geschichte von Herrschern noch das tränendrüsige „Leben des kleinen Mannes“, was Mai auffährt, es sind Informationen, wie man sie selten findet und noch was zeichnet sein Buch aus: Man kann es einfach so runterfuttern. Es ist spannend, liefert auch Geschichtscracks Neuigkeiten und es erschlägt einen nicht mit Fachausdrücken und Einseitigkeiten. Wer die 200 Seiten gelesen hat, hat ein gutes Rüstzeug und vermutlich genug Neugier aufgespeichert, um sich in das eine oder andere Thema tiefer einzulesen (und vielleicht enttäuscht zu werden, dass nur wenige Autoren, von Fernau mal abgesehen, es schaffen, Geschichte wie Geschichten klingen zu lassen). Geschichte ist nix für kriegsüberlebende Opas, für bebrillte Wissenschaftler mit wirrem Haar und unpassender Kleidung, sich mit Geschichte zu befassen bedeutet, am eigenen Wurzelwerk zu hacken, damit die eigene Geschichte nicht nur unten guten Halt hat, sondern sich oben auch gesund entwickeln kann.
200 Seiten für alles? Vom ersten Menschen bis zur „Einen Welt“? Ist das nicht ein bisschen dürftig? Na klar! Das ist sozusagen das Koordinatensystem! Nur – das Buch zeigt die großen Linien, listet die wesentlichen Fakten und Daten auf, es sind „Glanzlichter“, zwischen denen sich die „kleine Geschichte der kleinen und großen Leute“ abspielt. Es ist nicht der erschöpfende (in jeder Hinsicht) Text, der aus einem kleinen Ereignis wie einem Friedensschluss einen 700-Seiten-Wälzer schafft mit 150 Seiten Text und 550 Seiten Fußnoten und textkritischem Apparat (hat alles seine Berechtigung!), aber es ist ein waghalsiger Ritt durch die Zeit bis in unsere Tage und in dieser Kürze sogar dem allergrößten Geschichtsmuffel zumutbar. Also Eltern, verzagt nicht, wenn die Sprösslinge verlauten lassen, Geschichte sei was für Mumien. Legt den Mai auf den Nachttisch und vertraut auf die nächste Grippe. In der Not werden es die Kids lesen und wenn sie nicht schon vollkommen abgebrüht sind, auch auf die Verführungskünste von Manfred Mai reinfallen. Vermutlich ordern sie dann für die nächste Grippe das „Lesebuch zur Weltgeschichte“. Das gibt es nämlich auch schon.
csc

Schluss mit dem Gekiekse

Anna Martini: Sprechtechnik. Aktuelle Stimm-, Sprech- und Atemübungen. 176 Seiten, broschiert, mit Audio-CD (45 Minuten Laufzeit). 29,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-05103-7.

nach oben Sie sind ein rhetorisches Genie, haben aber eine Stimme wie eine Kreissäge? Sie sind nicht mal rhetorisch gut, müssen aber andauernd Reden halten? Vor lauter Publikumsangst beginnt Ihre Stimme, sich immer höher zu schrauben, um irgendwann, nach zehn Minuten, in denen Sie sich mit immer mehr Kraft heiser brüllen, ganz zu versiegen? Wenn Sie unter freiem Himmel ohne Mikro sprechen, versteht Sie ab Reihe 2 kein Aas mehr? Typisch. Keine Ahnung von Technik, aber flotte Autos fahren. Anna Martini kennt die Probleme der Damen und Herren Redner. Sie hat genug Gekiekse, Gekrächze und Geröchel vernommen, um zu wissen, wie wichtig die richtige Sprechtechnik ist. Als Sängerin, Sprecherin und erfolgreicher Vocal-Coach hat Frau Martini den Ratgeber verfasst, der in keinem Rednerregal fehlen sollte.
Ab sofort ist Schluss mit Entschuldigungen. Sie brauchen nur einen CD-Player und gute Nerven. Und Geduld. Also: Wenn Sie das nächste Mal im Stau stehen, hauen Sie sich die CD rein und üben das Wesentliche – atmen. Nein, nicht das übliche Einatmen, Ausatmen, das Sie den ganzen Tag vermutlich ohnehin falsch im Oberbauch machen. Richtiges Atmen. Vom Fußzeh bis zu den Haarspitzen atmen. Aus dem schlappen Body einen Resonanzkörper machen, ohne Pavarotti figurtechnisch nachzueifern.
Woraus besteht Sprache? Aus Vokalen und Konsonanten. Ah, theoretisch. In der Regel besteht sie aus Grunz- und Zischlauten, Genuschel und Gequäke. Ein „o“ ist nicht einfach ein „o“, Sie Banause. Nutzen Sie die Chance, die in einem „o“ steckt, verschenken Sie nicht permanent Ihr billigstes Werbemittel, die Stimme. Schulen Sie sich. Und beißen Sie in den sauren Apfel und erinnern Sie sich gefälligst an Ihre Jugend. An Knittelverse und Sprachspiele, an Zungenbrecher und all diese Dinge. Nichts übt Ihre Mundmuskulatur besser als viel zu sprechen. Nicht irgendeinen Kram, sondern das Richtige.
Das Buch von Anna Martini besteht nach einer kurzen Theorie aus Übungen. Keine Larifari-Geschichten, das ist harter Stoff, meine Damen und Herren Redner. Was bei den Anthroposophen in der Sprachgestaltung und bei allen Schauspielern im Sprechunterricht längst bekannt ist, muss sich erst mal in die Köpfe der Dauerquatscher einnisten – Sprache ist ein Instrument und wie bei jedem Instrument muss man damit umgehen lernen und das heißt – üben bis zum Abwinken.
Na los, sagen Sie mal auf: „Der Juwelier besetzte Jacke und Jackett mit Juwelen!“ Zu einfach? Gerne mehr: „Der Leutnant von Loiten befahl seinen Leuten nicht eher zu läuten, bis der Leutnant von Loiten seinen Leuten das Läuten befahl“. Das war nur „L“. Glauben Sie nicht, Frau Martini hätte keine feinen Texte zu den anderen Buchstaben.
Wenn Sie das erste Mal irritierte Blicke genießen, weil Sie an der Ampel aus dem Fenster tröten „Ist die Streusalzsteuer teuer, zahlt der Streusalzsteuer keine Steuer. Also zahlt der Streusalzstreuer keine Streusalzstreuersteuer“, wissen Sie, dass Sie auf dem richtigen Weg sind. Was glauben Sie, wie gut im Aufzug kommt „Fünf fette Ferkel fangen flink fette flotte flinke Fliegen“. Spätestens bei der nächsten großen Rede, die Sie ermüdungsfrei und stimmlich vollkommen auf der Höhe hinter sich bringen, haben Sie bemerkt, dass Sprechtechnik was für richtig kluge Redner ist. Möglicherweise will Sie dann jedes Callcenter haben.
csc

Gärten als Ausdruck der menschlichen Kultur

Ira Diana Mazzoni. 50 Klassiker Gärten und Parks. Gartenkunst von der Antike bis heute. 280 Seiten, reich bebildert, Paperback. 19,95 Euro. Verlag Gerstenberg. ISBN 3-8067-2543-8.

nach oben Gärten – jeder ein eigener Kosmos, geprägt vom Ort, an dem er angelegt wurde, von der Persönlichkeit des „Gärtners“ (auch wenn es ein Team von Gartenbauarchitekten war), vom Zeitgeschmack. Zeige mir deinen Garten, und ich sage dir, er du bist – Gärten sind Kunstwerke auf Zeit, die ihre Farbenpracht nach Jahreszeit, Schneckenfraß und sonstigen Unwägbarkeiten entwickeln, die im Lauf der Zeit wachsen, ihr Gesicht verändern, wenn keine Schere maßregelnd eingreift, die mit der Landschaft verschmelzen oder in sie hineingestellt sind als Botschaft: Schaut her, was ich hier errichtet habe!
50 berühmte Gärten, stilbildende Kunstwerke, beneidete Vorbilder, vom Altertum bis heute, hat Ira Diana Mazzoni ausgewählt. In Kurzessays wird der jeweilige Garten vorgestellt, Mazzoni berichtet über seine Etnstehung und seine Bedeutung. Infoseiten geben Einblick in eine „Kurzbiographie“ der Gärten, die wesentlichen Fakten werden aufgeführt, Tipps zum Schauen, Staunen und Besichtigen gegeben. Ein Glossar rundet den reich bebilderten Band ab, ein ausführliches Personen- und Ortsregister erleichtert die konkrete Suche. Auf einem Zeitstrahl werden die Gärten aufgelistet, die Hängenden Gärten von Babylon, um 600 vor Christus entstanden, markieren den ältesten Punkt, „jüngster“ Garten ist der Landschaftspark Duisburg Nord, 1990–2001 entstanden.
Babylon, Pompeji, Kyoto, Florenz, der Vatikan, Tivoi, Salzburg, Heidelberg, Lahore, Lissabon, Wien, München, Oxfordshire, Potsdam, Stockholm, Paris, Cornwall, New York, Somerset, Hyères, Kent, Surrey sind einige Stationen auf der Gartenreise, die Ira Diana Mazzoni unternommen hat. Es sind klangvolle Namen, die zwischen den Buchdeckeln versammelt sind, jeder Garten ein spezielles Kunstwerk für sich, jeder mit seinen Eigenheiten, seien es die gestutzten Buchshecken, die unglaubliche Vielfalt an Wasser im Garten, die Fülle der Blüten – jeder Garten hat seinen ganz eigenen Charakter. An solchen Wunderwerken lernt jeder gern, der ein kleines Gärtchen daheim hat und von anderen Ausmaßen träumt!
Infokästen auf den Seiten, herrliches Bildmaterial, Gemälde, Skizzen, wo die Gärten nicht mehr vorhanden sind, bringen dem Leser die oft versunkene Pracht dieser Anlagen nahe. Der weltberühmte Klosterplan von Sankt Gallen darf ebensowenig fehlen, der die mittelalterlichen Klostergärten bis zum heutigen Tag so stark geprägt hat, wie die inszenierte Natur des Löwenwäldchens in Suzhou oder die so stille Magie des Steingartens in Kyoto, meditativ, das Bewusstsein ahuf einzelne Steine in einem Kieselmeer lenkend, direkt, ohne Umwege über Auge und Nase. Es gibt Gärten, die werden von der Architektur beherrscht wie der Garten des Vatikan, andere sind ganz zweckgerichtet angelegt wie der Heilpflanzengarten in Padua oder eine Sinfonie in Wasser wie in Tivoli mit ihren Kaskaden und beeindruckenden Wasserspielen. Die Geometrie spielt in vielen Gärten die bestimmende Rolle – das Auge wird an gestutztem Grün entlanggeleitet, die Fläche grafisch aufgeteilt, Zäsuren für das Auge, Sinnbild des Versuchs, die Welt aufzuteilen und so beherrschbarer zu machen. Das Zusammenspiel von Wasser, dominanter Architektur und beschnittener Natur bestimmt das Antlitz vieler Gärten., während es englischen Gartenarchitekten eher um das erzählerische Moment ging, Natur, die ausschaut wie „wild gewachsen“ und doch ein Wunderwerk mit Augenmaß und Schere ist. Seen, Spring- und Ziehbrunnen, Wasser in jeder Form und sei es als Kiesmuster, ist für Gärten unerlässlich bis heute, und wenn es nur der Mühlstein ist, aus dem ein wenig Wasser rinnt – ohne Wasser fehlt einem Garten etwas und trotz aller Symmetrie darf auch an manchen Stellen ein Ästchen millimeterweise zu lang sein – Natur ist lebendig, passt sich wenig den Formen an. Will man einen Garten planmäßig erhalten, braucht es schon gewaltiger Anstrengungen. Gärten sind ein Stück weit eine Art irdisches Paradies. Nicht umsonst heißt es in China: „Willst du einen Tag lang glücklich sein, betrinke dich. Willst du ein Jahr lang glücklich sein, heirate. Willst du aber ein Leben lang glücklich sein, werde Gärtner.“ Antonio Gaudi, der in Barcelona den Parc Güell gestaltet hat, formulierte es so: „Wollen Sie wissen, wo ich mein Vorbild gefunden habe? Ein aufrechter Baum; er trägt seine Äste und diese die Zweige und diese die Blätter. Und jedes einzelne Teil wächst harmonisch, großartig, seit der Künstler Gott ihn selbst geschaffen hat. Dieser Baum braucht keine Hilfe. Alle Dinge sind in sich ausbalanciert. Alle Dinge sind im Gleichgewicht“ – die Gärten sind ein Versuch der Menschen, ein Stück dieses Gleichgewichts herzustellen, sich ein kleines bisschen Paradies herbeizuzaubern. Ohne die prachtvollen Gartenanlagen früherer Zeiten wäre so manche Stadt inzwischen tot. Wer einen Garten erschafft, holt sich ein Stück Himmel auf die Erde. Bücher wie dieses zeigen, wie vielfältig Gartenträume sein können, jedes für sich ein Wunderwerk, alle zusammen der Versuch der Menschen, mit Natur zu gestalten, von ihr zu lernen und manchmal auch – sie zu bezähmen.
csc

Endlich Klarheit

Milena Moser: Schlampenyoga oder Wo geht’s hier zur Erleuchtung? 256 Seiten mit 22 Abbildungen, Klappenbroschur. 16,– Euro. Blessing Verlag. ISBN 3-89667-278-9.

nach oben Schlampenyoga Milena Mosers Rücken knackst. Als ehemalige Schulsporthasserin und bekennende Couchpotatoe beschließt sie, es mit Yoga zu versuchen. Ha! Yoga, klar, jeder kennt es gut! Aber bitte schön – was ist denn jetzt Yoga? Das, was die Gurus in den Zentren unterrichten? Die Übungen, die man in einer Art Sauna macht? Das sich in Sand einbuddeln lassen und erst nach acht Stunden lebend wieder ausgegraben werden? Im Lotussitz Tage verbringen, während andere nicht mal den Sitz hinkriegen? Hilfe! Wo ist denn das Yoga, das eigentliche, das Wahre, Gute, Richtige?
Milena Moser macht sich auf die Suche nach dem eigentlichen Yoga und diese Suche liest sich wie die besten Folgen von Sex in the City. Die Suche nach Yoga Right gestaltet sich diffizil, ja unmöglich. Denn das einzig wahre Yoga unterrichtet genau der Lehrer, der gerade vor Milena Moser steht. Und das glaubt sie (was soll sie sonst auch tun), bis sich der Lehrer outet, weil er über andere Lehrer herzieht, die Milena Moser gut findet, weil er die Adeptin fragt, ob sie seinen Hintern auch zu dick findet und sich damit als sehr irdisch outet und kein bisschen erleuchtet, Anekdote an Anekdote reiht sich aneinander. Das Lesen macht gigantisch Spaß, auch wenn man es hingelümmelt auf der Couch liest und nicht im Kopfstand, das heilige Ohm vor sich hinatmend. Milena Moser lässt nichts unversucht, dem wahren Yoga auf den Grund zu gehen und was sie erlebt, ist das heute Übliche – jeder meint, sich ein gewaltiges Stück vom Umsatzkuchen abschneiden zu dürfen, indem er das wirklich ultimativ einzig wahre Etwas verkauft. Und dazu braucht man auch das genau passende Outfit, die entsprechende Denke, das dazugehörige Fresschen, Esoterik (und Yoga wird darunter inzwischen recht gern subsummiert, wo Cash zu machen ist, wird auch der heilige Jünger menschlich) boomt und Yoga erst recht, genau, das verbinden mit einer sauteuren Ayurvedakur in irgendeiner Extremeinrichtung in der Südsee für zigtausend Euro und peng!, wer da nicht erleuchtet ist, muss weitersuchen.
Milena Mosers Verdienst ist es eindeutig, dass sie uns da draußen, die wir Yoga nur vom Anschauen kennen (bisher!!), einen Berg Arbeit abgenommen hat, nämlich ungefähr 30 Irrwege, die man sich von vornerein sparen kann. Eines schönen Tages nämlich fährt sie zu einem Workshop mit dem Titel „back to the roos“ und dort findet Milena Moser ihre Erleuchtung. Kausthub Desikachar heißt der Mann, der die entscheidenden Sätze sagt, auf die Milena Moser jahrelang gehofft hat: „Der Mensch, der zu uns kommt, ist im ganzen Prozess das Wichtigste. Er ist wichtiger als die Technik, wichtiger als ein Ideal, eine Schule, wichtiger als eine Idee oder als Lehrer. Yoga muss dem Menschen dienen. Nicht umgekehrt.“ Und noch etwas gibt Desikachar seinen Zuhörern mit: „Stell dir vor, du sitzt im Wartezimmer einer Arztpraxis. Die Tür geht auf, und der Doktor ruft dich herein. 'Wo liegt das Problem?', fragt er, und du beschreibst deine Beschwerden. Der Doktor hört dir zu, überlegt und verschreibt dir dann ein Medikament. Das ist Vini-Yoga. Und nun stell dir vor, du sitzt in demselben Wartezimmer, die Tür geht auf, und der Doktor ruft alle Patienten auf einmal herein. Okay, sagt er, und jetzt Mund auf! Aspirin für alle! Das ist eine Yoga-Stunde, wie wir sie kennen.“
Das Buch ist viel mehr als ein unglaublich spaßig und flott zu lesender Erfahrungsbericht. Milena Moser beschreibt die diversen Formen des Yoga, die Übungen, die verschiedenen Schulen und Lehrer, sie erklärt die Formulierungen und stellt ihre Schlampenlisten (sehr sympathisch) in Bezug zu Yogathesen auf. Das ist kein Lehrbuch zum Auswendiglernen, sondern ein (manchmal selbst erlittener) roter Faden durch die Yogawelt hin bis zu dem Punkt, an dem Milena Moser sagen kann: Das ist es. Das ist das Yoga ohne das Brimborium, ohne den künstlichen Aufbau, der den Egoismen der Menschen dient, hier ist das Yoga, das für den Menschen gedacht ist, nicht für einen Markt von Käufern. Die Reise ist lang, das schildert Milena Moser auch, die Tage, an denen sie glücklich ist, aber auch viele Tage, an denen sie erkennen muss – Mist, das war mal wieder ne Sackgasse. Irrungen und Wirrungen, nicht nur in den komplizierten Körperstellungen, sondern eben auch bei der Suche nach einem Lehrer, der nicht nur die physische Seite betrachtet, sondern den ganzen Menschen. Yoga ist ein Weg, keine Sportrichtung, Yoga ist mindestens so sehr spirituelle Weiterentwicklung wie ein beweglich machen eines degenerierten Körpers. Was das Buch umwerfend und unbedingt notwendig macht für alle Suchenden, ist der lebendige Erzählfluss, der tiefgründige Humor und das sich eingestehen können, dass man nicht nur tausende von Fröschen küssen muss, um endlich mal eine Art Prinz zu kriegen, sondern dass jede Suche nach geistiger Weiterentwicklung mindestens so aufwändig ist. Milena Mosers Suche hat sich gelohnt, jeder Umweg war auch eine Erkenntnis in das, was sie nicht möchte, also nicht vergeudete Zeit, aber im Grunde schildert das Buch ein Grundproblem unserer Welt: Wir haben heute alle Möglichkeiten in der westlichen Welt. Jeder kann sich theoretisch entscheiden, welche Religion er annehmen, welchem Guru er folgen, wie er sich ernähren will, kleiden etc. Diese gewaltige Freiheit hat auch einen Haken: Wir sind führungslos, wissen nicht, wohin, und oft genug resultiert daraus, dass wir in die Fänge von Seelenfängern geraten, die diese Hilflosigkeit, diese Suche nach Orientierung, nach einer Leitfigur, die sagt „mach so und so“, ausnutzen. Persönliche Freiheit will bewusst ergriffen und sorgsam bewahrt werden und der Preis dafür ist, dass wir oft lange suchen müssen, bis wir aus dieser unglaublichen Vermarktungsmaschinerie der Träume, der Hoffnungen, der Millionen Lebensweisheiten und Richtungen, unseren eigenen Weg herausgearbeitet haben. Wenn es uns denn überhaupt gelingt. Milena Moser hat es geschafft und für sich einen Weg gefunden, den sie mit ganzem Herzen gehen kann, so hilft ihr Buch vor allem durch die Botschaft: Gib nie auf, bis du nicht den Weg gefunden hast, der der deine ist. Und das ist für mich die Kernaussage. Daneben habe ich gewaltig viel über Yoga gelernt und ich kann inzwischen den Baum, obwohl mir der tote Mann auch sehr gefällt. Fotos vor jedem Kapitel zeigen – Yoga ist wie alle Erkenntnis, wie alle Weisheit, eine Sache, deren Wurzel eindeutig der Humor ist. Nicht umsonst lächelt Buddha. Alles Weise ist einfach. Alles Richtige ist einfach. So einfach, dass wir dazu eigentlich gar keine Anleitung brauchen. Menschen im Jahr 2005 fehlt allerdings der Mut, sich auf die eigenen inneren Quellen zu verlassen, sie hören ihre leisen inneren Stimmen nicht mehr, dazu kreischt die Werbung viel zu laut in uns.
Übrigens – nicht nur Schlampen profitieren von Milena Mosers Buch. So mancher fehlgeleitete Schlamper wird es auch mit schallendem Gelächter und tiefer Nachdenklichkeit der Marke „au weia, das hab ich auch schon gemacht, Gott, hat mich echt 1000 Euro gekostet, ist das peinlich“ lesen. Los, Leute, runter von der Couch, rafft euch auf, back to the roots!
csc

Geballte Ladung für Unstrukturierte

Andreas Müller/Roland Noirjean: Lernen – und wie?! Gebrauchsanweisungen für den Lernerfolg. Toolbox in Kunststoffhülle. 26,– Euro. h.e.p. Verlag, Bern. ISBN 3-03905-127-X.

nach oben Jeder lernt anders. Die meisten vermeiden es gänzlich. Dabei beginnt auch die größte Reise mit dem ersten Schritt, Kampf also der Aufschieberitis. Was Hänschen nicht lernt … Jaja. Von den Schülern erwarten Eltern, dass sie lernen. Es fragt sich angesichts der Fülle an Medien – Print, Audio, Filme, Internet – wie man eigentlich lernt! Und noch eins macht das Lernen problematisch: Jeder lernt anders. Der eine bevorzugt das hörende Lernen, der andere kritzelt sich alles auf, andere müssen theoretische Zusammenhänge in der Praxis probieren, so, wie die Sinne individuell ausgeprägt sind, ist es mit den Lerntypen auch, jeder hat seine bevorzugten Kanäle, durch die das Wissen eindringen darf. In der Schule lernt man das Lernen nur bedingt, da kommt es eher darauf an, den „Stoff durchzubringen“, wie ihn sich der arme Schüler denn daheim ins Hirn quetscht, ist dem Schüler, seinen entnervten Eltern oder Nachhilfeinstituten überlassen. Dabei gibt es eine ganze Menge erprobter Techniken, mit denen auch das ödeste Gehirn fähig wird, Wissen aufzunehmen. Andreas Müller und Roland Noirjean haben eine Toolbox erstellt. Was ist eine Toolbox? Im Grunde ist es ein Kunststoffkästchen mit einzelnen Klappkarten. Auf jeder Klappkarte wird eine Lerntechnik vorgestellt, außen in der Theorie, klappt man die Karte auf, steckt ein praktisches Beispiel drin, damit man sieht, was gemeint ist. Ein Zitat und eine Knacknuss, bei der man seine grauen Zellen mal ein bisschen plagen darf, ist ebenfalls mit dabei. Ziel ist es, den Lernwilligen (die soll es durchaus geben!!) Hilfen an die Hand zu geben, mit denen sie sich eigenständig und im selbständigen Tun Wissen aneignen. Nur das, was man sich selbst erarbeitet hat, hat faire Chancen, im Gedächtnis verankert zu werden und dann im Fall der Fälle abrufbar zu sein. Nicht immer ist die Basis des Lernens das brennende Interesse, man kann auch Dinge lernen, für die man nicht in Liebe entflammt ist. Beispielsweise Vokabeln …
Generierendes Lernen wird hier vorgestellt. Generierend bedeutet: etwas schaffen, das vorher noch nicht da war. Und übertragen aufs Lernen bedeutet das: Wissen erwerben (knowledge), Fertigkeiten (skills), aber vor allem Haltungen und Einstellungen (attitude), denn das ist entscheidend – WIE gehe ich an den Lernstoff heran?
Die Karten bieten methodische Hinweise und enthalten eine Vielzahl von Anregungen, die es Lernenden deutlich schwer machen, darüber zu klagen, für ihren Lerntyp sei wieder mal nichts dabeigewesen. Da werden alle angesprochen: die Augenlerner, die, die gern kritzeln, die Logiker und die Ordnungsfanatiker, die sich den Lernstoff mit Hilfe systematisch aufgepappter Postits ins Hirn stopfen.
Schon das Anschauen der Karten macht Spaß. Nicht, weil sie unbedingt so wunderschön wären, sondern weil sie aufzeigen – es ist eigentlich ein Riesengeschenk, etwas lernen zu dürfen! Und es macht eine Mordsgaudi, die einzelnen Techniken auszuprobieren. Endlich ist auch klar, dass der gute alte Spickzettel eine hervorragende Lerntechnik ist: das immer stärkere Verkürzen und Verknappen sorgt nämlich dafür, dass eine große Stoffmenge immer dichter konzentriert, verkürzt und verklausuliert wird, am Ende braucht man den kleinen Zettel gar nicht mehr, denn das Gedächtnis hat alles bestens aufgespeichert.
Wichtige Techniken wie Mindmap, Portfolio, Matrix, SMART, Lesetechniken, Checkpoints etc. werden vorgestellt und erläutert. Die wesentliche Karte aber ist die: Beginnen! Genau das ist der Punkt. Entscheidend ist, anzufangen und nicht auf den Musenkuss, das Wunder oder sonstwas Nettes zu warten, oder, wie Igor Strawinsky es treffend formuliert hat: „Der Appetit kommt beim Essen, die Inspiration beim Arbeiten“. Na dann! Wer immer noch nichts findet, womit er seine Lernabneigung in den Griff bekommt, darf halt hinterher nicht weinen und klagen, wenn er längelang überholt wird. Das größte Genie ist wenig wert, wenn es sein Wissen nicht effizient einsetzt. Selbst ein wenig heller Kopf kann mit Technik und Fleiß ziemlich weit kommen!
Hinweis an die Herstellungsabteilung: Bei diesem Preis darf man erwarten, dass die Schrift auch lesbar ist. Bei manchen Karten schaut das Innenleben aus wie eine schlechte Kopie. So kann man aus optischen Gründen eine an sich hervorragende Umsetzung von Inhalten dem Leser ziemlich verleiden. Das haben diese Karten nicht verdient.
csc

Raus aus der Opferrolle

Ed Nissink: Mamas Rat und Papas Standpunkt. Wie wir uns aus hemmenden Bindungen an die Eltern lösen. Aus dem Niederländischen von Agnes Dom-Lauwers. Mit Karikaturen von Johann Mayr. 160 Seiten, kartoniert. Urachhaus Verlag. ISBN 3-8251-7459-X.

nach oben Nissink Die Macht der Eltern, die bis weit ins erwachsene Leben der Kinder hineinreicht, ist ungeheuer groß. „Du bist wie deine Mutter“, „dein Vater war auch immer so schräg drauf“, die eigenen Kinder sagen gar: „Vermutlich hat das deine Mutter auch immer rumgeschrieen“ – Situationen, in denen uns ein Spiegel vorgehalten wird. Sonntagmittagkaffee im Elternhaus mit der eigenen Familie oder „Wenn die Mama wieder zur Tochter wird/der Papa wieder zum Sohn“, kaum angekommen, peng, krachen schon die alten Verhaltensmuster wie Fratzen aus den ach so aufgeklärten Eltern, die bei ihrem eigenen Leben alles gaaanz anders machen wollten als ihnen vorgelebt wurde. Genau. Alles gaaanz anders, nur auffallend ähnlich, Motto: Gelernt ist gelernt. Oder, andere Argumentation: „Ich kann nicht anders, ich bin ein vergewaltigtes Kind“, „weil ich dauernd geschlagen wurde, kenne ich nichts anderes“. Inwieweit darf also das Erleben im Jugendalter als Persilschein für eigenes Fehlverhalten dienen? Bringt es etwas, wenn man seinen Eltern innerlich „vergibt“ oder macht es einen endlich frei von den Fesseln der Vergangenheit, wenn man sie soweit genervt hat, dass sie ihre Schuld eingestehen? Es ist die unendliche Geschichte von Tätern und Opfern, ein ewiger Kreislauf, der sich selbst wunderbar am Laufen hält.
Nissink, Trainer und Counsellor im EDEM-Institut, das er in Amersfort gegründet hat, leitet Seminare zum Thema verbale und nonverbale Kommunikation und berät Therapeuten, Manager, Verkäufer und Führungskräfte. Mit seinem Buch geht er einen eigenen Weg in der Bewältigung von Kindheitstraumata oder der Frage, wie man notfalls nur den „Ballast“ elterlicher Zugriffe auf das eigene Erwachsenenleben abwirft. Die Kapitel: Warum gerade diese Eltern, Überlebensstrategien, Falsche Vergebung, Urteile und Reaktionen darauf, Wir sollen doch nur dein Bestes, Schuldgefühle, Ich möchte mich ja nicht einmischen, Heile Welt, Den Dialog suchen, Hinter verschlossenen Türen zeigen auf: Hier geht es wirklich um das, was alle trifft. Jeder findet sich in einem Kapitel wieder und hat somit die Chance, sich mit Fragen der Vergangenheit endlich angemessen auseinander zu setzen. Praktische Beispiele und Übungen runden das Buch, das im Grunde ein Arbeitsbuch ist, ab. Entscheidendes Plus: Man kommt mal runter vom Opfertrip und richtet den Blick nach vorne. Die Cartoons von Johann Mayr greifen die Gedanken Nissinks ausgesprochen humorvoll auf. Ein Buch für alle, die die Schatten der Vergangenheit dahin verbannen wollen, wo sie hingehören – weg.
csc

Schnelle Hilfe im Notfall

nach oben

Rotraud A. Perner: Die Hausapotheke für die Seele. Erste Hilfe von Angst bis Zorn. 320 Seiten, gebunden. 21,50 Euro. Deuticke im Paul Zsolnay Verlag. ISBN 3-552-06004-9.

Hausapotheke für die Seele Hausapotheken retten Leben, jeden Tag. Sei es, dass man ein Pflaster zur Hand hat, wenn es blutet oder man doch noch Kohletabletten gegen Durchfall findet. Rotraud A. Perner hat eine Hausapotheke für die Seele geschaffen mit Mitteln zur Soforthilfe bei „unerwünschten Gefühlen“. Jeder kennt sie, diese Nervtöter Marke „Angst, Altern, Ärger, Balance, Belästigung, Demütigung, Depression, Loslassen, Lügen, Schüchternheit, Schuldgefühle“ um nur wenige aus dem reichhaltigen Fundus zu nennen. Auf 320 Seiten gibt Perner zwei Techniken, eine mentale und eine Körpertechnik an, wie man im normalen Alltag bei diesen Problemen effektiv Hilfe leisten kann. Die Hilfsmaßnahmen ersetzen nicht unter Umständen notwendige weitergehende Maßnahmen, aber das leistet auch der normal bestückte Haushalts-Erste-Hilfe-Kasten im Katastrophenfall ebenfalls nicht, es geht ja nur um die richtige Sofortmaßnahme. 40 Jahre Beratungspraxis weist Rotraud A. Perner auf, und diese jahrzehntelange Erfahrung ermöglicht es ihr, viele Tipps und Kniffe aufzulisten.
Zunächst analysiert sie das jeweilige Gefühl, ehe sie dann auf die Erste Hilfe eingeht. Natürlich kann das bei dieser gewaltigen Vielzahl von Problemen nur in aller Kürze geschehen, und doch sind die einzelnen Punkte sorgsam herausgearbeitet. Hier macht sich die lange Erfahrung der Autorin bemerkbar, sie schafft es, die Gefühle mit wenigen Sätzen exakt darzustellen und aufzuzeigen, was man zunächst tun kann. Vieles, wie beispielsweise das „Heulende Elend“, kann ein vorübergehendes Gefühl sein, weil ein Mensch eben wirklich in einer Krise weint, die er gerade durchlebt, aber es kann auch das Anzeichen einer dahintersteckenden umfangreicheren Problematik sein. So manches Gefühl, das man gemeinhin „nicht hat“ oder wo man zugäbe, dass man es kennt (Geiz, Hinterlist, Phobien, um nur ein paar Beispiele zu nennen), findet sich in diesem Buch und so erfährt man beim Lesen vieles über die eigenen Gefühle. Das ist sehr hilfreich, denn nur Wissen ermöglicht eine Einordnung, was momentan und was pathologisch ist. Die Bandbreite der vorgestellten Gefühle ist gewaltig und bei der Lektüre fällt auf, dass das eigentlich entscheidende oftmals die Selbstprogrammierung ist. Wir führen permanent einen inneren Dialog, machen uns nieder, kritisieren uns selbst, nörgeln und flüstern uns zu „das wird nie was, gibs lieber gleich auf, du blamierst dich, das ist doch ne Nummer zu groß“, jeder von uns kennt diese Dialoge, dieses elende Miesmachermännchen, das man am liebsten aus dem Kopf sprengen würde. Die Kunst besteht darin, aus Anklagen Sachinformationen zu machen, an den Dingen zu ändern, die wirklich ändernswürdig sind und den Rest zu eliminieren.
Die Seelenhausapotheke kann so manchem Notfall den Druck nehmen, wer Atmungs- und Entspannungstechniken im Friedensfalle übt, kann im Kriegsmoment erlerntes Wissen anwenden und ist einem Gefühl nicht ausgeliefert wie eine Nussschale einem Sturm. Vor allem die körperlichen Sofortmaßnahmen bringen augenblicklich Entlastung, ermöglichen es, durchzuatmen, sich wieder durch den Körper zu sich selbst zu bringen und die Lage mit dem Verstand zu analysieren, anstatt sich in hamsterradähnlichen Endlosschleifen selbst fertig zu machen oder im Affekt zu ausgesprochen falschen Maßnahmen zu greifen.
Die Gliederung des Buches ist klar, übersichtlich und gleichbleibend, das ist verlässlich und macht ein Suchen leicht, schließlich ist man bei Notfällen gern nervös und schätzt die Ordnung sehr. Auch Nichtfachleute kommen mit der Darstellung des Gefühls und der mentalen und körperlichen Strategie gut zurecht, nichts ist Fachchinesisch, alles ist erprobt und sofort umsetzbar. Es empfiehlt sich, das Buch in „ruhigen Zeiten“ durchzuschauen, vor allem die Einleitung zu lesen, damit man dann im Notfall weiß, wo was steht. Gelegentlich schadet das Ausmisten des Seelenkastens nämlich ebensowenig etwas wie die regelmäßige Kontrolle der normalen Hausapotheke. Wer mag im Notfall schon gern abgelaufene Medikamente, uralte nicht mehr klebende Pflaster und unsterile Verbände aus der Kiste ziehen?
„Seelenleiden zu heilen vermag der Verstand nicht, die Vernunft wenig, die Zeit viel, entschlossene Tätigkeit alles“. Diesen Satz von Goethe hat Rotraud A. Perner ihrer Hausapotheke vorangestellt und das hat sie auch umgesetzt – entschlossene Sofortmaßnahme und dann von Fall zu Fall die weiterführende Behandlung beim Fachmann. Ein Buch für alle Fälle und jedem anzuempfehlen, der gerüstet sein möchte.
csc

„Ich bin der Hüter dieser Erinnerung …“

Markus Pletz: Wege der Trauer. 160 Seiten, 12 Portraits in Bild und Text, 64 Fotos, mit Schutzumschlag. 24,90 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2547-0.

nach oben Pletz Hierzulande wird nicht getrauert. Schlimm genug, dass gestorben wird! Hilfe! Wie können es manche Menschen wagen, einfach zu sterben und einem damit zur Last zu fallen! Wir sind ein ordentliches Land. Man stirbt hinter abgeschlossenen Klinikmauern möglichst steril, Abtransport und Verbrennen, sauber, schnell und vor allem unauffällig. Trauernde Menschen! Ach, das ist ein Thema für sich, eines, das man ganz schnell verdrängt. In unserer Gesellschaft wird nicht herumgetrauert, na, vier, fünf Wochen, dann geht das Leben doch wieder weiter, time is money und Ersatz ist doch auch kein großes Thema in unserer Bäumchen-wechsel-dich-Theorie.
Insofern packt Markus Pletz gewagt ein Tabuthema an. Trauer! Das kann man noch verschämt in der Selbsthilfegruppe unterbringen, dieses Thema, gefälligst aber nach Feierabend, damit keine wertvolle Zeit verloren geht. Am Tag hat man den Funktionsschalter umzulegen, und wenn man sich daheim fast selbst totheult, ist das privater Luxus, solange man damit nicht behandlungsbedürftig ein weiterer Blutsauger an der Krankenversicherung wird.
Dass eine Mutter um ihr totes Kind weint, mag noch angehen. Dass ein Ehepartner um seinen Gefährten, vielleicht lebenslangen, trauert, ist auch in Ordnung, aber eben in gewissen „Schutzfristen“, danach ist Schluss mit dem Verständnis, „das Leben geht weiter“, und „Zeit heilt alle Wunden“-blabla ist die Reaktion der Umwelt auf den Ignoranten, der nach sechs Wochen immer noch in Tränen ausbricht.
Zwölf Menschen hat Markus Pletz besucht und ihnen individuelle Fragen gestellt. Es sind Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten, in unterschiedlichem Alter und mit einem ganz eigenen Zugang, denn Trauer ist individuell. Es gibt Phasen, die bei jeder Trauerarbeit, und Trauer ist ein Prozess, den man mit aller Kraft wirklich be-arbeiten muss, die für die meisten Menschen gelten, doch ist der Umgang mit Schmerz, mit Tod und eben Trauer ein ganz eigener. So, wie auf jeden ein eigener Tod wartet, muss jeder mit dem Tod, der ihm im Leben mit Sicherheit immer wieder begegnen wird, umgehen lernen. Dazu fehlen in unserer Gesellschaft sämtliche Leitbilder. Man weiß, wie man flirtet, wie man Diät hält, wie man mit Bluthochdruck umgeht und wie mit einem Laptop, aber keiner bringt einem bei, wie man die Einsamkeit, die Angst, die Verlassenheit, die Sehnsucht aushält und die Tatsache bewältigt, dass das Bild des Verstorbenen immer stärker diffundiert, man nicht mehr exakt seine Fingernägel aufmalen könnte, der Geruch verliert sich eines Tages auch aus dem ungelüftetsten Schrank, der Abstand zur gemeinsamen Zeit wird größer, der Verstorbene ferner und man selbst? Wo steht man nun, alleine? Wie definiert man sich jetzt als Single? Als Mensch? Wohin soll es gehen? Braucht man die Erinnerungsstücke? Den kleinen „Hausaltar“, ab wann weicht man von den gemeinsamen Ritualen ab und wagt wieder Eigenes?
Wie bedeutsam ist das Sich-Erinnern an einen geliebten Menschen? Stirbt der Mensch erst dann, wenn er vergessen wird? Kann man alleine weiterleben? Wird man wieder so stark, dass man mutvoll einem neuen Tag entgegenlachen kann, irgendwann einmal?
Es ist kein „Handbuch der Trauertechnik“, was Pletz vorlegt. Es sind Geschichten von Menschen, die ihren Partner verloren haben. Die Schuldgefühle haben, Angst, Panik vor dem Alleinsein, die herrliche Erinnerungen haben, aber auch daran zurückdenken, wie oft sie gestritten, sich angebrüllt oder gar gehasst haben. Trauer bedeutet, alle anderen Gefühle ebenfalls hochsprudeln zu lassen, auszuhalten lernen, was an Bodensatz eines Tages erscheint und mutig daran zu gehen, sich damit zu beschäftigen, um aus dem Durchschreiten dieser Zeit die Kraft zu schöpfen, selbst das Leben als „übrig Gebliebener“ anzupacken.
Ein mutiges und Mut machendes Buch. Und hoffentlich eines, das dazu führt, das Thema Leben und Tod in dieser Gesellschaft ins Bewusstsein zu rücken. Denn eines ist sicher – auf jeden von uns wartet unser ganz eigener Tod, der Menschen hinterlässt, die sich erinnern.
csc

Gewitter im Kopf

Andreas Rivoir: Migräne. 108 Seiten, Paperback. Aethera Verlag. ISBN 3-7725-5006-1.

nach oben Migräne – eine Folter für die, die es haben, ein Grund zum Belächeln für die Glücklichen, die derartige Qualen nicht kennen. Tummelplatz der Mediziner auf der Suche nach dem ultimativen Medikament, das die Störungen im Gehirn ausschaltet und verhindern hilft, dass Tausende von Menschen jeden Monat für Tage ausgeschaltet werden und in abgedunkelten Räumen dem Ende der Schmerzen entgegenhoffen.
Was ist Migräne, woher kommt sie? Dieser Frage gehen die Mediziner schon recht lange nach, aber wenn Krankheit als Defekt im perfekt geölten System Maschine Mensch definiert wird, kommt man dem Gewitter im Kopf zweifellos nicht so ganz auf die Spur. Es gibt so viele Migränen, wie es Menschen gibt, solche mit Aura, welche ohne, mit Erbrechen, als Reaktion auf Rotwein oder Käse oder im Zusammenhang mit dem Hormonhaushalt. Das alles ist hinlänglich bekannt, hilft aber kaum weiter, denn beeinflussbar ist das alles „irgendwie“ nicht so recht.
Der Autor, Neurologe, schreibt gegen den Gedanken an, man könne seine Migräne durch eine Wunderpille loswerden. Migräne ist für ihn eher das Symptom einer fehlenden Balance der einzelnen Wesensglieder des Menschen und solange man am sehr deutlich spürbaren Schmerz arbeitet, kommt man weder der Migräne noch deren Ursache oder gar deren Therapie auf die Spur. Alarmierende Zahlen der Lebertransplantationszentren und Dialyseeinrichtungen zeigen auf: Medikamente allein können nicht die Lösung sein.
Das Buch hat mehrere Teile. Im ersten Teil geht Rivoir auf anthroposophische Medizin ein, erläutert die Begriffe Gesundheit und Krankheit, zeigt die Geschichte des Kopfschmerzes auf und schildert dann auf das spezielle Krankheitsbild der Migräne, ihre Auslöser und wie man die Migräne aus anthroposophischer Sicht sieht. Im letzten Teil führt er aus, wie Migräne therapiert und vorbeugend behandelt werden kann, aufgeteilt in Selbsthilfe und therapeutische Unterstützung.
Das Buch ist eine Offenbarung für Schmerzgeplagte, denn es zeigt auf, dass Migräne eine Antwort auf Fragen des Lebens ist, die ungelöst sind, verdrängt werden oder sich einfach am falschen Ort abspielen. Wenn man diese Erkenntnis ebenso verinnerlicht hat wie die, dass man nicht mit einer Pille das Symptom ausschalten, sondern durch eigene Anstrengung das gesamte Krankheitsbild auffassen sollte als Aufforderung, nun eigentätig zu werden, hat man einen neuen und sehr brauchbaren Zugang zu dieser Krankheit gefunden.
Eigenes Tätigwerden, eine geordnetere Lebensführung, ein Ausgleich zwischen An- und Entspannung, ein durchseelteres und durchgeistigteres Leben als Ausgleich zum oft einseitigen Alltag sind nur Schlagworte auf dem Weg zu sich selbst und damit auf dem Weg zum gesunden ganzen Menschenwesen.
csc

Namen und Märkte

Ingo Rose: 50 Klassiker: Unternehmen. Von den Fuggern bis McDonald’s. 263 Seiten, kartoniert. 19,95 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2537-3.

nach oben Unternehmen, die weltweit agieren, Namen, die die Welt prägen: Von Fugger bis Coca Cola hat sich Ingo Rose 50 Unternehmen angenommen, deren Namen eigentlich jeder kennt. Nur – wer steckt hinter diesen Unternehmen, wer ist denn der Herr Nokia eigentlich? Firmengeschichten sind oft Mythen und meistens ist es eine einzige kleine, aber mächtig zündende Idee, die wie eine Lawine wächst und alles überrollt, weltweit.
50 Kurzessays, 50 Faktenseiten, Kurzwertungen, Register und über 300 farbige Abbildungen machen aus dem Buch einen spannenden Who's Who der Firmen. Rose ist vor allem der Frage nachgegangen: Was macht die Magie aus? Wer steckt hinter den Firmen, wie gelang es den Gründern, die Marke weltweit bekannt zu machen, wie haben es die Besitzer geschafft, ihre Unternehmen an die Weltspitze zu bringen und vor allem, wie ist es ihnen gelungen, sie dort auch zu halten?
Die Geschichte beginnt in Roses Buch 1454 mit dem Handelshaus der Fugger, Lloyds, Twinings, Rothschild, Bertelsmann, Krupp, Nestle, Nokia, Zeiss, Barilla, Bosch, Michelin, IBM, Budweiser, Metro-Goldwyn-Mayer, VW, Ikea, Hyundai und viele andere – mit allen diesen Firmen verbindet man sofort Namen, kann, wie bei McDonalds, sofort einen typischen „Laden“ visualisieren, jeder kennt die Coca-Cola-Flasche und Nokias „Connecting people“ ebenfalls.
Es sind Menschen mit Tatkraft, Visionen, Mut und oft auch einem Schuss Kühnheit, geprägt von ihrer Zeit, nicht selten in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, die die Kraft aufbringen, ihre Ideen auch vom Kopf auf die Füße zu stellen. Und so stellt Ingo Rose 50 Erfolgsgeschichten vor die Leseraugen, unterschiedlichste Bereiche, Epochen, Produkte und doch haben alle 50 Unternehmen eines gemeinsam – sie sind äußerst erfolgreich und viele über einen langen Zeitraum. „Nichts ist so überzeugend wie ein Produkt, dessen Zeit gekommen ist“, dieser alte Spruch bewahrheitet sich bei vielen der vorgestellten Firmen und doch hieße das Rückschritt. So zeigen die Firmengeschichten – wirklich dauerhaft sind Unternehmen nur, wenn sie sich wandeln mit den Konsumenten, mit den Produkten, mit dem Zeitgeist, ohne sich anzubiedern und von der Grundidee, die dahintersteckt, abzuweichen. Insofern ist Firmengeschichte ein Stück weit auch eine Chronik des Durchhalte- und Stehvermögens, bei allen 50 Unternehmen aber ein Dokument des Erfolges.
Sehr unterhaltsam für alle, die schon immer mal wissen wollten, wer sich hinter den Namen verbirgt und wo man noch mehr Infos über die einzelnen Unternehmen bekommt. Durch die Auswahl der Bilder wird der Text ausgezeichnet ergänzt und belebt.
csc

Die nächste Krise kommt bestimmt

Sabina A. Spencer/John D. Adams: Krisen überwinden und an ihnen wachsen. Eine Anleitung in sieben Schritten. Aus dem amerikanischen Englisch von Sieglinde Denzel und Susanne Naumann. 143 Seiten, kartoniert. 13,50 Euro. Aethera Verlag. ISBN 3-7725-5035-5.

nach oben Wir alle befinden uns vermutlich häufiger als uns lieb ist in Phasen des Wandels. Scheidung, der Verlust des Arbeitsplatzes, Tod, Umzug, Rentenalter, Geburt – andauernd, so kommt es uns vor, fallen wir von einem schwarzen Loch ins nächste, sollen uns möglichst unauffällig berappeln und schleunigst wieder „funktionieren“. Hat man das Gefühl, man hätte es gerade aus einem Loch geschafft und schaut sich frohgemut nach dem Riesenkrater um, stolpert man schon in den folgenden. Das nennt sich dann Leben. Natürlich bringt einem niemand bei, wie man das regelt, man weiß vom Lügenbaron Münchhausen, dass er sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht, doch wirklich hilfreich ist diese Idee nicht. Selbst positive Veränderungen wie Heirat, Geburt, Urlaubsreisen können uns gewaltig aus der Bahn werfen – eine sehr unerquickliche Vorstellung.
Gern schaut man so eine Situation als ein „Ereignis“ an. Etwas ist passiert und zack! soll möglichst rasch der Normalzustand wieder einkehren. Doch je stärker man im Hamsterrad nach der üblichen Methode „Augen zu und durch, ignorieren!“ handelt, desto deutlich wird: das so genannte Ereignis ist in Wirklichkeit ein Prozess und ob wir wollen oder nicht, diese Prozesse laufen nach relativ überschaubaren Regeln ab. Und hier hakt das Autorenduo auch ein: Wenn Wandlungsprozesse gewisse Regeln haben, müsste man doch auch in der Lage sein, die einzelnen Stadien zu erkennen und Methoden zu entwickeln, damit umzugehen. Nicht, um sie zu überspringen, das, so machen die Autoren sehr deutlich, rächt sich schrecklich.
Nach einer Einführung in das Thema erläutern Sabina A. Spencer und John D. Adams die sieben Stufen des Übergangs und listen einige Fragen auf, die zu diesem Stufenmodell auftauchen. Im dritten Teil geht es um die Strategien, die man anwenden kann, wenn man einmal erkannt hat, in welcher Stufe man sich gerade befindet.
Es ist ein optisch sehr ansprechendes Buch wie alle in dieser Reihe. Schaubilder und farbig unterlegte Kästen veranschaulichen die Thesen und leiten über ins Tun. Zahlreiche Beispiele, die Menschen aus dem wirklichen Erleben zeigen, illustrieren das Gesagte, sie machen Mut und Hoffnung, dass man selbst es auch schaffen kann, ja schaffen muss, denn Entwicklung bedeutet immer auch ein Weitergehen. Kraftquellen werden aufgelistet, Hilfsstrategien zeigen auf, wie man sich die schwierige Phase erleichtern kann und abschließend helfen zehn Anregungen, die wirklich in jedes Leben mit hineingenommen werden können, wie man leichter durch die Veränderungen des Lebens reisen kann.
Ein Buch, das man nicht erst lesen sollte, wenn man schon dick in der Krise steckt. Dann ist es zwar als Erste Hilfe durchaus ebenfalls geeignet, aber es ist eigentlich ideal für alle, die sich gut rüsten wollen nach dem Motto – die nächste Krise kommt bestimmt. Garantiert.
csc

Kleine Perlen für die Handtasche und zum Verschenken

Steiner/Archiati: Schriftenreihe

nach oben Der Archiati-Verlag hat ein interessantes Projekt gestartet: Im Umfang zwischen 40 und 50 Seiten gibt er kleine Schriften heraus, die als kleine Impulsgeber so manches Licht im Alltag entzünden können. Für die Handtasche, für den Nachttisch, die Zugfahrt ins Büro – nun schleppt man für gehaltvolle Literatur keine Folianten mehr mit sich herum, es reicht eines der Heftchen. Acht Hefte sind bisher erschienen, von Rudolf Steiner: Was macht der Engel in der Seele des Menschen?, Von wem habe ich meine Seele geerbt?, Mut zur Freiheit in den Zwängen der Macht; Wer ist „Christus“ und „Ahriman“ kommt!, Weihnachten neu geboren, Die Wiederkunft des Christus heute, Füreinander leben ist möglich, Was wird aus meinem Kind? Der Autor Pietro Archiati hat folgende Titel: Das Denken als Weg zum Glück, Der Kampf um die eigene Seele und Der Mensch ist Geist. Alle Bände kosten 2 Euro und sind somit erfreulich günstig. Archiati setzt sich seit Jahren dafür ein, dass allen Menschen ein Zugang zur Erforschung des Nichtmateriellen ermöglicht wird und das setzt diese kleine lichte Reihe konsequent um – Gedanken, die den Menschen vom Gebundensein an die doch sehr egoistische Welt lösen und ihm aufzeigen, dass er hauptsächlich ein Geistwesen ist. In unserer Zeit ist das selbständige Denken nicht unbedingt weit verbreitet, insofern ist Archiatis Vorstoß mit diesen Heften mutig und notwendig in Zeiten, in denen sich die Menschen an das Materielle klammern, das ihnen mehr und mehr zwischen den Fingern zerrinnt.
csc

Wie man Chefs erzieht

Gabriele Stöger: Wie führe ich meinen Chef? – Erfolgreiche Kommunikation von unten nach oben. 198 Seiten broschiert. 14,90 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-02619-9.

nach oben Gehören Sie zu den vier von fünf Angestellten, die unter ihrem Chef leiden? Die aus der Firma kommen und erst mal joggen gehen müssen, um ihren Partner nicht grundlos nieder zu schreien? Die leiden und ihren Kummer in sich hineinfressen, weil sie so schüchtern sind und nicht wagen zu sagen: Boss, so geht das nicht! Es wird neidlos anerkannt, dass Chefs ihre Mitarbeiter (er)ziehen nach dem Motto „Wie man sie sich zieht, so hat man sie“. Darf man das auch umkehren? Nein, man darf nicht. Man muss.
Gabriele Stöger, Diplom-Sozialwissenschaftlerin, coacht und trainiert Führungskräfte und Mitarbeiter in großen Firmen und bringt ihnen die Kunst bei, von unten nach oben erfolgreich zu führen. Ihre Erfahrung brachte sie zur Erkenntnis: Cheferziehung ist auch nicht problematischer als Kindererziehung (wir Frauen hören es sicher gern, da können wir also im Büro gleich da weitermachen, wo wir daheim aufgehört haben, aber: Wir sind bestens darin geübt, es wäre doch gelacht, wenn wir das nicht auch umsetzen würden!). Wie bei Kindern auch, helfen bei der Cheferziehung erprobte und erfolgreich getestete Methoden, Rückschläge werden mit einkalkuliert und aufgefangen. Cheferziehung ist gelegentlich langwieriges Bohren dickster Bretter, aber letztlich sehr erfolgreich. Nicht wenige Chefs sind offenbar von sich aus dankbar, wenn sie klare Vorgaben von unten haben.
Nun ist das Verhältnis zwischen Chef und Angestelltem eher hierarchisch geprägt. Das bedeutet: Der Untergebene weiß, dass er unter dem Chef steht, er ist also brav und angepasst und muckst sich nicht. Allein die Diagnosestellung, was für ein Problemfall der Chef ist, wagen nur wenige, und dann gar eine Ursachenanalyse, warum der Chef so ein Horror ist! Hier hilft nur eines: Wenn man wirklich am Arbeitsplatz Probleme mit dem Chef hat, kann man kündigen oder man fühlt sich bis auf den Boss wohl, dann muss man dort ansetzen. Wie immer gehört dazu eine Bestandsaufnahme, eine Analyse und die Strategieplanung. Und exakt so geht Stöger in diesem sehr praxisnahen und durch viele Beispiele farbigen Buch vor. Der Leser wird Stück für Stück mit dem Prozess der Erziehung bekannt gemacht, erlernt die Strategien und bekommt ausreichend Durchhalteparolen, um Durststrecken bei widerspenstigen „schwer erziehbaren“ Chefs tapfer durchzustehen. Es gibt eigentlich keine negativen Erfahrungen damit, denn am Ende haben sich die Menschen generell geändert – nicht nur der Chef. Am Schluss des hilfreichen und klugen Buches steht ein Zitat von Steve Ross, das nicht nur für die Cheferziehung wichtig ist: „Es gibt Menschen, die den ganzen Tag arbeiten. Andere, die den ganzen Tag träumen. Und schließlich diejenigen, die eine Stunde träumen und danach die Ärmel hochkrempeln, um sich ihre Träume zu erfüllen.“ Wann krempeln Sie die Ärmel hoch?
csc

Neue Fragen stellen

Thomas Struth: Museum Photographs, mit Texten von Hans Belting, Walter Grasskamp und Claudia Seidel. 144 Seiten, 50 Farbtafeln, 13 Abbildungen. 68,– Euro. Verlag Schirmer/Mosel. ISBN 3-8296-0107-7.

nach oben Mächtig wölbt die steinerne Kuppel den Innenraum. Gestufte Decken-Kassettierungen ziehen den Blick noch intensiver nach oben, als es die reine Höhe verlangen würde. Das gewaltige Rund aus Stein liegt auf dicken Mauern, die von Nischen durchbrochen und rhythmisch in elegante Säulenpaare aufgelöst sind. Im marmornen Fußboden wechseln sich farbige Kreise und Quadrate ab. Eine Touristengruppe steht, etwas ängstlich wie eine Herde, in dem riesigen Bauwerk beieinander, winzige Menschlein, die kaum wagen, den Hals zu recken. Dennoch: die Proportionen des Pantheons in Rom wären auf Thomas Struths Fotografie kaum nachzuempfinden ohne das Häuflein schüchterner Zwerge, von denen sich einige wenige mutig etwas entfernt haben. Die Menschen, physisch herausgefordert von diesem Innenraum, definieren ihn zugleich durch ihre Kleinheit, lockern ihn auf mit ihrer flüchtigen Zufallsgegenwart und setzen den subtilen Farbornamenten auf den Mauern die farbigen Akzente ihrer Kleidung entgegen.
Und wir, als Betrachter der ganzen Szene, sehen uns ein Foto an mit Leuten, die sich den Raum ansehen. Worin besteht ihre, worin unsere Erkenntnis bei diesem Anblick?
Thomas Struth, 1954 in Geldern am Niederrhein geboren und Schüler der Kunstakademie in Düsseldorf (wo er lebt), ist nicht zuletzt seit einer Wanderschau in den USA vor drei Jahren international ein Begriff. Seine Fotomotive findet er rund um den Globus – vom alten Europa über Ostasien bis nach USA: Porträts, Straßen, Pflanzen, Museumsbesucher. Der Schirmer/Mosel Verlag hat seit Jahren seine Arbeit (und mit einer repräsentativen Werkübersicht auch seine Amerika-Ausstellung 2002) begleitet. Der Themenkomplex „Museum Photographs“, 1993 erstmals bei Schirmer/Mosel dokumentiert, ist inzwischen auf mehr als fünfzig Bilder angewachsen. Grund genug, eine neue Ausgabe herauszubringen, eine ganz große mit 50 Farbtafeln auf schwerem Kunstdruckpapier für Struth-Genießer und solche, die es werden wollen.
Struth beobachtete Menschen bei der öffentlichen Betrachtung von Kunstwerken in Japan und Frankreich, Neapel und Chicago, in Mailand, Berlin, London und anderswo. Es sind sachlich distanzierte und gleichzeitig verschwenderisch reiche Bilder, sowohl was die Räume und die gemalten Kunstwerke betrifft, als auch was die betrachtenden Menschen angeht. Die Beobachtung von Museumspublikum begann Struth 1989 im Louvre; die jüngsten Aufnahmen des Prachtbandes stammen aus dem Pergamon Museum Berlin 2003. Das älteste Foto in dem Band jedoch ist das Porträt eines schottischen Sammlers 1987 in seiner Wohnung, und die Pergamon-Aufnahmen sind, wie der kluge Text von Claudia Seidel festhält, mit ihren Besuchergruppierungen „inszeniert“ im Gegensatz zu allen anderen Szenen. Aus dem ältesten und dem jüngsten Foto lassen sich Spannweite und Motivation des Fotografen erahnen. Struth hat seine Themenbereiche nicht starr festgelegt, sie entwickeln sich aus seinen Erfahrungen, der Zyklus ist weder abgeschlossen noch wird ihm wohl für die Zukunft jede Zieländerung versagt.
Warum überhaupt hält ein Fotograf für seine Betrachter fest, wie Menschen Bilder betrachten? Darauf geben zunächst die ausführlichen Texte von Hans Belting und Claudia Seidel eine Antwort, bis man endlich selber das Hinsehen lernt (der dritte Textbeitrag des renommierten Walter Grasskamp ist in seiner Oberflächlichkeit schlicht entbehrlich). Wenn Claudia Seidel die Aufnahmen von Thomas Struth mit den stillen, versunkenen Interieurszenen von Chardin aus dem 18. Jahrhundert vergleicht, dann tut sie mehr als recht daran, denn als künstlerisches Motiv ist „der Kunstbetrachter“ wohl im Rokoko entdeckt worden, man denke nur an das Gersaint-Firmenschild von Watteau, und das Thema zieht sich auch durchs ganze 19. Jahrhundert. Aber heute?
Hans Belting weist auf einen Umstand hin, den man aus den prachtvollen Fotoreproduktionen des Bandes nicht „ersehen“ kann: Im Buch sind die Formate von Struths Arbeiten nicht nur alle angeglichen, sondern überhaupt immer noch zu klein. Die Originale lassen sich nur angemessen in einer Ausstellung rezipieren, wo die Cibachrome-Fotos in technisch hinreißenden, perfekten Riesenformaten von mehr als zwei Metern Kantenlänge glänzen und durch ein besonderes Klebeverfahren mit der Glasschicht zu verschmelzen scheinen. Die mitsamt den Menschen fotografierten Räume der Kunst wirken auf diese Weise so plastisch und suggestiv, als müsse man nun selber in das Foto eintreten.
Dass auch aus dem Bildband aber Thomas Struths künstlerische Aussage noch wahrnehmbar bleibt, spricht für die Intensität seiner Arbeiten. Es ist ein vertracktes Spiel mit den Ebenen historischer und gegenwärtiger Wirklichkeit und mit unseren Wahrnehmungsfähigkeiten. Die gemalten Bilder, die Räume, sie beschwören eine Vergangenheit herauf, die uns unerreichbar fern ist und doch bewegend zu uns spricht. Nicht nur aus Bildungsgründen suchen Menschen Museen auf: Sie finden in den fremden alten Figuren, die sich ihnen wie auf einer Bühne präsentieren, stets auch etwas von sich selbst. Die gemalten Menschen äußern sich in einer Eindringlichkeit zu ihren Betrachtern, wie sie ein lebendes und notgedrungen banales Gegenüber nur in seltenen, bedeutenden Augenblicken erreichen kann. Kunst lässt sich erfahren als verdichtetes Leben.
Nun aber sehen wir bei Thomas Struth zu, wie andere Leute den Bildern zusehen. Die Bilderbetrachter selber präsentieren sich uns wie auf einer Bühne, auch wenn sie uns meist den Rücken zukehren. Und in einer Struth-Ausstellung würden wir förmlich hineingesaugt in die für uns bereits vergangene Szene, in den unwiederbringlichen Augenblick der Aufnahme, über den die Zeit nun immer weiter hinwegeilt. Wir selber bilden also die dritte Stufe jener Wirklichkeit, die vor Jahrhunderten in einem Kunstwerk festgehalten wurde und uns über ihre Betrachter auch bereits in einem Raum übermittelt wird, in dem wir nicht anwesend sind. Wir fühlen uns zuhause am Tisch mit dem Bildband wie eine jener russischen Puppen, die immer kleiner werdend ineinander stecken.
Aber es sind nicht nur die Ebenen der Wirklichkeit, die sich uns da Schritt für Schritt öffnen. Das Thema „Bild im Bild“ ist in der Kunstgeschichte ein altes Motiv, und es war nicht allein das, was Struth faszinierte. Er wartete. Er hat nicht einfach in einer Ecke des Louvre mit der Kamera gestanden und auf den Auslöser gedrückt, sondern jedes Mal geduldig gewartet, bis die Besucherscharen sich ihm in einer Weise darboten, die den gemalten Bildern entsprach. Es ist das reinste Abenteuer, diese Kongruenz von Fotografie zu Fotografie immer neu zu entdecken, sie auf immer andere Weise zu erfahren. Am eindeutigsten gelingt das vielleicht vor Géricaults Riesengemälde „Das Floß der Medusa“, auf dem sich die elenden Sterbenden zu einer dramatischen Dreieckskomposition zuspitzen. Die Museumsbesucher auf dem Foto von Thomas Struth haben sich auf dem Boden in ähnlicher Zuspitzung gruppiert – solche Verhaltensweisen nehmen Bildbetrachter manchmal ganz unbewusst an. Unglaublich auch, wie die Kleidungsfarben der Betrachter eines venezianischen Altarbildes in der Londoner National Gallery den Farben auf dem Gemälde entsprechen! Und wie bewegend die fast intime Zwiesprache eines alten Herrn in Wien mit dem Porträt eines viel jüngeren Mannes, den Rembrandt auf die Leinwand bannte!
Hat Struth gepfuscht, als er den Besuchern im Berliner Pergamon Museum ihre Posen und Positionen diktierte? Im Gegenteil! Er hat mit den lebenden Menschen etwas vom Geist der Antike beschworen und jene traumwandlerische Sicherheit der Proportionen und Rhythmen im Raum nachempfunden. Die Spitzenleistungen der Pergamonkünstler werden durch Struths wunderbare, unaufdringliche Gruppierungen auf einmal überraschend gegenwärtig, es ist, als hätte der Fotograf mit den Menschen Bilder gemalt, die es ihrerseits aufnehmen können mit den alten Meistern. Die klassische Ausgewogenheit der Pergamon-Arbeiten zeigt Struth endgültig auf einem künstlerischen Höhepunkt, den man sich und ihm als lange Dauer und stetige Erneuerung wünschen möchte.
Christel Heybrock

Liebe ist keine Altersfrage

Samuel Stutz (Hrsg.): Liebe im Alter. Gesundheit Sprechstunde. 62 Seiten, broschiert mit farbigen Illustrationen plus DVD in extra Hülle. 24,80 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-05136-3.

nach oben Liebe im Alter! Hilfe! Gruftisex! Nekrophil! Gebisstausch! Tabuthema! Petting hinter Altenheimtüren! Für 15-Jährige ist die Vorstellung, dass ihre Eltern Sex haben, Anlass zu Ungläubigkeit und „peinlich“. Für Erwachsene ist die Vorstellung, dass ihre Eltern Sex haben, undenkbar. Hat man schon mal die Senioren gefragt? Warum boomen Viagra und andere Mittel? Vermutlich nicht, weil Erwachsene KEINEN Sex mehr haben. Wer Sex nur als Mittel zur Fortpflanzung sieht, wird freilich ab einem gewissen Alter nahezu zwangsläufig von derartigen Notwendigkeiten freigestellt. Wer allerdings in Sex den körperlichen Ausdruck von Liebe und Zuneigung sieht, wird sich früher oder später (hoffentlich früher) mit der Thematik befassen.
In Frauenarztpraxen hängen verschämt im Eck kleine Zettelchen: Gleitcreme? Fragen Sie in der Sprechstunde. Beim Urologen prangt auf einem Zettel, fast verdeckt von anderen, der Hinweis: Fragen Sie bei Erektionsstörungen in der Sprechstunde nach! Das Thema existiert also, aber nur hinter vorgehaltener Hand. Erotik und Alter schließen sich offenbar vollkommen aus. Dass ältere Herren 50 Jahre jüngere Damen als Partnerinnen haben, ist ein Phänomen, das belustigen mag, aber zeigt: da geht noch was! Wir fragen nicht, was „die Gesellschaft“ über Frauen sagt, die einen jüngeren Partner haben.
Der menschliche Körper verändert sich im Lauf des Lebens. Da kann man operieren, so viel man mag, Fakt ist, dass wir altern, jeden Tag und dass unser Körper im Alter anders aussieht als der eines jungen Menschen. Das bedeutet aber nicht, dass der ältere Mensch nun weniger Körperkontakt braucht. Das Baby wird getragen, angefasst, in den Arm genommen, bei Kindern funktioniert das mit dem Körperkontakt auch gut, später erfüllen Partner das Zärtlichkeitsbedürfnis (im Idealfall). Doch was ist, wenn diese Brutphasenjahre vorbei sind? Küsschen am Abend und einschlafen?
In diesem Handbuch sind drei Interviews, eines mit Eliane Schweitzer, Sexualberaterin, eines mit Prof. Thomas Gasser, dem Chefarzt der Urologischen Uniklinik Basel und Dr. Ivrea Florio, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, also Fachleuten für Männlein und Weiblein. Die Interviews behandeln Themen, die wichtig sind – wie „funktioniert“ es im Alter, was kann man unternehmen, um die körperliche Seite ausreichend zu beachten, welche Hilfen gibt es und wie ist das jetzt mit dem Herzinfarkt beim Sex? Das sind Fragen, die man hat, sich aber nicht zu stellen traut. Hier wird das Tabu endlich angepackt und die Fakten in gut verständlicher Form erläutert. Im zweiten Teil des Buches geht es um praktische Fragen, Anregungen für Männer, Frauen und Paare. Die Ratschläge sind übrigens zeitlos! Im zweiten Anhang werden Begriffe erläutert, ein weiterer Anhang gibt Adressen an, Literaturtipps und Links, die weiterhelfen.
Die DVD ist dreigeteilt: Einem Film folgen zwei Interviews, eines mit Judith Giovannelli-Blocher, einer Buchautorin, und Doris Christinger, Körper- und Sexualtherapeutin. Der Film mag für manchen älteren Menschen wie ein Befreiungsschlag wirken – gezeigt wird ein Paar, das es sich gut gehen lässt in der Gemeinsamkeit. Es wird sehr schnell deutlich – Liebe ist kein bisschen eine Altersfrage, sondern eine Frage dessen, was sich die einzelnen Partner auch zutrauen, was sie gemeinsam empfinden und wie sie das in ihrer jeweiligen Beziehung umsetzen. Dass die Interviews der DVD in Schweizer Dialekt sind, ist kein Problem, nach kurzem „Was?“-Effekt versteht man problemlos, was die beiden Damen zu sagen haben.
Es ist viel Bedenkenswertes an Buch und DVD. Klar wird: Allerhöchste Eisenbahn, dass das Thema aus der Tabuecke herausgeholt wird. Es wird Zeit, dass ältere Menschen zu ihrem Körper und ihrer Sexualität stehen, dass sie sie leben, genießen und darin einen wesentlichen Quell der Lebensfreude entdecken. Eine Altersheimunterbringung muss niemanden zur Keuschheit verdammen. Solange der Mensch lebt, lebt er nur dann gut, wenn er ausreichend Körperkontakt hat. Wenn er umarmt und gestreichelt wird, wenn er spürt: Ich bin und ich werde angenommen. Eine mutige und dringendst notwendige Veröffentlichung, vielleicht der Anstoß für so manches Paar, die eigene Lebensqualität wieder zu erhöhen.
csc

Magische Orte

Frank Teichmann: Der Mensch und sein Tempel: Ägypten. 380 Seiten mit über 300 farbigen Abbildungen, gebunden. 54,– Euro. Urachhaus Verlag. ISBN 3-8251-7422-0.

nach oben Ägypten fasziniert die Menschen. Pyramiden mit überwältigenden Lightshows, Nilkreuzfahrten im exclusiven Ambiente, Totenkult und die spannende Frage, ob Tutenchamun nun ermordet wurde und wieso man Tote einbalsamiert. Schwarzer Kajal um die Augen, ein bisschen Papyrus an der Wand und schon hat man sich eingestimmt. Wer so denkt, sollte niemals dieses Buch lesen. Wer aber tief im Herzen von einer leisen Sehnsucht nach Ägypten ergriffen ist und viele ungelöste Fragen mit sich herumträgt, wird in diesem Buch erstaunliche Antworten finden.
Vor 25 Jahren erschien das Buch zum ersten Mal. Inzwischen gibt es viele neue Erkenntnisse und Frank Teichmann hat dazu neue Fotos ausgewählt, die seinen Text begleiten. Teichmann geht es nicht darum, Tempel zu fotografieren und mit Inschriften in den typischen Hieroglyphen sein Buch zu illustrieren. Er sucht einen anderen Bezug zu den Menschen im alten Ägypten. Als Schlüssel zur Annäherung dienen ihm die Tempel, die in allen Zeiten für die Menschen die Stätte waren, in denen sie mit Gott in Kontakt treten konnten. Teichmann schildert in seinem sorgsam gestalteten Text, wie die Ägypter des 3. Jahrtausends anhand ihrer spirituellen Erfahrungen Wesen einer höheren Welt kannten und wie diese Erlebnisse im Lauf der ägyptischen Epoche immer mehr schwanden. An ihre Stelle traten die Mysterien, in die ausgewählte Menschen eingeweiht wurden, damit das göttliche Wissen nicht verloren ging. Setzt man diese Erkenntnis nun mit der Botschaft um, die in den Tempeln steckt, kommt man zu ganz neuen Einblicken: die ägyptischen Tempel sind ein Abbild des Wissens von geistigen Welten und vom nachtodlichen Leben.
Das ist es auch, was uns Menschen, ohne dass wir uns dessen bewusst wären, an den Tempeln so fasziniert – das Wissen um das Leben nach dem Tod, das Eingebundensein in einen Glauben, der das gesamte Leben umfasst. Teichmann geht diesen Fragen in den verschiedenen Kapiteln nach. Nach der Einleitung gibt er einen Überblick über die ägyptische Geschichte, dann beschreibt er die äußere Erscheinung der Pyramiden und schildert, welche Rolle sie im Leben der Ägypter spielten. Nachdem er das Weltbild der Ägypter erläutert hat, beschreibt der Autor, der Ägyptologie und klassische Archäologie studiert hat, die Herrscher als Eingeweihte, die Bedeutung der Pyramidenanlagen und ihren Bauprozess. Bis heute stehen wir fassungslos vor riesigen Blöcken, die dort bewegt wurden, unvorstellbar fein und genau haben die Baumeister gearbeitet. Das letzte Kapitel widmet sich den Tempelanlagen des 2. Jahrtausends.
Die Bilder für sich genommen sind schon ein beeindruckendes Erlebnis. Der Text aber führt weit hinaus über jede reine Beschreibung, er öffnet Türen und Horizonte in die geistige Welt hinein und die vielen Zitate aus ägyptischen Schriften, Inschriften und anderen Zeugnissen führen dem Leser vor Augen, welche Schätze hier auf ihre Entdeckung warten. So kann der Leser mit verfolgen, was die Ägypter in ihren Berichten meinten, wenn sie von Erlebnissen und Erfahrungen in der göttlich-geistigen Welt erzählten. Die Beschäftigung mit diesen Fragen kann für uns Menschen heute ein Schulungsweg sein.
csc

Lyrik nervt! – Eben!!

Andreas Thalmayr: Lyrik nervt! Erste Hilfe für gestresste Leser. 119 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Hanser Verlag. ISBN 3-446-20448-2.

nach oben „Lyrik nervt. Diesen Seufzer kann man auf so manchem Schulhof hören. Klassenarbeit, Interpretation, Abituraufsatz – kein Wunder, dass Gedichte es schwer haben, wo Lehrpläne und Richtlinien ihres Amtes walten (…) Aber muss das sein? Oder geht es auch anders? Aber sicher, sagt Andreas Thalmayr und ruft: Lyrik ist cool! Lyrik kommt wie gerufen! Lyrik ist kostenlos! Lyrik … ist Fitness fürs Gemüt! … Lyrik darf alles! Lyrik hilft!“ Ach Gott, bei so viel Enthusiasmus schöpft man doch gleich wieder Hoffnung und freut sich, dass der große Lyrikguru, der sich in der berühmten „Andere Bibliothek“ von Enzensberger schon im Bereich der Erwachsenen hat bewegen dürfen, sich in die jugendlichen Niederungen wagt und gar Leser zwischen 12 und 20 anspricht. Das ist genial. 12 bis 20 ist eine sehr enge Zielgruppe. Die wollen alle was von Lyrik wissen, finden es garantiert megakrass, dass ein Buch für Schüler in alter Rechtschreibung verfasst ist (Erscheinungsjahr 2004) und erfreuen sich am roten Lyrikkreuz auf weißem Grund in schwarzem Rahmen auf dem Cover. Meine Güte, wer hat sich das denn ausgedacht? Okay, stören wir uns nicht an Kleinigkeiten, wundern uns nicht über Lehrpläne, die ihres Amtes walten (wo bleibt der Schimmel?!), auf geht’s ins Vergnügen. Immerhin geht es um Lyrik, nicht um einen neuen Klingelton fürs Handy.
Ich mag seit meiner Schülerzeit Bücher ganz besonders, auf denen im Klappentext steht: Der Autor dieses Buches ist Experte. Aber er will nichteinschüchtern, sondern Lust machen auf Lyrik etc. Da läuten alle Alarmglocken. Experte, aha, aber er will dich Leserwürstchen sicher nicht frustrieren, sondern aufzeigen, dass Meiers Pudel auch rechnen kann, wenn man nur den entsprechenden (freilich: simplen) Trick kennt, mit dem auch der größte Schwachkopf zum Genie mutiert. Die Glocken trügen nicht, alter Schülerinstinkt. Also, Schüler dieses Landes, wenn ihr wissen wollt, was eigentlich ein Gedicht ist und am Ende eines mühsamen Buches lernen wollt, wie man selbst so was schreibt, dann ist das euer Buch. Die ersten paar Seiten gehen noch an, und dann wird der Herr modern, ja, Salsa und Hip-Hop kommen ins Spiel und das wirkt so, als wenn ein mittelalterlicher Stirnglatzer einem freakigen Youngster aufzeigt, wie man eine Website baut. Während sich der gute Mann abzappelt, hackt sich der Junge längst ins NASA-Netz ein und zeigt denen, was abgeht. Ach ja.
Sätze wie „Überhaupt die Grammatik! Was man mit der alles machen kann! Weg mit den langweiligen Punkten! Her mit den Ausrufezeichen! Schluß mit der Leisetreterei! Jetzt geht’s ums Ganze! Nur keine Bange!“ Ach, Herr Thalmayr, geraten Sie nicht in Ekstase.
Also, Freunde des Rap, heimliche Leser der Duineser Elegien und Kenner des Faktums, dass Shakespeare genial ist – tut dem Herrn Thalmayr den Gefallen und stellt das Buch in die Schülerbücherei. Es gehört in die „Bibliothek ungelesener Bücher“. Wenn ihr Spaß an Lyrik haben wollt, genießt das Reimeschmieden weiterhin. Vermutlich folgt jetzt die Reihe „Lyrik im Kindergarten“ oder „Senioren reimen“, dann haben wir alle wesentlichen Bevölkerungsschichten und können uns in Ruhe wieder dem Lesen von wirklich wichtigen Büchern zuwenden. Lyrik nervt. Aber nur, wenn sie so daherschlurft wie in diesem Buch. Für lebende Jugendliche ist es nur nützlich, wenn man sicher sein will, von ihnen nicht gemocht zu werden.
csc

Unverzichtbar für alle Schreibenden

Gerhild Tieger, Manfred Plinke (Hrsg.): Deutsches Jahrbuch für Autoren/Autorinnen 2005/2006. 1022 Seiten, gebunden. 26,80 Euro. Autorenhaus Verlag. ISBN 3-932909-33-X.

nach oben Erstmals als Hardcover ist jetzt das Jahrbuch für Autoren erschienen, das ultimative Nachschlagwerk für alle, die schreiben. Zwölf Großkapitel teilen die 1022 gut gefüllten Seiten: Schreiben, Lyrik, Genres, Theater, Hörmedien, Film und TV, Autorenberuf, Autorenförderung/Literaturpreise, Buch, Verlagssuche, Zuschussverlage/BoD/Selbstverlag sowie Recht und Honorare nebst Anhang.
Was hier ein wenig wirr erscheint, ist ein ausgesprochen gut recherchiertes Sammelsurium, informative Texte, die den Vorhang heben und dahinter blicken lassen, wechseln sich ab mit Adressen ohne Ende, dezente Hinweise auf Fußangeln, Fallen etc. sind notwendig in einem Business, in dem sich mit der Eitelkeit von Autoren unglaublich viel Geld verdienen lässt.
Der Umfang des Buches hat im Vergleich zu früher deutlich zugenommen, die Fülle an Informationen ist enorm. Was neben den Adressen und nützlichen Sachangaben immer wieder bedenkenswert ist, sind die zahlreichen Texte zu diversen Themen rund ums Schreiben, die Hinweise (vor allem Zuschuss, BoD) und Warnungen – bevor man investiert, sollte man lieber dafür sorgen, dass die Qualität des Geschriebenen möglichst optimiert wird. Schreiben ist eine Art Massensport geworden, der Qualität der Texte scheint das nur bedingt zu bekommen. Bei soviel Spreu den wenigen Weizen zu finden, ist ein echtes Problem. Wenn von 2000 Manuskripten im Jahr, die in manchen Verlagen eintrudeln, keine 20 brauchbar sind, sind oft wirklich nur noch Absage-Formbriefe drin. Doch nicht mal im Bereich der Autorenfortbildung ist man vor Fallen gefeit, es hilft also nur eines: informieren, informieren, informieren. Ehe man ein Buch schreibt, sollte man erstmal das Autorenjahrbuch zu Rate ziehen, vielleicht relativiert sich dann manches. Ausgezeichnete Recherche, wie gewohnt, gute, brauch- und umsetzbare Hinweise und ein sauber hergestelltes Buch – unverzichtbar, gehört auf jeden Schreibtisch. Wer immer noch ein wenig hinterm Mond daheim ist und den Newsletter nicht hat, sollte sich über www.autorenhaus.de endlich mal eintragen lassen. Nicht zuletzt, weil da alle Informationen immer upgedated sind, sondern weil da auch die aktuellen Sachen zu finden sind wie Wettbewerbe, Seminare etc.
csc

Pflichtlektüre für Manager

Rudolf Villinger: Führen – Zurück zum Wesentlichen. 293 Seiten, gebunden. 34,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3-280-05012-X.

nach oben Rudolf Villinger weiß, wovon er erzählt. Er hat vier Jahrzehnte lang Unternehmen reorganisiert, an der St. Gallener Hochschule gelehrt und Seminare für Führungskräfte gehalten. Sein Buch räumt auf mit der Selbstherrlichkeit ehemaliger Führungskräfte, macht klar, dass die Nieten in Nadelstreifen ausgedient haben. Nur – was tritt an deren Stelle? Wie führt man heute ein Unternehmen?
Drei Gründe haben Villinger bewogen, dieses Kompendium zu schreiben: Die chaotische Führung in den Chefetagen mit Auswüchsen Richtung Überheblichkeit, das Internet, das die etablierten Systeme ins Wanken brachte und als letztes die neuen Unternehmensformen, die als new economy an die Stelle alter Unternehmensformen traten. Gepaart mit Villingers Begeisterung am Führen, der Lust am Gestalten und auch der Reiz des Risikos, ist ein Buch entstanden, das so manchem Chef als Pflichtlektüre auf den Tisch gelegt werden sollte.
In mehreren Kapiteln nähert sich der Autor der Frage „Was ist führen“? Definition, Corporate Governance, Profil des Leaders, Vierklang der strategischen Führung, Zielsetzung, „Intelligenz der Unternehmung“ entfesseln, Marketing, Risiko, wie wächst die Unternehmung und „Umgang mit der Zeit“ sind die Überschriften. Klare, einfache und übersichtliche Schaubilder, viele Beispiele aus der Praxis und eine exakte Sprache machen es dem Leser einfach, Villingers Erkenntnissen zu folgen, auch wenn sie nicht unbedingt das sind, was manche Führungskraft gerne liest. Eines wird rasch klar: Einmal erreichte Ränge sind nicht die Lorbeeren, auf denen man sich ausruht, Führungskraft sein ist das direkte Gegenteil von statischem Leben. Wer verantwortungsbewusst führen will, braucht ausgeprägte Sinne, muss vernetzt denken können und mutig Problemchen aufgreifen, ehe sie ausarten. Ziele, Strategien und Planung sind wesentliche Bestandteile für Leader, denn sie lenken das Firmenschiff durch die unübersichtliche Wirtschaftssee. Da bedarf es schon ausgeprägter Fähigkeiten und mancher, der mit diesen Alltagsproblemen mehr zu kämpfen hat, als ihm lieb ist, wird heilfroh sein, wenn er diese Punkte einmal angesprochen, erläutert und aufgezeigt bekommt.
Wer vorhat, Leader eines Unternehmens zu werden, muss die Regeln des Managements beherrschen. Dann kann er mitspielen und im Idealfall hat es ihn gepackt – er spürt, dass Führen nicht nur eine verantwortungsvolle Aufgabe ist, die bis hinunter zum kleinsten Angestellten für alle Mitarbeiter lebenswichtig ist, sondern dass es Spaß macht, die Kräfte einzusetzen, um dafür zu sorgen, dass das Unternehmen stabil mithalten kann.
csc

Vom Kopf auf die Beine gestellt

Wolfgang Vögele (Hrsg.): Der andere Rudolf Steiner. Augenzeugenberichte, Interviews, Karikaturen. 403 Seiten, gebunden. 24,– Euro. Pforte Verlag Dornach. ISBN 3-85636-158-8.

nach oben Der andere Rudolf Steiner Wenn ein Verlag ein Buchprojekt mit „Der andere Rudolf Steiner“ betitelt und in der Unterzeile schreibt: Augenzeugenberichte, Interviews und Karikaturen, dann ist die erste Reaktion: Au weia, mutig, gewagt, armer Verlag, das wird garantiert als Demontage eines Gurus betrachtet. Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, Urheber der Waldorfbewegung und charismatischer Lehrer mit Tempelsitz im Schweizerischen Dornach, gilt seinen Anhängern als eine Art unantastbarer Heiliger. Der wahre Anthroposoph kleidet sich auch gern schwarz wie der Meister himself (wenn nicht im Gefilzten, flattrigen Bouretteseidigen in allen Lilaschattierungen), gibt seinem Antlitz ein leidendes Aussehen, das Vergeistigung und Weltentrücktheit symbolisieren soll und zitiert permanent einen Geheimcode, beginnend mit den Worten „aber in GA XY steht“, im Wechsel mit „Steiner sagt“. Und jetzt will das Buch uns einen anderen Steiner vorstellen? Etwa einen lebendigen Menschen und nicht die hochstilisierte Götterfigur?
Ja, will er und das ist eine zweischneidige Sache, die weder die Steinerianer noch die Gegner kalt lässt. Holt man einen Mythos vom Sockel, sprich, zerrt man ihn aus den geistigen Höhenflügen ins irdische Dasein, lässt ihn essen, trinken, schimpfen, menschlich müde und gar permanent finanziell abgebrannt sein, fällt es schwer, das Bild des unantastbaren genialen Redners, dessen Glutaugen auch die allerletzten Trübtassen in ihren Bann gezogen hat, damit zu verbinden. Wer in Dornach den Hügel betreten durfte, dieses gewaltige Bauwerk in Beton mit seinen leuchtenden Fenster auf sich wirken ließ, hat annähernd eine Ahnung von der Person Rudolf Steiner. Wer den Seelenkalender spaßeshalber mal ein Jahr lang als täglichen Begleiter hatte, spürt – hier ist ein Mensch gewesen, der gewaltig in Sphären gegriffen hat, die Normalos verborgen bleiben, da können sie noch so intensiv in der Geheimwissenschaft im Umriss blättern und die Nebenübungen machen, hellsichtig wird so schnell keiner. Und da haben wir jetzt ein Sammelsurium an Anekdoten, Geschichten und Berichten über Steiner. Von Freunden, von Feinden, von Leuten gar, die Steiner nie selbst begegnet sind oder ihn zufällig trafen. Übereinstimmend – keinen hat Steiner kalt gelassen. Selbst diejenigen, denen Steiners Thesen als kruder Quatsch vorkam, abgedrifteter Krempel zum Zweck der Volksverdummung, Hobbyspiritismus für unbefriedigte Damen der höheren Gesellschaft, kamen nicht umhin, sein Charisma zu spüren und zu erkennen – hier ist einer, der lebt, was er sagt, der hat Macht, der ist überzeugt von dem, was er sagt. Man muss also genau trennen: Rudolf Steiner als Mensch. Rudolf Steiner als Begründer der Anthroposophie. Die Anthros mystifizieren das Unternehmen Steiner: Die Waldorfschule, die (sehr segensreiche) Erweiterung der Heilkunst, die Leistungen der Pflege (nirgendwo werden Menschen so intensiv gepflegt wie in anthroposophischen Einrichtungen und Hospizen, sogar heute noch), die Kirche (Christengemeinschaft), die Bank, die Pharmaunternehmen (die jedes Jahr gewaltige Auszeichnungen absahnen, weil die Produkte eben für den Menschen sind und nicht für den Konzern). Dazu kommen künstlerische Impulse wie Sprachgestaltung, Eurythmie, Theater, Zirkus, die an eigenen Instituten unterrichtet werden. Ein Staat im Staat also fast und eine gewaltige Anhängerzahl, Tendenz steigend, wer hält es schon aus zwischen G8 und G9, wer traut sich heute zu, sich nicht in die Hand der Allmachtsmedizin zu begeben, wenn es auch mit anderen Mitteln gehen würde, der Mensch ist bequem, die Verantwortung hat er abgegeben, das Gehirn ebenfalls, prima, das ist eine Masse, mit der sich wunderbar arbeiten lässt, wie die Geschichte lehrt. Dagegen fordert Rudolf Steiner schon was anderes von Menschen. Doch darum geht es nicht.
Vögele stellt den Menschen Steiner dar, der lebenslang eine Schleife um den Hals trug, auch wenn sie schon am Anfang modisch out war. Der Mann war permanent pleite und er hat zum ersten Mal geheiratet (das erfahren Steinerianer nur, wenn sie schon weit fortgeschritten sind, jeder kennt = verehrt Marie Steiner, Steiners zweite Ehefrau und eine der wesentlichen Stützen des Anthroimperiums), als er feststellte, dass er mit seinem chaotischen Leben nicht mehr klarkommt. Die 1. Frau Steiner war also zuständig fürs Aufräumen und dafür, ihren Gemahl ein wenig zu pushen, damit der in die Gänge kommt, raus aus der Goetheforscherecke und endlich hin zum Lebenswerk, ehe er als Alkoholiker mit Visionen in der Gosse endet. Das muss nicht der schlechteste Ausgangspunkt sein. 70 bislang weitgehend unbekannte Augenzeugenberichte vereint das Buch und es zeigt Rudolf Steiner in vielen Facetten, vor allem aber stellt es ihn als Menschen aus Fleisch und Blut dar, mit Fehlern, mit Schwächen, aber es zeigt auch, dass die Zeitgenossen früh spürten, dass in ihm eine Kraft wirken wird, die ungeahnte Ausmaße entwickeln kann. Arthur Schnitzler, Rosa Mayreder, Gabriele Reuter, Albert Schweitzer, Annie Besant, Franz Kafka, Walther Rathenua, Hans Kühn, Hermann Hesse, Döblin, Tucholsky – sie alle haben Steiners Lebensweg gekreuzt und diese Begegnungen festgehalten. Acht Interviews mit Tageszeitungen sind wiedergegeben und eine sehr hübsche Sammlung von Karikaturen und Texten über Steiner, die sehr genau das widerspiegeln, was den Anthros bis heute in der Gesellschaft entgegenschlägt – wer so eindeutig in eine Richtung geht, gilt rasch als Fanatiker und wird entsprechend durch den Kakao gezogen. Der Anhang ist sorgsam, Literaturliste, Quellen, Nachweise, Zeittafel – so kann der Interessierte weiterlesen und im Lauf der Zeit prüfen: Wie sehe ich Rudolf Steiner? Nun wird wohl eher das Werk zu uns sprechen und vor allem das, was seine Adepten aus den Anlagen gemacht haben. Dem Blick auf den Fotos (dankenswerterweise auch im Buch enthalten) mag man ausweichen können, seinen Ansichten aber nicht, denn sie zeigen, was dieser Mann schon vor einem knappen Jahrhundert erkannt hat: Es ist notwendig, dass der Mensch sein Schicksal ergreift und dazu braucht er schaffende Hände, einen stabilen Stand, aber auch die Gnade des Himmels. Man mag nun von den „Waldörflern“ denken, was man will, aber dass sie Steiner mystifizieren, liegt daran, dass es uns an Vorbildern eklatant fehlt, an geistiger Führung und am Vertrauen, dass wir aus eigener Kraft Großes leisten können. Das Buch jedenfalls wird wahre Jünger ziemlich verstören, denn ein abgebrannter saufender Rudi passt nicht ins Bild des Heiligen, der quasi mit einem Nimbus schon geboren wurde und zielstrebig seinen Weg zum Höchsten ging. Jaja, da wird das Buch schon gewaltig Unmut erzeugen, armer Wolfgang Vögele. Für alle anderen zeigt das Buch: Steiner spaltet von Anfang an. Aber er lässt einem auch die Freiheit, sich zu entscheiden, auf welcher Seite man stehen will. Und ein Heiliger mit zerfleddertem Flügelpaar ist nicht weniger heilig, im Gegenteil, er wird menschlicher und damit weniger Furcht einflößend. Ein mutiges Buch, sehr schön gestaltet, ausgewogen. Ein Brandsatz im Fleisch der Adepten, aber wer es nicht verkraftet, dass auch ein Guru ziemlich viele Fehler machen muss, damit er sich daran weiterentwickelt, sollte sich fragen, ob er sein Hirn auch an der Tür abgibt und blind folgt, wem oder was auch immer. Wir sind Menschen, also fehlerhaft und wenn einer aus unserer drögen Masse aufsteigt und so ein Lebenswerk schafft, das viel Gutes in die Welt gebracht hat, ist es immer ein Verdienst, auch wenn der Mann von mir aus in seiner Jugend gesoffen hat, ein kompletter Chaot war und aus Überlebenstrieb geheiratet hat. Nicht wenige Ehen dürften bis heute allein dem Zweck dienen, dass jemand mal Ordnung in einen Saustall bringt, oder? Für Freunde und Feinde der Anthros gleichermaßen lesenswert und für manchen vielleicht der gelingende Einstig, denn ein menschlicher „Führer“ ist allemal weniger abstoßend als ein Sockelheiliger.
csc

Wunder in uraltem Harz

Wilfried Wichard und Wolfgang Weitschad: Im Bernsteinwald. 168 Seiten, ca. 120 großformatige Farbfotos, gebunden, mit Schutzumschlag. 35,– Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2551-9.

nach oben Wichard Wenn ein Professor mit Schwerpunkt Evolutionsbiologie und ein Dozent und Kurator am Geologisch-Paläolontologischen Institut und Museum der Hamburger Uni ein Buch über Bernstein verfassen, rechnet man mit dem Schlimmsten. Öde Schnitte von irgendwelchem Fliegenkram, der vor zigtausend Jahren von bösartigem tropfenden Harz eingesperrt, umgebracht und darin festgehalten wurde als eine Art Schnappschuss aus dem Erdaltertum, zu Tage gebracht per Zufall.
Ach, wie schön, wenn man sich so irrt. Wer Bernstein nur als Halskette oder als Zahnungshilfe quengliger Kleinkinder kennt, hat keine Ahnung, welche Welt sich erschließt, wenn man sich mal auf den Weg macht. Die Herren Wichard und Weitschad erweisen sich als sehr kundige Führer durch den Bernsteinwald, denn es ist ein Buch voller atemberaubender Bilder entstanden, erstaunlich poetisch einerseits, voller Informationen für Laien und sehr intensiven Hinweisen für die wirklichen Forscher, mit beeindruckendem Anhang und diversen Hinweisen.
Unter den Kapiteln „Bernstein – Fenster in die Vergangenheit“, „Inklusensteine – goldene Gräber“, „Szenen aus dem Bernsteinwald“, „Von Farnen, Moosen, Knospen, Blüten und Blättern“, „Tropische Exoten“, „Die Gewässerfauna des Bernsteinwaldes“ und „Wirbeltiere – eine Spurensuche“ entführen die Autoren in längst versunkene Welten und zeigen in wunderbaren Fotos unterschiedlichste Tiere und Pflanzen, die vom Harz eingeschlossen und so für die Ewigkeit konserviert wurden. Zeichnungen und Texte verdeutlichen, schildern und vertiefen für die, die Genaueres wissen, die mehr sehen wollen. Es wirkt, als erhöbe sich das Insekt in dem Moment, in dem man den Stein aufschneidet – mitten aus dem Leben gerissen sind sie, festgehalten in unterschiedlichem Tun.
Das Buch ist gleichermaßen für Zeit- und Tierforscher wie auch Steinfreunde eine kunstvolle Offenbarung, denn es erfüllt sowohl einen hohen ästhetischen Anspruch als auch den nach umfassender Erkenntnis. Besonders zauberhaft sie die jedem Kapitel vorangestellten Zitate, die man in einem solchen Buch kaum erwartet hat. Und man versteht beim Blättern und Lesen, weshalb der Bernstein so fasziniert. „Tränen fließen heraus und erstarren in der Sonne, als Bernstein tropfen sie ab vom frischen Gezweig, es empfängt sie der klare Strom und sendet sie hin, dass Latiums Töchter sie tragen“ (Ovid).
Die Forderung Kants „Oh, wenn du reden könntest, kleine Fliege. Wie ganz anders würde es um unsere Kenntnisse der Vergangenheit stehen!“ wird hier ein ganzes Stück weit erfüllt. Die Autoren bringen den Bernstein zum Sprechen und der weiß viel zu erzählen.
Ein Buch zum Schenken und sich selbst daran erfreuen, heilsam für alle, die an grauen Tagen ein wenig warmes Gelb gut vertragen können und ein Bilderbuch aus der Erdgeschichte.
csc

Auf den Punkt gebracht

Wolfgang Willaschek: 50 Klassiker Oper. 320 Seiten, reich bebildert, Klappenbroschur. 19,95 Euro. Gerstenberg Verlag. ISBN 3-8067-2510-1.

nach oben Oper? Das, wo schrille Soprane kreischen, man keinen blassen Schimmer von dem hat, was auf der Bühne vor sich geht, wo man stundenlang in engen Sesseln kauert und ein orchestrales Inferno über einen hereinbricht, ehe man ein warmes Bier auf dem berühmten Hügel kriegt und sich dazu noch in grausam enge Klamotten quetschen muss? Oper – das enthält alle Schrecken auf einmal.
Oper – was für eine Faszination! Die ganze Welt, zusammengeballt auf ein paar Stunden Musik, die grellsten Gegensätze, die schärfsten Lovestories, das ganze menschliche Leben, destilliert auf ein paar Arien!
Oper spaltet enorm. Wer heute in die Oper geht, will was geboten kriegen. Die Sänger müssen mindestens so gut sein wie die auf CD. Das Bühnenbild muss von berühmten Menschen geschaffen worden sein, die Regie sollte jemand führen, der ohnehin für Presserummel sorgt und das Drumherum ist lebenswichtig. Das Orchester sollte freilich hervorragend sein, der Dirigent ein bekannter Mensch und die Solisten, ja, die dürfen exzentrisch sein, aber nicht zu sehr, sonst muss man sie wieder entlassen. Oper hat die Menschen immer polarisiert, das ist bis heute so und macht einen großen Teil des Mythos’ aus.
Willaschek teilt seinen hervorragend brauchbaren Opernführer in die Kapitel „Helden, Mythen, Heldinnen, Paare, Komödianten, Träume und Alpträume“ ein, nachdem er den neugierigen Leser erst einmal durch die Geschichte geführt und durch ein Opernhaus geschleppt hat. Spätestens seit der Verfilmung vom Phantom der Oper hat der Durchschnittsmensch mal gesehen, dass die Opernbühne der winzigste Ausschnitt eines ganzen Kosmos ist. Willaschek ist ein guter Führer, er schleppt den Leser nicht nur durch die Gänge, sondern auch in die Maske, die Herstellung und die Technik. Nur wer weiß, was für ein Wahnsinnsaufwand hinter allem steckt, kann auch die Leistung, die da nur auf der Bühne sichtbar wird, ermessen.
Die Kapitel haben eine klare Gliederung. Willaschek hat kleine Kästen auf den Seiten, in denen das wirklich Wesentliche perfekt in Kurzform enthalten ist. Bilder berühmter Inszenierungen erfreuen das Auge, machen neugierig und zeigen, wie sich die Kostüme und Bühnenbilder im Lauf der Zeit gewandelt haben. Am Ende des Textes über jede Oper findet sich eine Seite mit der Inhaltsangabe, den Daten und der Wertung in den Kriterien Verständlichkeit, Eingängigkeit, Aktualität und zwei individuelle Punkte wie beispielsweise Satire, Mythologie, Ballett etc.
Wer sich ratzfatz für einen Opernbesuch fitmachen will, braucht das Buch, sonst ist er aufgeschmissen. Oper ist nichts, was man mit Erdnussflips in der Hand mal nebenbei „reinzieht“, in die Oper gehen bedeutet, sich den extremen Leidenschaften auszusetzen. Das kann auch mal krass ins Auge gehen, denn nicht jeder mag Wagners Wucht, kann sich mit Sopranarien anfreunden oder bewältigt ein Bühnenbild, das aus einem weißen blutverschmierten Vorhang besteht. Genauere Kenntnis, um was es in der Oper eigentlich geht, kann Leben retten. Die Infokästen über die Komponisten sind ideal geeignet, um sein (hoffentlich vorhandenes) Wissen aufzufrischen, immerhin haben die meisten Opern Pausen und da sollte man nicht gerade als Lieschen Müller dastehen.
Wer nun meint, er habe einen der üblichen trockenen Inhaltsangaben mit detaillierter Schilderung stilistischer Besonderheiten der Musik vor sich, irrt gewaltig. „In seiner berühmtesten Nummer – „La donna è mobile“, dem Opernhit schlechthin, den Igor Strawinsky dem ganzen Wagner-Ring vorzieht – wird deutlich, dass er stets dasselbe singt. Als würde man einen Groschen in eine Musikbox werfen, damit sie immer wieder von neuem losgeht. Showdown: An der im Hintergrund trällernden Tenorstimme erkennt Rigoletto, der eben noch glaubte, der „Rächer der ganzen Welt“ zu sein, dass sich im Sack vor ihm doch unmöglich der Herzog befinden kann. Aber wer ist es dann?“ – Sie sehen, Willaschek hat seine eigene Sicht der Dinge und wer Oper da langweilig findet, dem ist nicht zu helfen. Aussagen wie die zur ersten Oper überhaupt, Monteverdis „Orfeo“ sind einfach nicht zu toppen: „Obwohl sich alles um ihre „glücklichen, fröhlichen“ Augen dreht, erscheint Eurydice, die weibliche Hauptfigur, nur flüchtig. Einmal, kurz vor ihrem Tod, sindt sie acht, beim Wiedersehen mit Orpheus in der Unterwelt immerhin zehn Takte.“ Wer die Oper kennt, wird sich wegwerfen vor Lachen, denn die „Rose des Himmels“ kann ihre Rolle wirklich im Eiltempo lernen. Gewaltig auch die Einschätzung der Zauberflöte: „Vielleicht tatsächlich die einzige Oper ohne jede Altersbegrenzung. Text und Musik sind unmittelbar und ohne weiterbildende Lektüre verständlich.“ Also, Opernmuffel, bei der nächsten Zauberflöte geht’s aber mal flott ins Theater! Für den Spaß sorgt schon Papageno, sei es im Vogelkostüm oder auf Inlinern.
Das Glossar im Anhang ist sehr nützlich, nicht jeder Opernbesucher ist Musikwissenschaftler. Leider ist das Besucherverhältnis immer noch an dem. An Willascheks Opernführer jedenfalls liegt es nicht, wenn jemand in der Oper nichts verstanden hat. Höchstens an der Tatsache, dass die aufgeführte Oper leider NICHT in Willascheks Opernführer steht …
csc

Für Eltern unverzichtbar

Eva Zeltner: Mut zur Erziehung. 247 Seiten, kartoniert. 17,– Euro. Zytglogge Verlag Bern. ISBN 3-7296-0507-0.

nach oben Eva Zeltner ist ein harter Brocken, man liest ihre Bücher nicht so dahin. In „Mut zur Erziehung“ hat sie sich eines Themas angenommen, das gewagt ist in unserer Spaßgesellschaft mit Hang zur multiplen Depression. „Mut zur Erziehung“, aha, haben das nicht alle Eltern, quasi aufgrund ihres Elternseins? Beileibe nicht. Der Blick auf Schulhöfe zeigt – es wird geprügelt was das Zeug hält, gemobbt, Messer gehören offenbar in viele Schultaschen, Drogen, Pillen und Alcopops in jedes Schulkind und Eltern stehen hilflos vor ihren Jugendlichen, denen sie resigniert Geld in die Hand drücken, die sich an nichts reiben können, denn Eltern haben eh für alles Verständnis.
Früher wars besser. Da gab es die Bösen, das waren logischerweise die spießigen Eltern, die einen Anfall kriegten, trug man sein Haar nicht als Popper, sondern Punker, wo man noch Monate nerven musste, ehe sie einem eine Karottenhose kauften und Schminken im Schulklo stattfand. Und es gab die Braven, das waren wir Jugendliche, jawohl, wir hatten noch Ideale und kriegten den Hintern hoch, saßen nicht so selbstzufrieden und machterfüllt da wie die Eltern mit dem Bausparbrief und den Butterstullen. Das war einfach, da war alles geregelt, jeder kannte seinen Platz.
Die Liberalisierung hat die Erziehung längst erreicht. Heute sehen manche Eltern aus, als seien sie Geschwister ihrer Halbwüchsigen. Sie hören die gleiche Musik, erlauben fast alle Frisuren, nehmen ein Piercing eher neugierig zur Kenntnis, wenn es an „gesellschaftsfähigen“ Stellen angebracht ist und halten sich ansonsten raus aus der Erziehung, denn Kinder erziehen sich sicherheitshalber selbst, wozu finanziert man Lehrer, Bewegungstherapeuten, Psychologen und Heerscharen von Ärzten, das macht am wenigsten Scherereien und man selbst hat ja genug gelitten unter den Befehlen, der Autorität und der Begrenzung, genau.
Eva Zeltner hat ein messerscharfes Auge und sie kann das, was sie sieht (oder besser gesagt in ihrem Beruf als Psychologin sehen muss) ebenso messerscharf in Worte umsetzen. Und die Wahrheiten, die sie in ihrem typischen Stil dem Leser um die Ohren haut, sind schmerzlich. Das liegt nicht an der Formulierung, sondern an der Erkenntnis – Eltern sind heute oftmals zu feige, sich in die Erziehung zu stürzen. Das hieße nämlich, von der eigenen Bequemlichkeit ein gewaltiges Stück abzurücken, sich auseinanderzusetzen, Werte zu definieren, Maßstäbe anzulegen, Forderungen zu stellen, zu fördern und eine neue Art der Liebe zum Kind zu entwickeln, die der Achtung, des Respekts, aber auch der Zuversicht, dass starke Kinder zu tüchtigen Erwachsenen heranwachsen, die im Sturm des Lebens zwar gebogen, aber nicht gebrochen werden.
Eva Zeltner analysiert gnadenlos und notwendig. Sie nimmt Eltern ihren Blindfilter weg, hinter dem sie sich so gern verstecken, Marke „och, wird schon nicht so wild sein, bisher haben wir nur drei Verweise unterschreiben müssen“. Sie zeigt, wo es brennt.
Doch das wäre nur die halbe Miete und Eva Zeltner nicht Eva Zeltner, wenn sie nicht auch sehr bedenkenswerte und brauchbare Ansätze aufzeigte, die Eltern wie ein Leitfaden an die Hand gegeben werden können. Eigene Werte, Inkonsequenz, Bilder sind Vorbilder, Rhythmus, Frustrationstoleranz, Humor, Eingeständnis, dass man Hilfe braucht – Teile der „Eisernen Ration für Eltern“. Eva Zeltner liebt Kinder und das merkt man. Wie ein guter Gärtner seine Büsche und Bäume regelmäßig beschneiden muss, will er eine gute Ernte haben, müssen Eltern ihre Erziehungsaufgabe ergreifen, mit ganzem Herzen Ja sagen zu dieser schwierigen Aufgabe in einer problematischen, egoistischen Welt am Abgrund. Kinder zu erziehen bedeutet, bei sich selbst anzufangen. Das ist mühsam, macht unheimlich viel Arbeit und zeigt einem leider jeden Tag auf, dass man als Mensch ein permanenter Anfänger, Lernender und Suchender ist. Kinder auf ihrem Weg in ein zufriedenes Leben zu begleiten, ist ein Seiltanz in einer Zeit, in der Werte verfallen, die Idole im Wochentakt wechseln, Menschen sich durchs Leben zappen und in Scheinwelten aufhalten, um dem Horror des Alltags zu entfliehen.
Die Aufgabe aber ist nicht unlösbar und mit ihr eng verknüpft ist das Schicksal der ganzen Welt. Wer seine Erziehungsaufgabe nicht wahrnimmt, handelt fahrlässig. Wer sich aus Angst vor Konflikten hinter „mach ruhig, wird schon gutgehen“ versteckt, bahnt einem Wurstigkeitsgefühl einen breiten Weg. Vertrauen will erarbeitet sein. Erziehung ist mehr als ein „wir wohnen im gleichen Haus“, mehr als ein Nebeneinander. Erziehung bedeutet: Hinterfragen, sich im Wachsen der Kinder mit zu verändern, um Kindern Halt, Rückgrat, Wertmaßstäbe und eine Richtung zu geben, die sie dann später nach ihren eigenen Vorstellungen ändern können. Aber nur, wer als Kind Wurzeln bekommen hat, wird als Erwachsener auch verantwortungsvoll und mit Freude fliegen können. Eltern, lest Zeltner. Und packt endlich die Erziehungaufgaben auch mal an, oder wollt ihr in einer Seniorenklappe landen, weil ihr euren Kindern vermittelt habt – ey, schmeiß ruhig weg, was du nicht mehr brauchst, wir kaufens neu?!
csc

86400 Sekunden pro Tag

Jörg Zeyringer: Der Treppenläufer. Wie man sich und andere motiviert. 204 Seiten, gebunden. 29,50 Euro. Orell Füssli Verlag, Zürich. ISBN 3280-05068-6.

nach oben Exakt so viele Sekunden hat auch Ihr Tag. Und – nutzen Sie die auch gut? Falls Sie da noch nicht begeistert abnicken und sich dann wieder Ihren zahlreichen Aufgaben widmen, sollten Sie einen Blick in Jörg Zeyringers Buch werfen. Zeyringers Buch ist schon deshalb interessant, weil hier ein Autor schreibt, der schon Bademeister, DJ, Verkäufer, Offizier und vieles andere war, auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur machte und dann Kommunikationswissenschaften und Pädagogik studierte. Zeyringer ist also jemand, der weiß, wie man sich motiviert, sonst hätte er sein persönliches Pensum nicht bewältigen können. Es spricht einer, der sich auskennt.
Beeindruckende Szene des Buches: Überqueren Sie ein Holzbrett in ein paar Zentimetern Höhe zwischen zwei Stühlen. Kein Problem? Eben. Überqueren Sie aber das gleiche Brett, das zwischen zwei Felsen liegt und darunter in gewaltiger Tiefe ist nur ein reißender Fluss. Na, laufen Sie noch immer ruhig über das Brett? Es ist kein Unterschied im Brett! Wohl aber in Ihrem Kopf und genau da liegt das Problem.
Wie funktioniert Motivation, was löst sie aus, was bringt uns dazu, Ziele zu formulieren, sie auch erreichen zu wollen und sie letztlich zu bewältigen?
Im „Treppenläufer“ stellt Zeyringer zahlreiche Modelle und Werkzeuge vor, die helfen können, die Träume zu realisieren. Es sind keine fein ausgedachten Spinnereien, sondern ausprobierte, getestete Methoden, die sich unterscheiden von dem, was man gemeinhin kennt. Haben Sie schon mal was vom Biermodell gehört? Eben. Allein der Anblick eines alltäglichen Bieres kann lehrreich fürs Leben sein, denn Zeyringer gelingt der Spagat zwischen Csikszentmihalyis These vom flow und seinen eigenen Gedanken.
86400 Sekunden haben Sie täglich die Chance, Ihre Ziele zu erreichen. In einem großen Teil dieser Zeit müssen Sie es schaffen, sich selbst zu motivieren, denn „Zum Erfolg gibt es keinen Lift. Man muss die Treppe benutzen“. Der „Treppenläufer“ hilft dabei, im Alltag, sei es im Beruf oder im Privatleben, nicht den Mut zu verlieren, seine Träume auch umsetzen zu können.
csc